The Things You Kill
© Best Friend Forever
The Things You Kill
„The Things You Kill“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Viele Jahre arbeitete Ali (Ekin Koç) als Literaturprofessor in den USA, bevor er in seine Heimat Türkei zurückkehrte, wo noch immer seine Familie lebt. Eigentlich würde er auch gern selbst eine Familie gründen, sei einiger Zeit versuchen er und seine Frau Hazar (Hazar Ergüçlü) bereits Nachwuchs zu bekommen – vergeblich. Inzwischen weiß Ali auch den Grund, selbst wenn niemand diesen erfahren darf: Er produziert zu wenige Spermien. Diese Sorge rückt aber bald in den Hintergrund, als seine Mutter (Güliz Şirinyan) plötzlich verstirbt. Sie sei unglücklich gefallen und habe sich dabei ihren Hinterkopf angeschlagen, am Ende sei sie ihren Verletzungen erlegen. Oder war es doch anders? Zumindest vermutet Ali das, er verdächtigt seinen Vater Hamit (Ercan Kesal), sie mal wieder misshandelt zu haben …

Unheilvolle Stimmung

The Things You Kill ist einer dieser Filme, die gleichzeitig sehr viel sagen und sich doch bedeckt halten, wenn es darum geht einmal konkret zu werden. Ein Werk, das sehr offensichtlich ist, fast schon plakativ in seiner Symbolik und doch rätselhaft bleibt. Klar ist zumindest von Anfang an, dass da etwas gar nicht in Ordnung ist mit dem Protagonisten und seiner Familie. Da ist Alis mangelnde Fruchtbarkeit, welche sein Weltbild auf den Kopf stellt. Da sind die Rohre unter dem Haus, die verstopft sind. Und auch der Garten macht Probleme, weshalb der Lehrer immer wieder hin muss, um etwas zu richten. Beruflich droht ebenfalls Ärger. Doch das sind nur die Vorboten für das, was später geschehen wird. Denn als die Mutter von Ali stirbt, bricht auch in ihm etwas.

Der Film hat dabei eine zweite Hauptfigur, die nach einiger Zeit eingeführt wird: Reza (Erkan Kolçak Köstendil). Immer wieder unterhält sich Ali mit diesem, findet in ihm jemandem, dem er sich anvertrauen kann. Erst später, wenn es zu irritierenden Wechseln kommt, die dem Film eine surreale Atmosphäre verleihen, rückt dieser notgedrungen stärker in den Mittelpunkt. Wie diese Irritation aussieht und worauf das hinausläuft, sollte man vorher besser nicht wissen. Nur eines so viel: Regisseur und Drehbuchautor Alireza Khatami (Irdische Verse, Los Versos del Olvido – Im Labyrinth der Erinnerung) behandelt dabei das Thema Identität, wenn es um die Diskrepanz zwischen einer eigenen Wahrnehmung und einer Fremdwahrnehmung geht, um unterdrückte Gefühle und die Frage, wie unser Leben uns formt. Wer bin ich eigentlich? Was hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin?

Gefangen in einem Kreislauf der Gewalt

Damit verbunden sind eine Reihe anderer Themen, unter anderem der große Komplex toxische Männlichkeit, patriarchale Gesellschaften und Geschlechterbilder. Wenn Ali gegen seinen Vater ankämpft, dann sieht es zunächst danach aus, als würde er gegen eben diese Missstände ankämpfen, die andere – selbst seine Schwestern – stillschweigend hinnehmen. Und doch ist auch er von dieser Gesellschaft geprägt, zeigt zudem eben diesen Hang zur Gewalt, den sein Vater über viele Jahre demonstriert hat. The Things You Kill ist in der Hinsicht schon erschütternd, Khatami gibt einem nicht viel Anlass für Hoffnung. Er verzichtet auch auf eine Heroisierung. Bei vielen Filmen, in denen die Hauptfigur ein begangenes Verbrechen sühnen will, wird das implizit gutgeheißen. Rache und Selbstjustiz sind in Ordnung, da dürfen dann auch Dutzende Menschen getötet werden, falls vorher etwas Schlimmes geschehen ist. Das wird einem als ausgleichende Gerechtigkeit verkauft.

Hier ist das anders. Der Thriller, der auf dem Sundance Film Festival 2025 Weltpremiere hatte und dort auch ausgezeichnet wurde, zeigt auf, was es mit Ali macht, wenn er dieser Seite von sich nachgibt. Er wird selbst zu einem Monster, das kaum wiederzuerkennen ist. Oder wird er dadurch zu sich selbst, wenn wir hinter die Kulisse blicken? In The Things You Kill wird zerstört, wird gebrochen und getötet. Doch das Zerstörte verschwindet nie ganz, es bleiben immer Reste, die einen sichtbar, die anderen nicht. Entsprechend düster ist das hier. Es gibt sicherlich brutalere Filme als diesen hier, auch weil vieles nur angedeutet, nicht gezeigt wird. Aber dieses Jahr dürften wenige herauskommen, die einen derart sprachlos zurücklassen, wenn Tragik und Gewalt Hand in Hand gehen und es keinen Ausweg mehr zu geben scheint.

Credits

OT: „The Things You Kill“
Land: Türkei, Polen, Frankreich, Kanada
Jahr: 2025
Regie: Alireza Khatami
Drehbuch: Alireza Khatami
Kamera: Bartosz Swiniarski
Besetzung: Ekin Koç, Erkan Kolçak Köstendil, Hazar Ergüçlü, Ercan Kesal

Bilder

Trailer

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The Things You Kill
fazit
„The Things You Kill“ handelt von einem Mann, der nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter seinen Vater verdächtigt. Der Thriller zeigt, wie Menschen von ihren Situationen geprägt werden und Gewalt sich fortsetzt, bis es kein Entkommen mehr gibt. Das ist mit irritierenden Kniffen verbunden, die dem Film eine surreale Note geben. Einfach ist das nicht, Eindruck hinterlässt das aber auf jeden Fall.
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