
New York City im Sommer 1977: Im Nordosten der Bronx, einem von italienischen Einwanderern geprägten Viertel, geht die Angst um, da ein Serienmörder, der sich später „Son of Sam“ nennt, sein Unwesen treibt. Dabei haben die Menschen dort eigentlich anderweitig bereits genug zu tun. Da ist Vinnie (John Leguizamo), der in einem Friseursalon arbeitet und abends in Discos geht. Dabei reißt er gern auch Frauen auf, obwohl er mit Dianne (Mira Sorvino) verheiratet ist. Sein Jugendfreund Richie (Adrien Brody) hingegen versucht, in der Schwulenszene Geld durchs Tanzen und Pornos zu machen, während er gleichzeitig eine Beziehung mit Ruby (Jennifer Esposito) anfängt. Bei seinen alten Freunden kommt das gar nicht gut an, sie misstrauen Richie zunehmend …
Ein Serienmörder im Hintergrund
Bei dem ungebrochenen Bedarf an True-Crime-Geschichten, der dauernd neue Filme, Serien und Podcasts hervorbringt, vergisst man zuweilen, dass es auch früher schon Werke gab, die sich mit realen Verbrechen auseinandersetzten. Zu den bekannten Titeln gehören etwa Zodiac – Die Spur des Killers (2007) über den Zodiac-Killer, der Ende der 1960er in San Francisco mehrere Menschen ermordetet. Auch Memories of Murder (2003) über einige Morde, die sich in den 1980ern in Südkorea ereignet haben, genießt Klassikerstatus. Eher in Vergessenheit geraten ist dafür Summer of Sam aus dem Jahr 1999, obwohl mehrere bekannte Leute darin mitspielen und niemand Geringeres als Spike Lee geführt hat. Und auch der titelgebende Mörder ist berühmt-berüchtigt. Sechs Menschen tötete er in den 1970ern, weitere verletzte er. Kürzlich erhielt er bei Netflix mit Son of Sam: Selbstporträt eines Serienmörders eine eigene Doku.
Ein Geheimtipp für True-Crime-Fans ist das hier dennoch nicht. Denn anders als die beiden obigen Filme, die auch wirklich primär von ihren jeweiligen Ermittlungen erzählt, da ist Son of Sam hier nur eine Nebenerscheinung. Auch wenn Summer of Sam im Titel den Killer in den Vordergrund stellt, ist Lee nicht so wirklich an der Figur interessiert. Sie ist durchaus im Einsatz, mordet im Laufe des Films. Das Thema wird auch später noch einmal wichtig, wenn die Paranoia größer wird und mehrere Leute den Killer suchen, gleich auf welcher Seite des Verbrechens sie stehen. Man sollte in der Hinsicht aber nicht zu viel erwarten. Der Film ist nur bedingt ein Serienmörder-Thriller, die Jagd auf Mister unbekannt geschieht überwiegend abseits der Kamera. Man bekommt nur über Hörensagen davon mit.
Der Alltag in den Abgründen
Stattdessen geht es – auch das kündigt der Titel mehr oder weniger an – um eine Art Zeitporträt. Summer of Sam nimmt uns mit auf eine Reise in den Summer 1977 und gibt einen Einblick in das damalige Leben. Der Besuch in der Disco darf nicht fehlen, irgendwann ertönt Dancing Queen von ABBA. Themen wie der Stromausfall in New York City werden angesprochen, der die Menschen beschäftigte. Verbunden wird das mit einem Gesellschaftsporträt, wobei sich Lee und seine Co-Autoren auf die Bronx konzentrieren. Dort gibt es Sex, Drogen, Gewalt und jede Menge obszöne Sprache, aber auch einen Glauben an Gott. Zumindest dann, wenn es gerade opportun ist. Ein bisschen verlogen ist das natürlich schon. Andererseits ist das hier auch kein Film, dem daran gelegen wäre, vorbildliche Menschen zu zeigen.
Das ist alles andere als angenehm, etwa wenn zwischendurch Homophobie wieder und wieder in hasserfüllten Dialogen durchbricht oder frauenfeindliche Geschlechterrollen auf dem Themenplan stehen. Rassismus spielt sowieso eine Rolle, Spike Lee hat immer wieder davon gesprochen, ob nun in seinem Durchbruch Do the Right Thing (1989) oder dem preisgekrönten BlacKkKlansman (2018). Summer of Sam zeigt diese menschlichen Abgründe und präsentiert sie als Teil eines Alltags, geprägt von Vorurteilen und auch medial geschürten Ängsten, ohne die Figuren deshalb aber verteufeln zu wollen. Das ist durchaus sehenswert, besser, als einem die damaligen Kritiken weismachen wollten. Man braucht aber schon ein bisschen Geduld, die filmische Milieustudie lässt sich viel Zeit und setzt mehr auf Details als auf eine spannende Handlung.
OT: „Summer of Sam“
Land: USA
Jahr: 1999
Regie: Spike Lee
Drehbuch: Spike Lee, Victor Colicchio, Michael Imperioli
Musik: Terence Blanchard
Kamera: Ellen Kuras
Besetzung: John Leguizamo, Adrien Brody, Mira Sorvino, Michael Rispoli, Jennifer Esposito, Anthony LaPaglia
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