
Die Deportation der jüdischen Bevölkerung in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs ist ein offenes Geheimnis, über das niemand sprechen möchte und das seinerzeit auch nicht durch Bilder dokumentiert wurde. Die in Paris lebende US-amerikanische Journalistin Julia Jarmond (Kristin Scott Thomas) möchte dies ändern und einen ganz großen Artikel zu dem Thema schreiben. Bei ihren Nachforschungen stellt sie fest, dass die Wohnung ihrer Schwiegereltern, die ihr Mann Bertrand Tezac (Frédéric Pierrot) neu herrichten möchte, früher selbst eine jüdische Familie gelebt hat, bis diese deportiert wurde. Zu dieser Familie gehörte auch das Mädchen Sarah (Mélusine Mayance), das an dem Tag der Deportation eine folgenschwere Entscheidung trifft, die sie ihr Leben lang verfolgen wird …
Die verdrängte Vergangenheit
Hinterher will es niemand gewesen sein. Als die Grausamkeiten des Nationalsozialismus bekannt wurden, wiesen hierzulande viele jegliche Verantwortung von sich. Aber auch in anderen Ländern tat man sich schwer damit, sich der Schuldfrage zu stellen, etwa in Österreich oder eben auch in Frankreich, wo man zuweilen das Gefühl hatte, dass mehr Leute im Widerstand waren, als es Kollaborateure gab. Dabei muss man nicht einmal an den Verbrechen teilgenommen haben, um ein Teil von ihnen gewesen zu sein. Das führt der Film Sarahs Schlüssel vor Augen, welcher die Judendeportation 1942 in Paris zum Anlass nimmt, um einige ganz allgemeine Fragen zu dem Thema zu stellen, aber auch aufzuzeigen, wie die Ereignisse selbst Jahrzehnte später noch Folgen haben.
Zu dem Zweck springt die Adaption des gleichnamigen Romans von Tatiana de Rosnay (Die Jägerin) ständig zwischen zwei Zeitebenen hin und her. Die eine zeigt die Journalistin Julia, die sich mit einer Vergangenheit beschäftigt, die andere verdrängen. Bei der anderen steht die Titelfigur im Mittelpunkt, als Verkörperung eben jener Vergangenheit. Grundsätzlich ist das eine gute Idee, da die beiden Geschichten miteinander verbunden sind und im Kleinen aufzeigen, was im Großen geschehen ist. Zwar setzt Sarahs Schlüssel dabei auf einen Zufall, bei dem man sich darüber streiten kann, ob er jetzt glaubwürdig ist oder nicht. Aber da es ohnehin letztendlich darum geht, das Prinzip als solches zu veranschaulichen, fällt das nicht weiter ins Gewicht. Es geht weniger um das Einzelschicksal als vielmehr um die allgemeine damalige Situation.
Holprig erzählt, aber wichtig
Leider hat Regisseur und Co-Autor Gilles Paquet-Brenner (Dark Places – Gefährliche Erinnerung, Das krumme Haus) so seine Probleme damit, diese beiden Stränge miteinander zu verknüpfen. Der Film kommt durch die Sprünge nicht wirklich voran, zumal ihm auch die Ideen bei der Inszenierung fehlen. Sarahs Schlüssel besteht aus den üblichen Szenen, wie man sie in solchen Holocaust-Dramen immer findet. Den größten Eindruck hinterlässt sicherlich die schockierende Szene, wenn der titelgebende Schlüssel zum Einsatz kommt. Da können die späteren nicht mithalten, die Geschichte franst mehrfach aus, bis gar nicht mehr genau klar ist, worum es eigentlich in dem Drama gehen soll. Die Eheprobleme der Journalistin haben dem Ganzen beispielsweise nur wenig hinzuzufügen.
Aber auch wenn der Film zwischendurch so seine Probleme hat, zu denen auch manipulative Tendenzen zählen, ist er insgesamt schon ein gelungener Beitrag zu dem Thema. Sarahs Schlüssel stellt unangenehme Fragen zur Verantwortung des Einzelnen. Wie groß ist die Schuld derjenigen, die vom Leid anderer profitieren? Was kann eine einzelne Person überhaupt ausrichten gegen ein solches System? Diese Punkte sind an die konkrete Vergangenheit des Holocausts geknüpft und doch von einer universellen Natur, da sich Parallelen zu heute ohne Weiteres ziehen lassen. Insofern dient das Drama schon auch als Diskussionsgrundlage, bis heute noch, die in mehrfacher Hinsicht nachwirkt.
OT: „Elle s’appelait Sarah“
Land: Frankreich
Jahr: 2010
Regie: Gilles Paquet-Brenner
Drehbuch: Gilles Paquet-Brenner, Serge Joncour
Vorlage: Tatiana de Rosnay
Musik: Max Richter
Kamera: Pascal Ridao
Besetzung: Kristin Scott Thomas, Mélusine Mayance, Niels Arestrup, Frédéric Pierrot, Michel Duchaussoy, Dominique Frot, Natasha Mashkevich, Gisèle Casadesus, Aidan Quinn
Amazon (Roman „Sarahs Schlüssel“)
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