Human Resource
© SARROTE SAKWONG

Human Resource

Inhalt / Kritik

Als Mitarbeiterin der Personalabteilung einer großen thailändischen Firma hat Fren (Prapamonton Eiamchan) eine sehr undankbare Aufgabe. Da die Hierarchie des Konzerns gnadenlos ist und der Alltag von Mobbing geprägt ist, müssen sie und ihr Kollege immer wieder neue Bewerber interviewen, die ihrerseits immer höhere Ansprüche haben. Hinzu kommt, dass Fren schwanger ist und sich nicht sicher, ob sie dies ihrem Freund Thame (Paopetch Charoensook) oder ihren Vorgesetzten mitteilen soll. Während ihr Lebensgefährte nämlich dabei ist, für seine neue Erfindung einen reichen Investor zu begeistern, fürchtet sie in ihrer Firma die Folgen der Neuigkeit. Die vielen Nachrichten, in denen von einer düsteren politischen und wirtschaftlichen Zukunft Thailands die Rede ist, machen ihr zusätzlich zu schaffen. Sie weiß nicht, ob sie ihr Kind in eine solche Welt bringen möchte – als dann aber ein Unfall geschieht, sieht sie sich gezwungen, endlich eine Entscheidung zu treffen.

Ein Blick in die Zukunft

Auch wenn laut vieler Umfragen die thailändischen Jugendliche angeben, zuversichtlich in ihre Zukunft zu blicken, betonen sie dennoch, dass es viele Themen gibt, die ihnen Sorgen bereiten. Die zunehmende Ungleichheit, die steigenden Lebenshaltungskosten und die hohen Erwartungen auf dem Arbeitsmarkt trüben ihre Aussichten. In seinen Filmen nimmt Regisseur Nawapol Thamrongrattanarit viele dieser Themen auf, so beispielsweise in Heart Attack (2015) oder in BNK48: Girls Don’t Cry (2017). Die Beziehungen der Figuren in seinen Filmen versuchen der oftmals erdrückenden Realität zu trotzen, was jedoch nicht immer gelingt. In seinen neuen Film Human Resource, der aktuell auf dem Filmfest Hamburg zu sehen ist, blickt er auf die moderne Arbeitswelt und die politische Landschaft Thailands, in der traditionelle Rollen immer mehr zersetzt werden und in der Optimismus immer schwerer fällt.

In den Filmen von Nawapol Thamrongrattanarit steht das Individuelle im Kontrast zu einer durch Globalisierung, Digitalisierung und enormen Leistungsdruck geprägten Welt. Die Generation junger Menschen, zu denen Fren und Thame gehören, ist vollends im Arbeitsmarkt integriert und versucht tagtäglich die Anforderungen ihrer Umwelt in Einklang zu bringen mit ihrer Beziehung sowie den eigenen Wünschen. Die Work-Life-Balance, wie sie in den Seminaren propagiert wird, an denen die Hauptfigur teilnimmt, ist lediglich Augenwischerei, denn alles ist darauf ausgerichtet, dass man jederzeit flexibel und erreichbar ist. Belastungen werden mit Placebos wie Atemübungen oder Yoga übertüncht oder zumindest so lange beiseite geschoben, bis sie dann doch eines Tages an die Oberfläche brodeln und der Burnout unvermeidlich wird.

Die Welt, die Thamrongrattanarit zeigt, ist bedrückend, eng und klaustrophobisch – der Kunstrasen, auf dem die Angestellten der Firma ihr Mittagessen einnehmen wird erdrückt von den schier gigantischen Fassaden der umstehenden Bürogebäude. Selbst das Private wird durch Leistung und Arbeit definiert, sodass es keinerlei Entkommen mehr gibt und man den Konflikt Frens nachvollziehen kann. Wenn es ihr und ihrem Freund schon so schlecht geht, wie soll es dann der Generation nach ihr dann gehen?

Eine Welt vorm Nervenzusammenbruch

Während es in den vorherigen Arbeiten des Regisseurs noch ein paar Lichtblicke gab, regiert in Human Resource die Unsicherheit, die Depression und die Erschöpfung. Die Abwesenheit einer Kollegin aus ihrer Abteilung und die schier niemals endenden Hiobsbotschaften der Medien bestätigen Fren in ihren Zweifeln, ob es ihr und ihren Nachkommen wirklich besser gehen wird – so wie von Politik und Wirtschaft immer wieder deklarieren. Prapamonton Eiamchans Darstellung bleibt subtil und minimalistisch, sodass wir im Ungewissen bleiben und doch merken, wie sehr ihre Umwelt an ihr nagt. Eine banale Meinungsverschiedenheit mit einem Mopedfahrer über die Vorfahrt wird zu einer beängstigenden Szene, in der sich mit einem Male der angestaute Frust und die Enttäuschung entlädt. Die „Bubble“, die sich Fren und Thame geschaffen haben, wird empfindlich getroffen und auch das Private ist nicht mehr länger sicher oder gibt einem Halt. In Human Resource ist die Leistungsgesellschaft eine Welt vor dem Nervenzusammenbruch.

Nicht Hoffnung, sondern Ernüchterung prägt Thamrongrattanarits Inszenierung. Die Bildsprache bleibt ähnlich minimalistisch wie das Schauspiel – die Einstellungen meist statisch. Thamrongrattanarit zeigt das Panorama der modernen Arbeitswelt und scheint die Frage zu stellen, wie es so weit kommen konnte und was wir tun können, damit der Blick wieder auf den Menschen gerichtet ist. Als Thame und Fren eine Schule besuchen, erscheinen die bunten Bilder der Kinder wie ein willkommener Farbklecks in der eher spröden Welt, aus der die Hauptfiguren kommen. Wenn dann aber von einem Kind als Investition die Rede ist, bleibt fragwürdig, wie lange diese Farben noch leuchten werden.

Credits

OT: „Human Resource“
Land: Thailand
Jahr: 2025
Regie: Nawapol Thamrongrattanarit
Drehbuch: Nawapol Thamrongrattanarit
Musik: Mellow Tunes
Kamera: Natdanai Naksuwarn
Besetzung: Prapamonton Eiamchan, Paopetch Charoensook, Chanakan Rattana-udom, Pimmada Chaisaksoen

Bilder

Filmfeste

Venedig 2025
Filmfest Hamburg 2025

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Human Resource
fazit
„Human Resource“ ist ein ernüchterndes und oftmals erdrückendes Drama über die moderne Arbeitswelt. Nawapol Thamrongrattanarit gelingt ein nicht gerade schmeichelhafter Blick auf die Leistungsgesellschaft und Profitorientierung sowie der Frage, was wir der nächsten Generation hinterlassen und ob sie es besser haben werden als wir.
Leserwertung0 Bewertungen
0
8
von 10