Le Quai des Brumes Hafen im Nebel
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Hafen im Nebel

Le Quai des Brumes Hafen im Nebel
„Hafen im Nebel“ // Deutschland-Start: 7. Januar 1955 (Kino) // 2. August 2018 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

In die Hafenstadt Le Havre treibt es den desertierten Soldaten Jean (Jean Gabin). Dort hofft er, auf ein Schiff und damit in die Freiheit zu gelangen. Dafür aber benötigt er neben neuer Kleidung auch einen Reisepass. Eine zufällige Begegnung mit dem Wirt einer Hafenkneipe beendet sein bisheriges Pech, denn der Mann kann ihm nicht nur neue Kleider besorgen, auch bei den Reisedokumenten kann er helfen. In der Kneipe trifft er Nelly (Michèle Morgan), die vor Zabel (Michel Simon), ihrem kontrollierenden Patenonkel, flieht. Die junge Frau verliebt sich in den wortkargen und zynischen Jean, was dem Kleinganoven Lucien (Pierre Brasseur) überhaupt nicht gefällt. Da er Nelly für sich haben will, stellt er Jean zur Rede, doch der lässt sich dies nicht gefallen und demütigt den jungen Mann vor den Augen seiner Handlanger.

Binnen weniger Stunden gelingt es Jean eine Mitreisegelegenheit nach Venezuela zu erhalten. Doch der Abschied von Nelly fällt ihm überraschend schwer, denn durch sie hat er seit langem wieder so etwas wie Glück und Liebe empfunden.

Entmutigung des Vaterlandes

Hafen im Nebel ist der vierte Film des französischen Regisseurs Marcel Carné (Kinder des Olymp) und basiert auf einem Roman Pierre Mac Orlans. Durch den drohenden Krieg mit Deutschland hatte es Carnés Film nicht sonderlich leicht bei seiner Veröffentlichung, denn neben vielen kritischen Stimmen musste er sich den Vorwurf von Innenminister Georges Mandel gefallen lassen, er stelle eine „Entmutigung des Vaterlandes“ dar. Das Publikum jedoch war begeistert von Hafen im Nebel, der mittlerweile zu Carnés bekanntesten Werken zählt. Neben seinem Ruf als einer der Vorreiter des film noir und Vertreter des poetischen Realismus ist Hafen im Nebel ein zeitloses Porträt einer pessimistischen Jugend, aber auch der Möglichkeit eines Neuanfangs, sofern man an ihn glaubt.

Tatsächlich gibt es in Hafen im Nebel kaum einen Grund zum Optimismus oder zur Zuversicht. Carnés Le Havre ist ein Ort der Dunkelheit, an dem sogar der Idealismus der Liebe und der Kunst keinen Platz mehr zu haben scheint. Ein Maler, den Jean in der Hafenkneipe trifft, spricht davon, dass er das Schöne in der Welt nicht sehen kann und statt einem Schwimmer lieber einen Ertrunkenen malen würde. Der desertierte Soldat Jean scheint ebenfalls jeden Glauben an irgendwelche Ideale verloren zu haben und wirkt richtig erleichtert, als er endlich die Uniform ablegen kann später im Film. Zu dem LKW-Fahrer, der ihn nach Le Havre bringt, meint er, dass es weniger der reale Nebel sei, der ihn zum Nachdenken bringt, sondern vielmehr der Nebel „hier drinnen“.

Carné zeigt eine betäubte Welt, in der das Leben an der Oberfläche zwar noch stattfindet, die Menschen aber eher wie Aufziehpuppen anmuten, die ihren täglich Routinen nachgehen. Das Positive hat keinen Platz mehr, dafür dominieren Zynismus, Gewalt, Eifersucht und Niedertracht. Carnés Film scheint seinen Zuschauer zu fragen, wo es überhaupt noch Hoffnung gibt oder ob der Glaube an diese schon alleine nicht eine Lüge ist, mit der man sich selbst versucht zu beruhigen.

Der Nebel „hier drinnen“

Während in der ersten Hälfte die Dunkelheit und der Pessimismus dominieren, erscheint in der zweiten Hälfte die Chance auf einen Ausweg. Jean meint zunächst, dass Frauen und Männer nicht „dieselbe Sprache sprechen“ würden und es deswegen nie zu wahrer Liebe kommen kann. Die junge Nelly ist hin und hergerissen, denn auf der einen Seite gibt es noch diesen Glaube daran, doch auf der anderen Seite hat auch sie zu viel durchgemacht und erlebt, was den Zynismus ihres Gegenüber bestätigt.

Die Liebesgeschichte zwischen Jean Gabins und Michèle Morgans Figuren mag etwas plötzlich kommen und auch an manchen Stellen etwas arg dick aufgetragen sein, aber sie ist dramaturgisch ein Gegengewicht zur ersten Hälfte. Wie später in Kinder des Olymp wird Marcel Carné an einigen Stellen etwas sehr sentimental, was die Bilder von Kameramann Eugen Schüfftan geflissentlich unterstreichen. Von Anfang an wirkt die romantische Utopie brüchig  – zu sehr hallen die Drohungen von Nellys Patenonkel und dem Kleinganoven nach, dem Jean eine Ohrfeige zu viel verpasst hat. Auf jeden noch so kleinen Lichtstrahl folgt eben die Dunkelheit in dieser Welt, die Hafen im Nebel zeigt.

Credits

OT: „Le Quai des Brumes“
Land: Frankreich
Jahr: 1938
Regie: Marcel Carné
Drehbuch: Marcel Carné, Jacques Prévert
Vorlage: Pierre Mac Orlan
Musik: Maurice Jaubert
Kamera: Eugen Schüfftan
Besetzung: Jean Gabin, Michel Simon, Michèle Morgan, Pierre Brasseur, Édouard Delmont, Raymond Aimos

Bilder

Trailer

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Hafen im Nebel
fazit
„Hafen im Nebel“ ist ein Melodram über zerrissene Träume und den Wunsch nach einem Ausweg. Marcel Carnés Erzähl- und Inszenierungsstil changiert zwischen sentimental und düster, wobei leider der erste Teil etwas kitschig wirkt. Dennoch hat der Film viele starke Momente und fängt die Desillusionierung einer ganzen Generation – ihre Angst vor Krieg und Zukunft – eindringlich ein.
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