Tricia Cooke und Ethan Coen bei der Premiere von "Honey Don't" bei den Filmfestspielen von Cannes 2025 (Foto: Olivier Vigerie / Hans Lucas)

Ethan Coen / Tricia Cooke [Interview]

Honey Don’t! (Kinostart: 11. September 2025) mit Margaret Qualley und Aubrey Plaza ist der zweite Teil einer geplanten lesbischen B-Movie-Trilogie von Ethan Coen und seiner Frau Tricia Cooke. Die Handlung ist komplett unabhängig von ihrem ersten Film Drive-Away Dolls, in dem Margaret Qualley ebenfalls die Hauptrolle spielte. Honey Don’t! feierte Premiere in der Midnight-Sektion des Filmfestivals in Cannes. Dort haben wir Ethan und Tricia zum Interview getroffen, um über die Inspiration hinter dem Film und ihre gemeinsame Arbeit zu sprechen.

Fangen wir ganz einfach an: Es ist eine Comedy mit Frauen im Mittelpunkt. Warum diese Entscheidung?

Tricia: Wir haben einfach schon viele männlich geprägte Detektivgeschichten gesehen. Ich finde es spannender, wenn starke Frauenfiguren im Zentrum stehen. Also dachten wir, nehmen wir klassische Genre-Filme und machen sie queer.

Ethan: Du nennst es eine Komödie, was interessant ist. So hätte ich es nicht bezeichnet, aber stören tut’s mich auch nicht.

Ist es keine schwarze Komödie?

Ethan: Nur weil man lacht, ist es für mich noch lange keine Komödie. Ich lache auch bei vielen Dramen, ohne dass sie Komödien sind. Lachen ist erlaubt. Wir kennen jemanden, der enttäuscht war, weil das Publikum an bestimmten Stellen gelacht hat. Dabei ist das doch ein Zeichen, dass es funktioniert.

Tricia: Aber Chris Evans’ Figur bringt schon Comedy rein. Da ist auf jeden Fall Humor drin, der auch so gemeint ist.

Wie würdest du den Film beschreiben, Ethan?

Ethan: Für mich ist es einfach eine Detektivgeschichte. Aber Comedy ist auch okay. Uns ist jede Bezeichnung recht.

Ist Honey Don’t! eine Originalstory oder basiert sie auf einer konkreten Vorlage?

Tricia: Nein, wir haben alles selbst erfunden.

Woher nehmt ihr eure Inspiration?

Ethan: Nicht aus bestimmten Quellen, aber wir mögen beide diese Art von Filmen und Geschichten. Die klassischen Hardboiled-Detektivgeschichten, Filme mit Humphrey Bogart und so weiter. Daraus schöpfen wir. Es gab ein paar konkrete Einflüsse, etwa Robert Altmans Verfilmung von „The Long Goodbye“. Eine Szene bei uns in der Pianobar ist ziemlich direkt davon inspiriert.

Tricia: Auch wie sich die Kamera bewegt. Ich bin in einer Gegend ähnlich wie Bakersfield in Südkalifornien aufgewachsen, das hat beeinflusst, wo wir die Geschichte angesiedelt haben.

Die Hauptfigur Honey ist sehr speziell. Gab es für sie eine Vorlage?

Ethan: Nicht direkt. Es gibt Einflüsse, aber keine konkrete Figur. Ihre Stimme ist beispielsweise ein bisschen Lauren Bacall, das haben wir mit Margaret auch so besprochen. Es war einfach klar: das passt zur Figur.

Tricia: Und wir wollten, dass sie hyper-feminin ist. Ich hatte zu der Zeit mit Leuten zu tun, die sich als butch und femme identifizieren. In der queeren Szene haben wir damit gespielt: eine extrem feminine Detektivin und ihre sehr maskuline, butche Liebhaberin. Mit Aubrey hat sich das ein wenig verändert, aber so hatten wir es ursprünglich geschrieben.

Wie läuft euer gemeinsamer Schreibprozess ab?

Ethan: Der ist sehr locker. Wir sitzen zusammen, reden über die erste Szene – was könnte passieren, wer sagt was? Dann schreiben wir das runter und überlegen: wohin geht’s von da aus? So geht’s Szene für Szene weiter. Manchmal fragen wir uns auch ganz konkret: was wäre ein guter Schnitt in die nächste Szene?

Tricia: Oft überlegen wir: wie starten wir diese Szene? Was wäre ein gutes Bild am Anfang? „Lass uns einen Swimmingpool zeigen. Sonnenlicht auf dem Wasser.“ Okay, aber warum ist jemand im Pool? So bauen wir weiter.

Übernehmt ihr immer die gleichen Aufgaben oder habt ihr unterschiedliche Rollen?

Ethan: Alles ist geteilt. Die Credits sind eher Formsache. Wir schreiben, wir planen die Aufnahmen, drehen zusammen, proben mit den Schauspielern. Wir machen alles zu zweit.

Ist das ähnlich wie bei dir und Joel?

Ethan: Ja, sehr ähnlich.

Tricia: Das Einzige, was wir nicht teilen, ist die Frage, wie viele Sextoys in eine Szene gehören.

Wer entscheidet das?

Ethan: Tricia. Wir hatten deswegen einen heftigen Streit.

Die Szene ist großartig.

Ethan: Dann war es doch meine Idee, keine Credits für Trish!

Ich habe gelesen, dass euch der Titel Honey Don’t! besonders früh konkretisiert wurde, auch wegen der Wanda-Jackson-Version des Songs. Wie hat euch dieses Lied für den Titel und den Film generell inspiriert?

Ethan: Ich weiß nicht mehr genau, ob wir zuerst den Namen hatten und dann das Lied gehört haben oder ob wir wirklich zuerst den Song gehört haben und dadurch auf den Namen gekommen sind.

Tricia: Wir waren große Wanda-Jackson-Fans. Als wir den Song hörten, dachten wir: „Das ist ein super Filmtitel.“ Dann entstand Honey O’Donoghue. Ihre Optik ist wie bei den Rockabilly-Frauen – extrem feminin. Das war die Inspiration: diese Frauen, die auf Jerry Lee Lewis oder Wanda Jackson stehen.

Ethan: Honey Don’t! wurde ja von Carl Perkins geschrieben, also von einem Mann. Er spricht in dem Lied eine Frau an. Wenn eine Frau den Song singt und dabei auch eine Frau meint – das passt irgendwie. Für den Vorspann haben wir dann We Gotta Get Out of This Place von The Animals genommen. In unserer Version singt Brittany Howard. Auch da ist es interessant, wenn eine Frau zu einer Frau singt. Das fühlte sich einfach richtig an.

Queere Menschen haben es in den USA gerade nicht leicht. Gibt Kino dahingehend eine Möglichkeit mehr Freiheit darzustellen, als die Realität widerspiegelt?

Tricia: Ja, vielleicht ist es Eskapismus. Wenn man sich auf der Leinwand gesehen fühlt – das kann schon viel bedeuten. Ich liebe den Film Sullivan’s Travels, vor allem das Ende. Da merkt die Hauptfigur, dass Unterhaltung auch wichtig ist. Diese Filme sollen Freude oder Lust oder ein Lachen bringen. Das reicht manchmal schon.

Ethan: Ja, dem kann ich nichts hinzufügen. Stimme völlig zu.

Wie steht ihr zur Gewalt im Film – ist das ein Kommentar oder einfach ein Stilmittel?

Ethan: Gar kein Kommentar. Gewalt funktioniert im Film einfach gut. Wenn sie kreativ inszeniert ist und nichts mit realem Leid zu tun hat, kann sie unterhalten. Und das macht Filme spannend.

Es gibt aber ein paar politische Seitenhiebe, etwa auf die MAGA-Bewegung.

Ethan: Stimmt. Aber wie will man das ignorieren? Als wir das geschrieben haben, war Trump noch kein Thema.

Tricia: Damals war’s ein NRA-Sticker, den sie mit einem anderen überklebt. MAGA war mir fast zu einfach, zu offensichtlich. Aber jetzt ist es wieder aktuell, also passt es.

Ethan, viele deiner früheren Filme gelten als Meisterwerke. Setzt dich das bei neuen Projekten unter Druck?

Tricia (lacht): Das hier? Kein Meisterwerk. Also Ethan, wie machst du deine Nicht-Meisterwerke?

Ethan: Das spielt keine Rolle. Ob’s vorher geklappt hat oder nicht – es geht immer nur um die neue Geschichte. Man denkt nicht viel zurück. Wir sagen einfach: „Lass uns das jetzt machen, das macht Spaß.“

Also kein Druck wegen des Vermächtnisses oder im Hinblick auf die zukünftige Karriere?

Ethan: Überhaupt nicht. Da denke ich gar nicht dran.

Ihr habt bereits in Drive-Away Dolls mit Margaret gearbeitet. War sie immer für die Rolle der Honey geplant?

Ethan: Nein, das Drehbuch ist über zehn Jahre alt.

Tricia: Aber wir hatten Margaret als Honey im Kopf, bevor wir sie für Drive-Away Dolls genommen haben. Nach dem Vorsprechen dachten wir: „Sie wäre perfekt für Honey.“ Nach Dolls haben wir ihr gesagt: „Wir hätten da noch einen Film für dich.“

In beiden Filmen hat die Hauptfigur eine Beziehung zu einer Polizistin, die nicht funktioniert. Zufall?

Tricia: Totaler Zufall. Mir ist das gerade zum ersten Mal aufgefallen. Die Figuren sind ja auch komplett verschieden.

Ethan: Was sagt das über dich, Trish?

Tricia: Vielleicht was über Autoritäten… und dass man sie irgendwann loswerden muss.

Ethan: Jetzt müssen wir eigentlich einen Film über die beiden Cops machen, mit Beanie und Aubrey.

Kommt also ein dritter Teil?

Ethan: Das war die Idee. Aber dann muss man halt wirklich noch einen Film machen. Wir haben ein paar Ideen, aber er wird nicht direkt mit den anderen verbunden sein. Hoffentlich kommt er.

Wird Margaret wieder dabei sein?

Ethan: Vielleicht. Oder ein anderer Film mit ihr. Wir haben ja diesen Lebenszeitvertrag mit ihr abgeschlossen.

Tricia: Wenn wir noch einen machen, dann auf jeden Fall mit Margaret. Ein Film ohne sie? Für uns schwer vorstellbar. Wir mögen sie einfach sehr.

KI ist ein großes Thema in Cannes. Seht ihr sie als Bedrohung fürs Kino?

Ethan: Ich? Nein, überhaupt nicht.

Tricia: Ich finde es gruselig. KI-geschriebene Drehbücher tun dem Kino nicht gut. Das Publikum könnte sich an Formeln gewöhnen und nichts Neues mehr wollen. Hoffentlich schreiben noch genug gute Leute originelle Sachen.

Ethan: Vielleicht stumpft es die Leute ab – aber das ist dann eher ihr Problem, nicht das der KI.

Tricia: Wie bei Marvel. Wenn man sich nur noch daran gewöhnt, wird es schwer, etwas Originelles zu akzeptieren.

Ethan: Das war aber schon immer so. Miles Davis hat mal gesagt: „Die Leute mögen Mist.“ Und das war lange vor KI.

Tricia: Ich mag KI in der Wissenschaft, aber nicht für Kunst.

Tricia, was ist das Beste an der Arbeit mit Ethan? Und für dich Ethan, an der Arbeit mit Tricia?

Tricia: Ich verbringe einfach gern Zeit mit ihm. Ich lerne viel von ihm, er ist ein großartiger Filmemacher. Und so hab ich den ganzen Tag einen Grund, mit ihm Zeit zu verbringen.

Ethan: Geht mir genauso. Und wenn jemand, dem du vertraust, anderer Meinung ist, öffnet dir das die Augen. Das ist Gold wert.

Tricia: Unsere Streits finden meist im Schneideraum statt. Ich hab so ein Schild an Ethans Computer: „Du benimmst dich wie ein Kind.“ Wenn ich sauer bin, zeige ich einfach drauf.

Ethan: Weil wir nicht vor dem Assistenten streiten wollen.

Tricia: Genau. Der sitzt ja direkt daneben. Streits kommen vermehrt, wenn man in der Endphase des Projekts ist und dann nichts mehr ändern kann. Dann wird’s angespannt.

Was steht bei euch als Nächstes an?

Ethan: Keine Ahnung. Wir haben über einen dritten Queer-Film gesprochen, ein paar Sachen geschrieben. Ich hab auch mit meiner Tochter und mit Joel etwas geschrieben. Vielleicht wird’s eins davon.

Wenn du und Joel getrennt arbeitet und euch wieder zusammentut ist das auf eine neue Art inspirierend?

Ethan: Ach ich weiß nicht. Es war immer inspirierend, nur auf unterschiedliche Weisen.

Zum Schluss: Wie schwer ist es heute, Geld für eure Filme zu bekommen?

Ethan: Es wird für alle schwerer. Außer man dreht was fürs Studio oder mit bekannter Marke wie Marvel. In den 90ern war das anders, da gab’s Geld aus Videomarkt und anderen Quellen, das auch bei Außenseitern wie uns landete. Heute kommt fast nur noch Marvel, Fortsetzungen oder Horror ins Kino. Alle anderen kämpfen um denselben kleinen Topf.

Vielen Dank für eure Zeit und eure Offenheit.



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