
Tabatha (Tabatha Zimiga) hat ein Händchen für Pferde. Schließlich verdient sie ihr Geld damit, diese zu trainieren und zu verkaufen. Dennoch, das Geld ist knapp, sie schafft es kaum, sich und ihre Familie über Wasser zu halten – von den vielen Jugendlichen aus anderen Familien, die bei ihr Zuflucht gefunden haben, ganz zu schweigen. Hinzu kommen private Schwierigkeiten. So hat sie noch immer mit dem Verlust ihres Mannes zu kämpfen, der vor einiger Zeit gestorben ist. Das Verhältnis zu ihrer Tochter Porshia (Porshia Zimiga) war auch schon mal einfacher. Als eines Tages Roy (Scoot McNairy) bei ihr auftaucht und Interesse daran zeigt, die Farm zu kaufen, bedeutet dies für sie die Möglichkeit eines Neuanfangs. Nur will sie das überhaupt?
Zwischen Dokumentar- und Spielfilm
Theoretisch gibt es den Unterschied zwischen Dokumentarfilmen und Spielfilmen. Während die ersten die Welt so festhalten, wie sie ist, erzählen die anderen fiktionale Geschichten. Tatsächlich ist diese vermeintlich feste Grenze aber deutlich durchlässiger. Nicht nur, dass Spielfilme auch reale Geschichten erzählen können, Dokumentarfilme sind zudem immer auch nur ein bewusst gewählter, oft alles andere als objektiver Ausschnitt. Und dann gibt es noch Filme, bei denen man gar nicht so genau sagen kann, ob sie nun in die eine oder die andere Schublade passen. East of Wall – The New West ist ein solcher Fall, wenn ein Laienensemble auf Professionelle trifft und Ersteres Versionen von sich selbst spielt.
So sind Tabatha und Porshia Zimiga tatsächlich Mutter und Tochter, Tabatha trainiert wirklich Pferde auf einer Ranch tief in South Dakota, weil sie ein tiefes Verständnis für diese Tiere mitbringt. Auch die Sache mit den Jugendlichen, die dort untergekommen sind, ist der Realität entnommen. Die beiden großen Ausnahmen sind Jennifer Ehle in der Rolle der Mutter der Protagonistin und Scoot McNairy, der einen Geschäftsmann spielt, der die Ranch kaufen will. Warum man ausgerechnet an der Stelle meinte, etwas Eigenes zu erzählen, wird dabei nie ganz klar, da East of Wall – The New West nicht wirklich viel aus diesen Aspekten macht. Tatsächlich ist es so, dass das Drama weniger gut darin ist, eine Geschichte zu teilen. Es ist aber auch nicht so wirklich daran interessiert.
Vielmehr merkt man Regisseurin und Drehbuchautorin Kate Beecroft, die hiermit ihr Filmdebüt vorlegt, an, wie sehr sie von ihrer Protagonistin fasziniert ist. Die ganze Zeit über folgt sie ihr, zeigt sie in beruflichen wie privaten Szenen, ohne daraus unbedingt einen roten Faden zu spinnen. Und doch ist das verständlich, East of Wall – The New West, da Tabatha wirklich ein spannender Mensch ist. Sie sticht nicht nur durch ihr Erscheinungsbild hervor, mit ihren großflächigen Tätowierungen und dem nur zur Hälfte geschorenen Kopf, während aus der anderen lange blonde Haare wachsen. Ihr Talent für Pferde, ihr Mitgefühl für Menschen, während sie gleichzeitig nicht weiß, wie sie mit ihrer Tochter umgehen soll, macht sie zu jemandem, der gleichzeitig prägnant ist und Identifikationsfläche bietet.
Und dann wären noch die Bilder. Das Drama, das auf dem Sundance Film Festival 2025 Weltpremiere hatte und dort auch ausgezeichnet wurde, bietet wunderbare Aufnahmen aus einer ländlichen Gegend in South Dakota. Kameramann Austin Shelton hat da ganze Arbeit geleistet, um uns die Welt dieser mit dem Alltag kämpfenden Menschen näherzubringen. Wer solche aus dem Leben gegriffene Geschichten à la The Rider mag, sollte auf jeden Fall mal einen Blick hierauf werfen. Zwar erzeugt East of Wall – The New West durch den Verzicht auf eine Dramaturgie und den damit einhergehenden Fokus auf Momentaufnahmen keine wirkliche Spannung. Aber man taucht gern ein in diese Gemeinschaft, bei der die Menschen einander Halt geben, ohne dass daraus ein kitschiges Ideal würde. Die Zuschauer und Zuschauerinnen wissen hier genau, dass vieles nicht so toll ist bei diesem bescheidenen Überlebenskampf, verpackt in einen tollen Film, nach dem man noch mehr sehen möchte.
OT: „East of Wall“
Land: USA
Jahr: 2025
Regie: Kate Beecroft
Drehbuch: Kate Beecroft
Musik: Lukas Frank, Daniel Meyer O’Keeffe
Kamera: Austin Shelton
Besetzung: Tabatha Zimiga, Porshia Zimiga, Scoot McNairy, Jennifer Ehle
Sundance Film Festival 2025
Tribeca Film Festival 2025
Filmfest Hamburg 2025
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