
Die titelgebende Reise beginnt in der leeren Halle einer kafkaesken Autovermietung. Dort bekommt David (Colin Farrell) ein Ersatzauto von einer Mitarbeiterin (Phoebe Waller-Bridge) ausgehändigt oder besser gesagt aufgedrängt, womit er zu einer Hochzeit auf dem Land fährt. Unter den Gästen trifft David auf Sarah (Margot Robbie). Beide sind Single – er aus hoffnungslos-romantischen Gründen, sie aus selbstkritisch-zynischen Gründen. Es stellt sich heraus, dass Sarah bei derselben Autovermietung einen Wagen mit GPS geholt hat, das die beiden Fahrenden quer durch die kalifornische Landschaft zu magischen Türen navigiert. Wenn Sarah und David diese öffnen, treten sie in ihre Vergangenheit. Sie erleben gemeinsam lebenswichtige Stationen in der Biographie des jeweils anderen.
Romantisch und fantastisch
Die Prämisse des neuen Films von Kogonada (After Yang) ist genauso romantisch wie fantastisch. Zunächst einmal hat das Zusammentreffen von David und Sarah selbst schon magische Momente. Es regnet in Strömen, gleichzeitig scheint die Sonne, ein goldenes Licht durchströmt den Film. Die Regenschirme der Gäste sind alle im selben Farbschema weiß, blau, rot. David wiederum in einem marineblauen Anzug, Sarah in einem knallroten Einteiler. Die Farbregie ist so überdeutlich durchkomponiert wie in einem Musical. Sarah liebt übrigens Musicals. A Big Bold Beautiful Journey hat eine ähnlich verspielte und verfremdete Atmosphäre wie La La Land oder The Life of Chuck. Filmräume verwandeln sich in Bühnen oder Gemälde und wieder zurück.
Als die zwei einmal in Davids Highschool-Zeit zurückreisen, muss der erwachsene David nochmal die Hauptrolle in einem Musical spielen. Seine Eltern feuern ihn im Publikum an, sein Crush wiederum weist ihn backstage zurück, weil sie einen anderen Freund hat. David erlebt den Herzschmerz von damals noch einmal und Sarah sieht es. Sie wiederum führt ihren Travel Buddy David in ein Museum, wohin sie nachts immer mit ihrer Mutter gegangen ist, bevor diese verstorben ist. Sarah war aber nicht bei dem Tod im Krankenhaus anwesend, sondern stattdessen mit einem Mann, den sie auch noch betrogen hat.
Romanze und Roadmovie
Die durchgehend gelungene Mischung aus Romanze und Roadmovie wird so zu einer melancholischen Seelenwanderung. Manchmal geraten die Dialoge leicht ins Stocken (Drehbuch: Seth Reiss), was aber im Grunde daran liegt, dass Sarah und David sehr unsicher in dem sind, was sie wie sagen wollen. Beide haben tragische Enttäuschungen im Leben erlebt und auch selbst verursacht und versuchen nun auf der Reise, nicht dieselben Fehler zu wiederholen. Margot Robbie und Colin Farrell sind nicht unbedingt das perfekte Liebespaar, aber sie verkörpern zwei Menschen, die in ihrer Unvollkommenheit verloren sind und sich trotzdem oder deswegen nach einer zweiten Hälfte sehnen.
Besonders berührend sind die Szenen, die beide mit ihren Eltern haben. Einmal wartet David mit seinem Vater (Hamish Linklater) im Krankenhaus kurz vor seiner Geburt. Der Vater hat Tränen in den Augen. Der frischgeborene Sohn droht zu sterben. Dann fällt David ein Satz ein, den seine Eltern immer zu ihm gesagt haben, der in dieser Situation eine neue, tiefere Bedeutung bekommt: „Du bist einzigartig!“ Auch Sarah erlebt eine sehr bewegende Wiederbegegnung mit ihrer Mutter im alten Haus, das ihr Vater früh verlassen hat. Ein wenig irritiert, dass die erwachsenen Versionen von Sarah und David mal als Kinder, mal als Elternteil oder mal als Fremde von den Menschen wahrgenommen werden. In dieser Hinsicht ist die imaginierte Zeitreise nicht konsistent durchdacht. Trotzdem hat der Film das Herz am rechten Fleck.
Eine Reise in die Vergangenheit ohne Nostalgie
Kogonda zeigt nämlich eindrücklich, dass so ein Roadtrip alles andere als nostalgisch, sondern eher schmerzhaft sein kann. Sarah und David lernen sich in den schönsten sowie in den schwierigsten Momenten kennen und haben damit die Möglichkeit, ihre romantische Erstbegegnung zu überdenken. Getragen wird der Film von der traumhaften, federleichten Minimal Music von Joe Hisaishi, der ebenfalls viel für den Anime-Meister Hayao Miyazaki komponiert hat. A Big Bold Beautiful Journey hat einen vergleichbaren magischen Realismus. Die Landschaften – die Hügel, der Himmel, der Sonnenuntergang – sehen so schön und fast unecht aus. Und auch bei Miyazaki gibt es häufig Portale eine magische Parallelwelt. Ob dort das Trauma oder auch die Heilung zu finden sind, hält Kogonda wunderbar in der Schwebe.
OT: „A Big Bold Beautiful Journey“
Land: USA
Jahr: 2025
Regie: Kogonada
Drehbuch: Seth Reiss
Musik: Joe Hisaishi
Kamera: Benjamin Loeb
Besetzung: Colin Farrell, Margot Robbie, Phoebe Waller-Bridge, Hamish Linklater, Lily Rabe, Kevin Kline
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