
Die Schweizer Berge um das Jahr 1880: Elsie Huwyler (Luna Wedler) ist beim Fabrikanten Burgener (Luc Feit) als Dienstmagd angestellt. Wenn sie sich beim Putzen unbeobachtet fühlt, beginnt Elsie zu singen, was der strengen Gouvernante Furrer (Marie Jung) ein Dorn im Auge ist. Burgeners Tochter Amalie-Sophie (Eugénie Anselin), die ihren Vater während der Ferien besucht, erkennt indessen Elsies Talent und schlägt ihr vor, gemeinsam in Florenz Musik zu studieren. Ein Stipendium soll es möglich machen, doch der alte Fabrikant verlangt dafür einen hohen Preis. Nach der Abreise seiner Tochter ist ihm Elsie hilflos ausgeliefert. Als sie von ihm schwanger wird, zwingt er Elsie eine Ehe mit seinem Rossknecht Jakob Eicher (Valentin Postlmayr) auf und schiebt die Frischvermählten auf eine abgelegene Pacht ab. Während Jakob von einem eigenen Ross träumt, gibt Elsie ihren Traum von der Musik nicht auf. Als der hübsche jenische Wandermusiker Rico (Max Hubacher) im abgeschiedenen Bergdorf auftaucht, keimt in Elsie kurz die Hoffnung, sich mit Rico über die Berge nach Süden davonzumachen und von der Musik zu leben. Doch es kommt anders.
Elsies Örgeli
Der Filmtitel führt ein wenig in die Irre. Denn um den Traum des Knechts Jakob, ein eigenes Ross zu erstehen, um sein Geld als Fuhrmann zu verdienen, geht es im Drama der Schweizer Regisseurin Katalin Gödrös nur am Rande, so symbolträchtig das schwarze Pferd gegen Ende des Films auch ins Bild gerückt wird. Im Zentrum der Handlung steht ein anderer Wunsch: Die begabte Magd Elsie möchte nichts lieber als Musik machen. Während ihr Mann Jakob für seinen Rappen spart, legt Elsie jeden Rappen für ein Akkordeon, in der Schweiz schlicht „Örgeli“ genannt, beiseite. Elsies Örgeli wäre somit der treffendere Titel gewesen. Dass der Film anders heißt, ist der Tatsache geschuldet, dass es sich dabei um die Adaption des gleichnamigen Romans der Schweizer Autorin Silvia Tschui handelt.
Gödrös, die ihre Karriere als Produzentin begann, zur Regie wechselte und an deutschen Filmhochschulen doziert, kehrt für ihre eigenen Filme immer wieder in ihre Heimat zurück. Für diese Romanverfilmung ist sie jetzt auch in die Vergangenheit gereist. Die Handlung ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Schweizer Bergen angesiedelt. Motivisch erinnert Gödrös‘ Drama an zwei andere Historienfilme aus dem deutschsprachigen Alpenraum, auch wenn beide rund 100 Jahre früher spielen: Des Teufels Bad (2024), mit dem Jakobs Ross den ungeschönten Blick auf ein entbehrungsreiches Leben und eine unglückliche Ehe teilt, und Licht (2017), in dem ebenfalls eine talentierte, von den engen gesellschaftlichen Grenzen in ihrer Freiheit beschnittene Musikerin im Zentrum steht. An die Qualität dieser beiden Filme reicht Jakobs Ross zwar nicht heran, hinterlässt dank vieler intensiver Szenen aber einen bleibenden Eindruck.
Hartes Leben, liebliche Musik
Dass Elsies Hände zu Höherem bestimmt sind, als Böden zu schrubben, macht Katalin Gödrös früh klar. Die von Luna Wedler gewohnt präsent und einnehmend verkörperte Magd kann nicht nur wundervoll singen und zu jeder Melodie frei improvisieren, ihre Hände fliegen nach nur wenigen Filmminuten auch über besagte Handorgel. Auf die Idee, ihren angestammten Platz zu verlassen, kommt Elsie freilich nicht von selbst. Erst die Tochter ihres Dienstherrn, die ungeniert Zigarre raucht, wenn keine Männer anwesend sind, setzt Elsie diesen Floh ins Ohr. Später ist es dann ein hübscher fahrende Musiker, mit dem sich die junge Frau eine bessere Zukunft erträumt. Beide Ausbruchsversuche scheitern jedoch an den starren Gesellschaftsstrukturen. Elsie kann weder dem Willen der Männer entkommen, noch Klassenschranken überwinden. Was hart, aber auch realistisch ist – und mit der lieblichen Musik des Films kontrastiert. Auf ein Happy End sollte man also nicht hoffen.
Was Jakobs Ross zur Spitzenklasse fehlt, ist erzählerische Geschlossenheit. Im Verlauf der Handlung verliert der Film seine Protagonistin wiederholt aus den Augen, weil das Drehbuch von Urs Bühler zu viele Figuren einführt, zu elliptisch erzählt und den Fokus nicht richtig setzt. Dadurch geht die Spannung zwischen den von Gödrös sehenswert in Szene gesetzten Höhepunkten gleich mehrfach verloren.
OT: „Jakobs Ross“
Land: Schweiz, Luxemburg
Jahr: 2024
Regie: Katalin Gödrös
Drehbuch: Urs Bühler
Vorlage: Silvia Tschui
Musik: Balz Bachmann
Kamera: Sebastian Edschmid
Besetzung: Luna Wedler, Valentin Postlmayr, Max Hubacher, Luc Feit, Eugénie Anselin, Annina Butterworth
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