
Paris in den 1950ern: Noël Schoudler (Jean Gabin) herrscht über ein mächtiges Familienunternehmen, welches eine Bank, eine Zeitung und eine Zuckerfabrik enthält. Als es zwischen dem Patriarchen und seinem Sohn François (Jean Desailly) zu einem Streit kommt, überträgt er diesem die Aufsicht über die Fabrik. François sieht darin seine Chance, sich endlich zu beweisen, muss aber bald feststellen, dass die Situation deutlich schwieriger ist, denn sein verschlagener Vater spielt ein doppeltes Spiel. Und auch der skrupellose Vetter Lucien Maublanc (Pierre Brasseur), der seine eigenen Ziele verfolgt, wird dazu beitragen, dass sich der Traum von einem eigenen Unternehmen bald in einen Alptraum verwandelt …
Adaption eines preisgekrönten Romans
Richtig umfangreich ist das Gesamtwerk von Maurice Druon ja nicht. Obwohl er bereits mit 18 anfing zu schreiben, veröffentlichte der französische Autor während seiner mehrere Jahrzehnte dauernden Karriere nur eine Handvoll Bücher. Dafür umfassten diese oft mehrere Bände. Neben Die unseligen Könige, ein siebenteiliger historischer Romanzyklus, ist es vor allem Die großen Familien, die ihn bekannt machten. Dabei handelt es sich um eine Trilogie, die neben dem gleichnamigen ersten Band von 1948 noch Der Sturz der Leiber (1950) und Rendezvous in der Hölle (1951) beinhaltet. In Frankreich erlangte er damit viel Aufmerksamkeit, er erhielt den renommierten Literaturpreis Prix Goncourt. In Deutschland musste man hingegen mehr als zehn Jahre warten, bis die Trilogie bei uns erschien.
Zu dem Zeitpunkt war die gleichnamige Verfilmung des ersten Bandes durch Denys de La Patellière (Auch eine französische Ehe, Wiesenstraße Nr. 10) bereits im Kino gelaufen. Obwohl diese in Frankreich ebenfalls ein großer Erfolg war, mehr als vier Millionen Menschen sahen ihn seinerzeit, kam keine Fortsetzung heraus. Wer deshalb aber befürchtet, hier nur eine nichtkomplette Geschichte vorgesetzt zu bekommen, kann beruhigt sein. Die großen Familien steht völlig für sich. Die Geschichte ist es auch wert, erzählt zu werden. Obwohl diese mehrere Jahrzehnte alt ist, enthält sie viele Elemente, die heute so aktuell ist wie damals. Da geht es um Gier, um die Sehnsucht nach Anerkennung, aber auch Kontrollsucht. Macht und Reichtum wird hier zu einem Übel, das viel Unheil anrichten und einen in den Abgrund reißen kann.
Sehenswertes Drama
Natürlich sind die Umstände besonders. Wer von uns ist schon dazu auserkoren, ein Familienimperium zu übernehmen? Außerdem sind die Intrigen von Lucien, der hier die eindeutige Rolle des Gegenspielers einnimmt, vielleicht nicht ganz alltäglich. Doch so abgehoben das Umfeld ist, so sehr wird dabei doch auch Identifikationsfläche geboten, bei der sich ein einfaches Publikum wiederfinden kann. Gerade François wird in Die großen Familien zu einer tragischen Gestalt, die das Mitgefühl der Zuschauer und Zuschauerinnen auf sich zieht. Er wird zum Spielball seines dominanten Vaters und des skrupellosen Vetters und ist dabei keinem von beiden gewachsen. Das bedeutet nicht, dass man dessen Verhalten unbedingt nachvollziehen können muss. Der Schmerz des Mannes, der alles richtig machen will und dem doch nichts zu gelingen scheint, ist hingegen durchaus spürbar.
Das liegt auch an der guten Besetzung. Über dieser thront natürlich die Schauspielikone Jean Gabin, die als knallharter Unternehmer wieder ihre Klasse zeigen konnte. Aber auch die beiden anderen Männer schaffen es, eigene Ausrufezeichen zu setzen. Was bei dem Ganzen ein wenig kurz kommt, sind die Frauen. Die sind einfach nur irgendwie da. Außerdem hätte man sich bei der einen oder anderen Figur vielleicht nur mehr Ambivalenz gewünscht. Dennoch ist Die großen Familien ein sehenswertes Drama, weshalb es schade ist, dass der Film und das zugrundeliegende Buch so in Vergessenheit geraten sind. Wer die Chance hat, ihn bei einer der seltenen Fernsehausstrahlungen zu sehen, sollte deshalb einen Blick darauf werfen, wenn ein düsteres Gesellschaftsporträt auf eine Familientragödie kommen.
OT: „Les Grandes familles“
IT: „The Possessors“
Land: Frankreich
Jahr: 1958
Regie: Denys de La Patellière
Drehbuch: Denys de La Patellière, Michel Audiard
Vorlage: Maurice Druon
Musik: Maurice Thiriet
Kamera: Louis Page
Besetzung: Jean Gabin, Annie Ducaux, Jean Desailly, Françoise Christophe, Patrick Millow, Aimé Clariond, Jean Murat, Françoise Delbart, Louis Seigner, Jean Wall, Pierre Brasseur
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