Frisch (Kinostart: 3. Juli 2025) erzählt die Geschichte des 24-jährigen Kai (Louis Hofmann), der mit seiner Familie in einer heruntergekommenen Gegend lebt und nur mühsam über die Runden kommt. Die Situation verschärft sich, als sein älterer Bruder Mirko (Franz Pätzold) aus dem Gefängnis kommt, da er ihm 10.000 Euro schuldet, auf die er hätte aufpassen sollen, die er aber längst nicht mehr hat. Basierend auf dem Roman Fresh von Mark McNay macht Damian John Harper daraus einen packenden Thriller, der niemanden schont. Wir haben uns auf dem Filmfest München 2024 mit dem Regisseur getroffen und über sein Werk gesprochen.
Könntest du uns etwas zur Entstehungsgeschichte von Frisch erzählen? Wie kam es dazu, dass du diese Geschichte erzählen wolltest?
Jonas Weydemann und ich waren gerade in Mexiko und haben In the Middle of the River gedreht, als er mir den Roman Fresh von Mark McNay zum Lesen gegeben hat. Ich habe den innerhalb von einer Woche gelesen und richtig gemocht. Dieser Roman ist einfach besonders, nicht nur bei der Geschichte um die zwei Brüder, sondern auch bei der Schreibart des Autors. Das hat mich fasziniert, angespornt und herausgefordert, weil ich einen Weg finden musste, das als Film umzusetzen. Und ich suche immer Herausforderungen im Leben. Deswegen lerne ich fremde Sprachen, besuche andere Kulturen und mache auch Filme.
Was war denn die größte Herausforderung bei der Adaption?
Das Ganze nach Deutschland zu verlegen. Eigentlich spielt die Geschichte in Schottland. Wir hätten aber nie einen Dreh in Schottland finanziert bekommen und mussten deshalb nach Deutschland gehen. Also musste ich erst einmal einen geeigneten Ort in Deutschland finden. Ich kannte Berlin gut, Bayern und Baden-Württemberg. Ein bisschen noch Hamburg. Ansonsten hatte ich noch viele Lücken. Die Geschichte spielt an einem Ort, wo harte Männer unter Tage arbeiteten, bis die Industrie kaputtgegangen ist und sie sich etwas Neues suchen mussten. Im Roman ist das eine Hühnerfarm. Als ich mit anderen über den Stoff unterhalten habe, gab man mir den Tipp, es im Ruhrpott zu versehen. Also bin ich dorthin gefahren, bin in Eckkneipen gegangen und habe versucht, mich mit Locals anzufreunden. Der Ruhrpott war dann tatsächlich perfekt. Das hat auch von der Sprache gut gepasst, weil die dort Dialekt sprechen genau wie im Buch. Mir war klar, dass der Film nicht in Hochdeutsch sein kann.
Du hast vorhin gemeint, dass es schon eine Herausforderung war, die Schreibart in einen Film umzuwandeln. Hinzu kam dann ja noch, dass du von einer Sprache in die nächste übersetzen musstest. Wie lief das ab?
Ich habe das Drehbuch erst einmal auf Englisch geschrieben, um überhaupt eine filmische Struktur zu finden. Erst als ich die Struktur für einen 90-minütigen Kinofilm hatte, habe ich das übersetzen lassen, zuerst ins Hochdeutsche, danach in den Ruhrpott-Dialekt. Da waren viele Experten, die draufgeguckt haben. Wir wollten kleine Witze drin haben und Slangwörter, die man nur dort benutzt. Das kann ich selbst natürlich nur bedingt, weshalb ich mir Hilfe gesucht habe. Als dann Ralf Richter hinzukam, der diesen Monolog spricht, hat er auch noch mal viel geändert, weil er meinte, dass er das alles anders sagen würde. Das war natürlich toll, ich bin ein großer Fan von Gemeinschaftsarbeiten beim Film.
Und wie war es dann für dich, den Film auf Deutsch zu drehen? Es ist ja dein erster Film auf Deutsch.
Das stimmt. Aber ich lebe seit knapp 25 Jahren in diesem Land, habe hier studiert. Ich habe außerdem fürs Fernsehen ein bisschen gedreht, einen Film und zwei Serien. Deswegen war das bei Frisch kein Problem.
Gibt es neben dem Schauplatz- bzw. Sprachenwechsel noch andere relevante Änderungen?
Das Ende. Der Roman endet damit, dass der Bruder in einer Blutlache liegt und wie ein neugeborenes Kind zittert, das gerade einschläft. Das hätten wir zwar auch für den Film nehmen können, das wäre mir aber zu explizit geworden. Du würdest damit der Gewalt eine Rechtfertigung geben. Der Tyrann ist tot, die Tyrannei ist vorbei. Aber mir ist das zu einfach. Wenn beispielsweise Donald Trump plötzlich sterben sollte, wäre ja nicht automatisch MAGA vorbei. Ich will in meinem Film dem Teufel in die Augen schauen und spreche deshalb auch diese ganzen Themen an: Tierquälerei, Homophobie, Frauenfeindlichkeit. Das wird alles in Frisch angesprochen oder gezeigt. Ich scheue also nicht davor zurück, auch die hässlichen Sachen im Leben zu zeigen. Und Gewalt gehört dazu. Mir war es aber wichtig zu zeigen, dass diese Gewalt nirgends hinführt.
Kommen wir noch zur Besetzung. Warum Louis Hofmann und Franz Pätzold? Wonach hast du gesucht?
Ich brauchte zwei Menschen, bei denen sofort Chemie entsteht. Es gab zwei Konstellationen, die richtig gut waren. Aber nur Louis und Franz haben mir eine solche Gänsehaut beschert. Ich lasse mich auch gern beim Casting überraschen. Natürlich habe ich beim Schreiben schon ein Bild der Figuren vor Augen. Aber ich muss das alles loslassen, sobald das Casting beginnt. Franz hat beispielsweise ein ganz furchtbares Videocasting geschickt, bei dem er durch den Park läuft und sich selbst filmt, weshalb man nur seine Nasenlöcher gesehen hat, und hat über irgendwelche Philosophen gesprochen. Meine Casterin wollte ihn aber trotzdem einladen, weil sie meinte, dass er spielen kann und hier nur provozieren wollte. Als er da war, habe ich sofort gemerkt, wie gut er ist. Er hat vor allem aber eine innere Wut mitgebracht, die es gebraucht hat, um diese Geschichte zu erzählen.
Vielen Dank für das Interview!
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