Das Fest geht weiter Et la fête continue!
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Das Fest geht weiter!

Inhalt / Kritik

Es beginnt mit dem Einsturz eines Wohnhauses in einem Arbeiterviertel von Marseille – ein erschütterndes Ereignis, das acht Menschen das Leben kostet und den Rahmen für die Geschichte einer armenischstämmigen Familie bildet. Im Zentrum steht Rosa (Ariane Ascaride), eine resolute Krankenschwester und Lokalpolitikerin, die als Matriarchin die Geschicke ihrer Familie lenkt. Ihre Söhne Sarkis (Robinson Stévenin), der die Bar des Großvaters weiterführt, und Minas (Grégoire Leprince-Ringuet), ein junger Arzt, ringen beide mit ihren eigenen Herausforderungen. Mit Alice (Lola Naymark), der Verlobten von Sarkis, kommt eine neue Figur ins familiäre Gefüge, während Alices Vater Henri (Jean-Pierre Daroussin) – ein pensionierter Buchhändler – seine Tochter wieder näher kennenlernen möchte. Als Rosa und Henri sich begegnen, entwickelt sich eine zarte Romanze, die Rosa jedoch nicht davon abhält, weiterhin unermüdlich daran zu arbeiten, die zersplitterte Linke Marseilles vor der kommenden Kommunalwahl zu vereinen.

Liebeserklärung an Marseille

Regisseur Robert Guédiguian bleibt sich in Das Fest geht weiter! treu: Er erzählt eine zutiefst menschliche und zugleich politische Geschichte, die einmal mehr seine Liebe zu seiner Heimatstadt Marseille atmet. Mit großer Wärme und einem feinen Gespür für Zwischentöne verwebt er persönliche Konflikte mit sozialen Fragen, ohne dabei belehrend zu wirken. Neben dem großen Storybogen gönnt Guédiguian allen Figuren immer wieder kleine Vignetten, in denen sie die volle Aufmerksamkeit erhalten. Diese Schlaglichter aus dem Leben der Figuren ergeben schließlich ein überzeugendes Gesamtbild: eine Art Mosaik des städtischen Miteinanders, in dem das Persönliche immer auch politisch ist. Dabei wird der Realismus des Films – der auch nicht unbedingt die knallharte Wirklichkeit abbildet – von poetischen Momenten durchbrochen. Zwei Mal reißt die Realität auf, wenn Rosas Träume von ihrem verstorbenen Vater visualisiert werden und das Alltägliche mit dem Magischen verwoben wird.

Guédiguian schafft in dieser dichten Erzählweise aber auch Platz Platz für die stille Romanze zwischen Rosa und Henri. Ihre Begegnung ist zart, nie aufdringlich, und gerade deshalb von großer Wirkung. Rosa bleibt in ihrem politischen Eifer zwar weiter unermüdlich, doch Henri bringt in ihr auch etwas zum Schwingen, das über das rein Politische hinausgeht. Diese Liebesgeschichte, getragen von Ascarides und Daroussins einfühlsamem Spiel, gibt dem Film eine weitere Ebene, ohne dass dabei der Eindruck erweckt wird, dass diese Beziehung den gesellschaftlichen Kampf ersetzt – vielmehr ergänzt sie ihn, indem sie zeigt, wie wichtig es ist, auch im Privaten zueinander zu finden.

Vertrautes Ensemble

Die Figuren wirken allesamt auf ihre eigene Art sympathisch und zugänglich. Das liegt nicht zuletzt an Guédiguians vertrautem Ensemble, allen voran Ariane Ascaride, mit der der Regisseur seit 1975 verheiratet ist, Jean-Pierre Daroussin und Gérard Meylan als Rosas Bruder Tonio. Ihre Chemie sorgt, wie auch schon zuletzt in Das Haus am Meer oder Gloria Mundi – Rückkehr nach Marseille, dafür, dass Das Fest geht weiter! wie ein liebevoller Blick auf eine gewachsene Gemeinschaft wirkt. Die Stadt Marseille selbst ist dabei nicht nur Kulisse, sondern ein atmender, lebendiger Organismus, der alle Figuren miteinander verbindet. Kamera (Pierre Milon) und Schnitt (Bernard Sasia) fangen diese Atmosphäre mit sanfter Melancholie ein und zeigen eine Stadt, die zugleich widersprüchlich, solidarisch, verletzlich und immer hoffnungsvoll ist.

Dabei bleibt Guédiguian auch selbstkritisch. Er zeigt der linksliberalen Stadtgesellschaft, die wohl in den großstädtischen Programmkinos als Hauptpublikum dieses Films anzusehen ist, eher ein Idealbild als eine schonungslose Realität. Die linke Szene, für die Rosa unermüdlich kämpft, bekommt so etwas wie ein utopisches Selbstporträt präsentiert. Dieses sozialromantische Märchen funktioniert jedoch erstaunlich gut – der Film wirkt wie eine liebevolle Umarmung, nicht wie eine bittere Anklage. Am Ende verlässt man das Kino mit einer positiven Stimmung: Die großen und kleinen Probleme mögen nicht verschwinden, aber sie finden hoffnungsvolle Lösungsansätze. Guédiguian bietet damit eine Art utopischen Humanismus an – ein Kino, das zeigt, wie Solidarität und Gemeinschaft in einer zerrissenen Welt immer wieder neue Kraft schöpfen können.



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Das Fest geht weiter!
fazit
„Das Fest geht weiter!“ ist ein warmherziger, poetischer Film, der menschliche und politische Konflikte vereint und Marseille in einem utopischen Licht zeigt. Guédiguians feinfühlige Inszenierung wirkt wie eine liebevolle Umarmung, die das linksliberale Bürgertum zugleich herausfordert und bestärkt.
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