
Seitdem sie als Kind als Einzige einen Flugzeugabsturz überlebt hat, lebt Rebecca (Helena Zengel) im Amazonas-Urwald. Dort ist sie auch eine gewisse Berühmtheit, als Tochter des Missionars Lawrence Byrne (Jeremy Xido) wird sie immer wieder eingesetzt. Schließlich soll sie über Wunderheilerkräfte verfügen, was ihr viel Ansehen bei der indigenen Bevölkerung einbringt. Byrne weiß das auch zu nutzen, um die Menschen von seiner Sache zu überzeugen. Kompliziert wird es jedoch, als die illegale Rodung der Regenwälder das Land der Indigenen bedroht und Rebecca plötzlich zwischen den Fronten steht. Zudem wächst mit der Zeit in ihr der Wunsch, mehr über ihre Vergangenheit zu erfahren, als sie eine Frau kennenlernt, die ihre Mutter gekannt haben will …
Die Folgen einer Rettung
Seitdem sie mit Systemsprenger ihren großen Durchbruch geschafft hat, gilt Helena Zengel als eines der spannendsten Schauspieltalente Deutschlands. Dabei versucht die Jugendliche seit einiger Zeit, auch im Ausland Fuß zu fassen. Aktuell ist sie gleich in zwei fremdsprachigen Filmen in unseren Kinos zu sehen, die auf den ersten Blick einiges gemeinsam haben. So spielt sie in Die Legende von Ochi eine Jugendliche, die in einer abgelegenen Waldgegend mit ihrem Vater lebt und anfängt, sich langsam von diesem zu lösen. In der Hinsicht erzählt Transamazonia eine ganz ähnliche Geschichte. Denn auch hier geht es darum, dass die Protagonistin lernt, sich von dem Leben und den Regeln unabhängig zu machen, mit dem sie aufgewachsen ist.
Wobei es natürlich auch Unterschiede gibt. Beispielsweise handelt es sich bei dem Film um die titelgebende Ochis, eine an Affen erinnernde Fabelgestalt, um ein Fantasyabenteuer. Transamazonia ist hingegen von einer wahren Geschichte inspiriert. Genauer stand Juliane Koepcke Pate, die als 17-Jährige einen Flugzeugabsturz in den peruanischen Regenwald überlebte, bei dem ihre Mutter starb. Um ein reines Biopic handelt es sich aber nicht. Regisseurin und Co-Autorin Pia Marais interessiert sich nicht für den spektakulären Vorfall und die wundersame Rettung der Jugendlichen. Vielmehr wird dieser zum Anlass, um sich mit einer ganzen Reihe von Themen auseinanderzusetzen, die mit der eigentlichen Geschichte wenig bis gar nichts zu tun hat.
Viele Themen, toll bebildert
Ein offensichtliches Thema ist natürlich Ökologie bzw. der Raubbau der Natur. Ähnlich zu Savages folgen wir einer Jugendlichen, welche den südamerikanischen Urwald vor dem Kapitalismus beschützen will und die zwischen die Fronten gerät. Schließlich steht Rebecca eigentlich auf Seiten der „Zivilisation“. Diese Neuorientierung geht bei ihr aber mit einer Beschäftigung mit den eigenen Wurzeln einher. So häufen sich mit der Zeit die Hinweise, dass es da Sachen über die Vergangenheit gibt, von denen sie nichts weiß. Ein bisschen rätseln darf man dabei schon, Transamazonia arbeitet mit Mystery-Elementen. Der Film hat oft eine mystische bis rätselhafte Atmosphäre, wenn Rebecca und damit auch das Publikum auf eine Entdeckungsreise geht, bei der lange offen ist, wohin sie denn führen soll.
Manches bleibt aber auch nach dem Anspann noch offen. Tatsächlich hat das Drama, welches 2024 in Locarno Premiere hatte, Mühe, die verschiedenen Themen und Stränge wirklich zusammenzuführen. Da wird einiges nicht zu Ende erzählt. Anderes bleibt von Anfang an eher an der Oberfläche: Für einen Film, der sich für den Respekt der indigenen Bevölkerung stark macht, tut er erstaunlich wenig, um diese auch mal kennenzulernen. Sie ist einfach nur irgendwie da. Insgesamt ist Transamazonia dann auch ein wenig unbefriedigend, wird nie so tiefgründig, wie es vermutlich gedacht war. Sehenswert ist dieser Ausflug in das Herz der Natur aber durchaus. Neben einer gewohnt stark auftretenden Zengel sind es gerade auch die Bilder, die Kameramann Mathieu de Montgrand mitgebracht hat, die eine Sichtung rechtfertigen. Wir tauchen hier ein in eine fremde Welt, in der es einiges zu entdecken gibt, selbst wenn von dieser Reise am Ende nicht so viel zurückbleibt wie erhofft.
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