
Sommer 1903: Familie Smith, eine typische Familie des gehobenen Mittelstands, lebt glücklich in St. Louis im Bundesstaat Missouri. Vater Alonzo (Leon Ames), der gutmütige Patriarch, arbeitet als Anwalt, Mutter Anna (Mary Astor) schmeißt den Haushalt. Der älteste Sohn, Lon (Henry H. Daniels jr.), steht kurz davor, dass familiäre Heim zu verlassen, um aufs College zu gehen. Bleiben noch die vier Töchter, das eigentliche Herzstück der Familie: Während die ältesten Schwestern Rose (Lucille Bremer) und Esther (Judy Garland) die Hochs und Tiefs der ersten Liebe erleben, halten die jüngeren Töchter Agnes (Joan Carroll) und Tootie (Margaret O’Brien) die Familie mit ihren Flausen auf Trab. Kurz vor der in St. Louis stattfindenden Weltausstellung scheint das idyllische Leben plötzlich bedroht: Ausgerechnet an Halloween teilt Vater Alonzo der Familie mit, dass er beabsichtigt zum neuen Jahr eine lukrative Stelle in New York anzunehmen.
Die heile Welt von gestern
Meet Me in St. Louis (im Deutschen auch unter dem Namen Heimweh nach St. Louis bekannt, obwohl der Film nie einen deutschen Kinostart hatte) basiert auf den autobiografisch-inspirierten Kurzgeschichten von Sally Benson, die zu Beginn der 1940er Jahre im Magazin The New Yorker erschienen. MGM-Produzent Arthur Freed, der schon lange nach einem familientauglichen Stoff gesucht hatte, sicherte sich die Rechte für eine Musicalverfilmung. Sein Gespür zahlte sich aus: Die romantische Rückschau auf das Amerika der Jahrhundertwende mit seinem traditionellen bürgerlichen Lebens- und Familienmodell traf den Nerv einer vom Krieg belasteten US-Gesellschaft, die sich nach einer ‚einfacheren‘ Zeit zurücksehnte. Für Freed, der sich zu einem der einflussreichsten Musicalproduzenten Hollywoods entwickeln sollte, stellte Meet Me in St. Louis einen seiner größten kommerziellen Erfolge dar. Als Regisseur verpflichtete er Vincente Minnelli, der mit Meet Me in St. Louis seinen ersten Farbfilm realisierte. Für Minnelli bedeutete der Film einen enormen Karrieresprung und machte ihn bis in die 60er Jahre zu MGMs begehrtestem Regisseur für Musicals und leichte Stoffe.
Zwischen Umbruch und Idylle
Wer ein bisschen emotionalen ‚Zuckerguss‘ abkann, wird von Meet Me in St. Louis auch heute noch bestens unterhalten. Durchaus überraschend besitzt der Film keine stringente Haupthandlung, sondern bedient sich einer lose zusammenhängenden Struktur aus einzelnen Kleinepisoden. Dass der Hauptkonflikt erst nach über der Hälfte der Laufzeit einsetzt, ist auch nach heutigen Sehgewohnheiten ungewöhnlich. Dieser Aufbau verleiht dem Film eine Atmosphäre des Alltäglichen und Zufälligen und unterstreicht so den Effekt, es mit einer typischen amerikanischen Familie zu tun zu haben. Die Ereignisse des Films entspinnen sich über die Laufzeit eines Jahres, wobei der Wechsel der Jahreszeiten durch Texttafeln markiert ist, die an alte Fotoalben erinnern. Dieser nostalgische Grundcharakter bestimmt auch die Farbdramaturgie. Regisseur Minnelli und sein Kameramann George Folsey drehten Meet Me in St. Louis in ausdrucksstarkem Technicolor. Durch eine romantisch-warme Ausleuchtung, verliehen sie dem Film eine sentimentale Note. Die Figuren rund um Star Judy Garland als Esther sind durchweg sympathisch angelegt und ihre kleinen und großen familiären Konflikte sind mit Charme und Humor inszeniert. Themen wie Abschied, Erwachsenwerden und dem Verschwinden des Alten widmet sich der Film mit sanfter Elegie, ohne die heitere Grundstimmung aufzugeben.
Bei der Inszenierung der Musicalnummern ging Meet Me in St. Louis für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Wege. Die Musiknummern stehen dramaturgisch nicht im Vordergrund. Die wenigen aufwendigeren Gesangs- und Tanzchoreografien sind an Songs und Tänze der Zeit angelehnt und bewahren so ein gewisse Natürlichkeit. Einige der neuen für den Film komponierten Stücke sind hingegen ruhige und intime Arrangements, die vor allem Judy Garlands musikalisches Talent voll zur Geltung bringen. Exemplarisch dafür steht die gefühlvolle Szene, in der Esther für ihre jüngste Schwester das tröstliche Have Yourself a Merry Little Christmas am Vorabend ihres geplanten Wegzugs anstimmt.
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