
In dieser brasilianisch-deutschen Koproduktion begleiten die Filmemacher Patrik Thomas und Mathias Reitz Zausinger verschiedenste aktivistische Gruppen in Brasilien über drei Jahre hinweg. Dabei erkunden und beobachten sie Gebiete im Regenwald, die von Indigenen bewohnt werden, Stadtperipherien in Metropolen wie São Paulo und das politisch-kulturelle Herz der Hauptstadt Brasília. All die Kollektive, die in dieser Dokumentation porträtiert werden, haben eins gemeinsam: Sie glauben an eine bessere Zukunft und wollen zu dieser durch künstlerische Agitprop beitragen.
Aktivismus durch Filmkunst
Die Arten des Protests innerhalb Brasiliens sind so vielfältig wie das Land selbst: Marginalisierte Gruppen wählen Kunst und Kultur als Mittel ihres Ausdrucks, darunter Film, Musik, Poesie, Radio oder Performance Art. Sie beklagen nicht nur Zustände wie die grassierende (Polizei-)Gewalt, den Rassismus gegenüber Indigenen und Schwarzen Bevölkerungsgruppen, die seit 2022 abgewählte neofaschistische Regierung des Jair Bolsonaro und die Feindlichkeit gegenüber Menschen aus dem LGBTQ+-Spektrum, sondern werden selbst aktiv, verbinden ihre Kunst mit politischem Protest: Hausbesetzungen und Demonstrationen gehören genauso dazu wie die Kreativität hinter ihren Auftritten und Videos.
Als besonders dynamische Zeugnisse des Aktivismus sind die musikalischen Performances, vorrangig Rap, zu nennen, die mit tiefgründigen Lyrics und nach vorne gehenden Beats, mit aufrührender Kameraführung und interessanten Persönlichkeiten, ernsthaftes Agitationspotenzial besitzen. Darin werden etliche Probleme der brasilianischen Gesellschaft verpackt, aber auch selbstermächtigend vorgetragen. Ebenso ist die Darstellung indigenen Lebens im Amazonas sehr fortschrittlich, modern, und schlicht cool – gleichzeitig wird man sich dessen bewusst, wie bedroht die Lebensgrundlagen dieser Menschen sind.
Mit Musik und Performance gegen Umweltzerstörung und Rassismus
So divers und mitreißend die Porträtierung der verschiedenen aktivistischen Gruppen auch sein kann, so uninspiriert wirkt teilweise die Gestaltung, Umsetzung und Komposition von Boalândia. Die Ästhetik tut eher wenig fürs Auge, trotz der sich durchaus dafür anbietenden Szenerie und der Buntheit der Charaktere. Es zeichnet sich kein wirklich durchgehender roter Faden durch die Dokumentation. Immer wenn sich etwas wie Dynamik aufbaut, beispielsweise durch die Rap-Performances, wird diese wieder unterbrochen. Klar, Boalândia soll keine Beschönigung von Zuständen sein, die Ernsthaftigkeit der realen Probleme realer Menschen wird durch den Film deutlich, doch das ist für die Aufmüpfigkeit der dargestellten aktivistischen Gruppen, das Selbstverständnis von Boalândia als mögliche Utopie eines besseren Brasiliens, leider zu wenig.
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