Humanoide Roboter sind im Sci-Fi-Genre wahrlich keine Neuheit mehr. Aber selten war einer so witzig: Murderbot ist sozial unbeholfen, häufig frustriert und gelegentlich sogar angewidert von den Eigenarten seiner menschlichen Schutzbefohlenen — und ganz bestimmt selbst keine Person, nein danke. Seit es sein Kontrollmodul gehackt hat und nicht mehr jedem menschlichen Befehl gehorchen muss, möchte es eigentlich nur in Ruhe seine Lieblingsseifenoper The Rise and Fall of Sanctuary Moon schauen. Und doch hilft es der Truppe aus Wissenschaftler:innen, die es als Sicherheitseinheit bei einer Forschungsmission auf einem anderen Planeten begleitet, erstaunlich oft aus der Patsche. Mehr zu der Apple TV+ Serie könnt ihr hier in unserer Kritik nachlesen. Zum Release von Murderbot konnten wir zu unserer großen Freude mit dem Hauptdarsteller (und Produzenten) Alexander Skarsgård sprechen. Im Interview erzählte der Schwede uns von seiner Begeisterung für die Figur, wochenlangen Voice-Over-Arbeiten und wie er es lieben lernte, Biathlon zu schauen.
Anmerkung: Die Figur von Murderbot ist geschlechtslos und wird im Englischen mit dem sächlichen Personalpronomen „it“ bezeichnet. Daher verwenden wir in der deutschen Übersetzung ebenfalls das sächliche Personalpronomen „es.“
Wenn Murderbot nicht durch eine äußere Bedrohung oder einen Befehl in Aktion versetzt wird, steht es oft einfach nur herum. Ich werde schon unruhig, wenn ich im Supermarkt in der Schlange stehen muss, daher stelle ich mir das herausfordernd vor …
Nun, das liegt daran, dass Murderbot zutiefst gefesselt und unterhalten wird von dem, was es sich [auf seinem inneren Bildschirm] anschaut: The Rise and Fall of Sanctuary Moon oder eine Reihe anderer Sendungen, auf die es zugreifen kann. Es mag also körperlich sehr ruhig sein, aber ist zutiefst damit beschäftigt, diese fantastischen Seifenopern zu sehen.
Aber du musstest ja auch ohne diese ganze Unterhaltung stillstehen ….
Ja, das ist wahr. Ich hatte das Gefühl, dass Murderbot als Security Unit nur zu einem einzigen Zweck gebaut wurde, nämlich um die Sicherheit der Menschen auf verschiedenen Planeten zu gewährleisten. Also sollte jede Art von verbaler Kommunikation direkt auf den Punkt kommen. Dasselbe gilt für die körperlichen Bewegungen: Ich wollte nichts Überflüssiges oder Unnötiges. Es ist nicht so wie bei Menschen, die mit ihren Händen sprechen oder ausdrucksstark sind. Es ist eher so: Ich bewege mich, wenn ich mich bewegen muss, aber nur dann. Es war also wichtig, diese Art von Starrheit zu haben, um viele, viele Stunden lang völlig still stehen zu können. Murderbot sagt das sogar, als Mensah [die Anführerin der Forschungscrew] es irgendwann bittet, sich zu setzen – allein der Gedanke, sich zu setzen, ist schon seltsam. Menschen bitten die Security Units nie, sich zu setzen, also ist es das nicht gewohnt. Normalerweise wird es einfach stehen gelassen.

Und das war eine Herausforderung für dich am Set oder sieht es nur so aus, als ob du sehr lange herumstehst?
Ich bin nicht so sehr Method Actor. Zwischen den Takes habe ich mich auf jeden Fall bewegt, das war also keine Herausforderung. Dazu war der Anzug wie ein dickes Ganzkörper-Kondom. Es war also nicht besonders bequem, sich darin zu bewegen, vor allem in den körperlichen Szenen, weil man sich darin ein bisschen gefangen fühlt. Aber ich schätze, es hat etwas geholfen bei der starren Körperhaltung der Figur, dass ich in diesem Raumanzug steckte.
Du hast für Murderbot eine Menge Voiceover gemacht. Es scheint fast so, als hättest du mehr mit der Stimme gearbeitet als vor der Kamera gestanden. Wie war das im Vergleich?
Ja, wir haben drei Wochen lang nur am Voiceover gearbeitet, also Chris und Paul Weitz – die Showrunner, Drehbuchautoren und Regisseure – und ich. Es war wirklich interessant und wir hätten wahrscheinlich noch drei Monate weitermachen können, aber an einem bestimmten Punkt mussten wir einfach aufhören und uns sagen: „In Ordnung.“ Denn wenn man in einer Szene nur ein Wort weglässt oder hinzufügt und kommentiert, verändert sich die Dynamik. Ich denke, das Endergebnis ist wahrscheinlich ganz anders als das Voiceover im ersten Entwurf des Drehbuchs. Es hat sich irgendwie entwickelt, weil die Drehbücher vielleicht ein Jahr vorher geschrieben wurden, und dann drehten wir es, die Dinge änderten sich, etwas passierte an dem Tag, und als wir dann reingingen, um das Voiceover aufzunehmen, gab es das Gefühl: „Sabrina macht hier diese wirklich seltsame, lustige Sache. Und ich sollte das kommentieren, sonst spiegelt das Voiceover nicht wider, was in der Szene passiert ist.“ Oder man hat eine Szene, für die gar kein Voiceover geschrieben wurde, die wie ein Nicht-Moment ist, aber wenn man dann nur einen kleinen Kommentar von Murderbot hinzufügt, wird sie plötzlich lebendig und lustig. Wir haben viel Zeit damit verbracht, das zu gestalten, und ich habe diese Wochen wirklich genossen.
Und es ist ja auch ein zentraler Punkt für die ganze Art und Weise, wie die Serie rüberkommt.
Das ist es! Es war also sehr wichtig, es richtig zu machen und so, dass wir uns damit wohlfühlen.
Murderbot sieht sich selbst nicht als Person, aber durch seine Kommentare und Gefühle können wir Menschen uns durchaus mit ihm identifizieren. Was würdest du sagen, ist seine menschlichste Eigenschaft oder die, die du am besten nachvollziehen kannst?
Nun, ich denke, man kann sich gut identifizieren mit jemandem, der sich unterhält und dabei eine bestimmte Version von sich selbst präsentiert — einen Teil der Persönlichkeit, den man der Welt und den Leuten, mit denen man spricht, zeigen möchte. Aber in der Zwischenzeit läuft im Kopf ein ganz anderer innerer Monolog ab. Man hat all diese anderen Gedanken und das zeigt die Komplexität des Menschen. Und das ist ein Aspekt von Murderbot, den ich sehr nachvollziehbar finde, weil es sich in vielen solchen Situationen wiederfindet. Und wir wollten, dass es ganz anders ist: Der innere Monolog sollte sich anfühlen wie eine Aneinanderreihung von zufälligen Gedanken. Er kann hin und her springen und ist viel ausdrucksstärker als die Art und Weise, wie Murderbot mit den Menschen um sich herum spricht.
Martha Wells — die Autorin der Bücher, auf denen die Serie basiert — sagte einmal: „Ich habe nicht bemerkt, wie wenig neurotypisch ich war, bis ich Murderbot geschrieben habe.“ Hast du die Bücher gelesen? Und hat dir die ganze Murderbot-Erfahrung auch neue Einsichten über dich selbst gebracht?
Ja, das habe ich. Und ich glaube, ich bin sicherlich extrovertierter als Murderbot. Aber ich kann mich trotzdem definitiv damit identifizieren: Wenn man in einen Raum voller Fremder kommt und sich unwohl fühlt und versucht, herauszufinden, wie man in die Gruppe passt. Soll ich etwas sagen? Sollte ich nichts sagen? Wie kann ich das, was ich sage, so gestalten, dass ich irgendwie dazu passe? In den Szenen am Anfang der Serie, wenn Murderbot ohne Helm und Anzug entblößt ist und sich emotional nackt fühlt, kann ich das Unwohlsein in einer solchen Situation definitiv nachempfinden. Für mich ging es darum, mich in dieses Gefühl des Unbehagens hineinzuversetzen — mit dem Anreiz, da einfach nur rauszukommen.
Wenn wir gerade über die Unbehaglichkeit sprechen, die Murderbot empfindet … Es vermeidet ja Blickkontakt und ist generell sozial unbeholfen, so wie jemand aus dem autistischen Spektrum. Es ist auch agender und – soweit ich das sagen kann – asexuell. Und wie eine Person, die eine Transition durchlaufen hat, benutzt es seinen ursprünglichen Namen nicht mehr. Und wir lieben es dafür, dass es auf diese Weise anders und eigenartig ist. Warum, glaubst du, fällt es Menschen bei Fiktionalem so leicht derartige Unterschiede zu akzeptieren, aber nicht im wirklichen Leben?
Wenn ich darauf nur eine Antwort hätte. Es macht mich traurig, dass das so ist. Dass es manchmal einfacher ist, sich mit einer Figur aus einer fernen Galaxie zu identifizieren als mit unseren Nachbarn. Das ist natürlich tragisch. Ich war so aufgeregt, so eine Figur als Hauptcharakter einer Science-Fiction-Serie kennenzulernen. Es war das genaue Gegenteil des klischeehaften Actionhelden. Wie du schon sagtest, gibt es Aspekte der Figur, mit denen sich Menschen identifizieren können, die neurodivergent sind oder die Tatsache, dass es weder ein Mann noch eine Frau ist, sich als nichts davon identifiziert. Es fühlte sich einfach einmalig an, diese Eigenschaften bei einer Figur in einer Science-Fiction-Serie zu haben. Als ich anfing, die Romane zu lesen, habe ich mich sofort in Murderbot verliebt. Es war so überraschend für mich, und das hat mich begeistert. Ich hoffe, dass die Leute, wenn sie die Serie sehen, zumindest 10 % so begeistert sind wie ich es war, als ich die Novelle und die Drehbücher gelesen habe. Ich hatte das Gefühl, dass es sich um einen so interessanten Charakter handelt, und einen, mit dem man sich gut identifizieren kann.
Wenn du eine der Figuren aus Murderbot im echten Leben treffen könntest, welche wäre das und warum?
Mensah – ich möchte einfach nur mit ihr befreundet sein. Sie ist so ein unglaublicher Charakter und eine sehr, sehr treue Freundin.
Aber ich mag auch Gurathin und seinen Weg und das, was er durchgemacht hat — obwohl Murderbot eine Menge Probleme mit ihm hat und es eine sehr verbitterte Beziehung ist, zumindest am Anfang. Er ist ein Mensch mit technologischen Modifikationen, der Murderbot möglicherweise entlarven könnte — etwa, dass es sein Kontrollmodul gehackt hat. Murderbot sieht in ihm also die einzige potenzielle Bedrohung. Aber mir gefällt, dass Gurathin kein Bösewicht ist. Man kann ihn verstehen: Er ist in der Vergangenheit von der Corporation über den Tisch gezogen worden. Deshalb hat er kein Vertrauen in einen Androiden, der diesem Unternehmen gehört. Deshalb ist er sehr, sehr skeptisch, Murderbot in die Gruppe zu lassen.
Und dann natürlich alle Figuren aus The Rise and Fall of Sanctuary Moon, denn ich liebe die Serie fast so sehr wie Gurathin.

Hast du so eine Serie oder eine andere Aktivität, die dich so sehr fesselt, dass du dich ärgerst, wenn du von der Realität unterbrochen wirst — so wie Murderbot, wenn es seine Lieblingsserie sieht?
Ich wünschte, ich hätte etwas, von dem ich so besessen wäre wie Murderbot von Sanctuary Moon. Aber das habe ich nicht wirklich, nein. Im letzten Winter habe ich viel Biathlon im Fernsehen gesehen, das mit dem Ski fahren und schießen. So vor 25, 35 Jahren war meine Großmutter vom Biathlon besessen und in diesen deutschen Biathleten namens Sven Fischer verliebt. Also fing ich an, mit ihr Biathlon zu schauen. Ich habe den Sport nie ausprobiert, aber ich habe es wirklich gern gesehen, es ist ein guter Fernsehsport. Also Hut ab vor Sven Fischer, dass er mich dafür begeistern konnte.
Unsere Zeit ist nun leider zu Ende.
Ich bin froh, dass wir noch über Sven Fischer sprechen konnten. [lacht]
Ja, ich auch. [ebenfalls lachend] Vielen Dank für das Gespräch!
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