
Als Vertreter ihrer beiden Klans stehen sich gegen Ende der Edo-Zeit die beiden Samurais Shinzaemon Kosaka (Yamaguchi Makiya) und Kyochiro Kazami (Fuke Norimasa) gegenüber. Bevor es aber zu einer Entscheidung zwischen ihnen kommt, erschüttert ein lauter Donnerschlag das Land um sie herum und alles wird dunkel. Nach einer Weile wacht Shinzaemon wieder auf und findet sich in der Nähe eines Dorfes wieder. Gerade will er gegen eine Gruppe Samurai vorgehen, als auf einmal alles stillsteht, weil ein seltsam gekleideter Mann im Hintergrund laut „Cut!“ geschrien hat. Der Samurai ist nämlich in der Moderne gelandet und zu allem Überfluss auf einem Movieset, auf dem schon seit vielen Jahrzehnte jidaigeki, japanische Historien- und Samuraifilme gedreht werden. Der verwirrte Shinzaemon flieht zu einem Tempel, wo ihn ein älteres Ehepaar aufnimmt und ihm sogar ein Zimmer für die Nacht anbietet. Seine offensichtlichen Talente im Schwertkampf bleiben jedoch nicht unbeachtet, denn der Stuntkoordinator des Sets hat lange niemanden mehr mit so viel Talent wie Shinzaemon gesehen. Mit der Zeit wird er zu einem gefragten Stuntman und erhält sogar eine Hauptrolle, doch dann konfrontiert ihn eine unerwartete Begegnung mit seiner Vergangenheit.
Ein kleiner Rädchen im Getriebe
Auch wenn die Blütezeit der jidaigeki lange vorbei ist, träumt doch jeder Regisseur und Darsteller in Japan davon, einmal einen solchen Film zu drehen. Für Junichi Yasuda ging dieser Traum nicht nur in Erfüllung, sondern entpuppte sich auch zu einem beachtlichen Hit national wie auch international, was Vergleiche zu Produktionen wie Shinichiro Uedas One Cut of the Dead zulässt. A Samurai in Time, der auf der diesjährigen Nippon Connection gezeigt wird, ist aber nicht nur eine Verneigung vor dieser besonderen Zeit des japanischen Kinos. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der eigentlich nur ein Rädchen im Getriebe ist und erst sehr viel später merkt, welche Bedeutung ein Handeln eigentlich für die Leben Anderer hat.
Viele der jidaigeki sind wegen ihrer Zeitlosigkeit bekannt und werden nach wie vor weltweit gefeiert. Die großen Meister des Genres wie Akira Kurosawa, Kenji Mizoguchi oder Masaki Kobayashi wussten, dass es niemals nur um die Darstellung einer bestimmten Zeit geht. Werke wie Rashomon, Sansho Dayu – Ein Leben ohne Freiheit oder Harakiri können ihrem Zuschauer sehr viel über unsere Zeit, über Machtmissbrauch, Hierarchien oder den Wert der Wahrheit erzählen. Yasuda gelingt dieses Kunststück durch die Zeitreise seines Protagonisten, der sich auf einmal auf einem Filmset wiederfindet, ohne dies zunächst als eine Fiktion zu erkennen. Sein Handeln, seine Aussagen und sein Kodex werden als Teil dieser Fiktion angesehen, als besonderes Engagement und schließlich sogar als Ärgernis, als er eine Szene zunichte macht und damit den Zeitplan der Crew empfindlich stört. Shinzaemon ist nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes aus der Zeit gefallen, die Werte seines Lebens sind auch sinnlos geworden in der Moderne. Betont wird dies noch, als er erfährt, wie es mit seinem Klan weiterging. In seiner zweiten Karriere als Stuntman findet er einen Weg, diese Ideale, wenn auch mit einigen entscheidenden Veränderungen, weiterzuleben, aber eben wieder einmal als Rädchen innerhalb eines Getriebes zu dienen. Yasuda verweist auf eine bestimmte Haltung, die bis heute andauert, auch jenseits eines Filmsets, denn Hierarchien gibt es überall. Shinzaemon ordnet sich abermals unter und arbeitet für das große Ganze sowie für das Fortbestehen jener Werte, die ihm wichtig sind.
Ein anderes Leben
Wie für einen Zeitreisefilm üblich, steht zunächst einmal der Kulturschock des Helden im Vordergrund. Yamaguchi Makiya als Shinzaemon meistert aber nicht nur diesen Aspekt seiner Figur, sondern zeigt auch den inneren Konflikt eines Menschen, der nie gelernt hat, für sich selbst zu denken und abermals nach einem System sucht, dem er sich vollends widmen kann. Er wird gezwungen sich zu ändern und über ein Leben nachzudenken, dass ihm in der Vergangenheit als „echter“ Samurai verwehrt wurde. Über seine Darstellung sowie die des Filmsets hebt Yasuda hervor, wie die Werte einer Zeit nach wie vor in der Moderne weiterleben, im Positiven wie im Negativen, auch wenn der Unterhaltungsaspekt bei A Samurai in Time stets im Vordergrund bleibt. Außerdem kann er sich einer gewissen Nostalgie für eine Zeit des Filmemachens nicht erwehren, die in Zeiten von CGI bald wahrscheinlich nicht mehr praktiziert werden wird.
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