Bertie Gregory beim Dreh von "Die geheimnisvolle Welt der Pinguine" (© National Geographic/Zubin Sarosh)
Bertie Gregory photographing Galapagos penguins with marine iguanas. (credit: National Geographic/Zubin Sarosh)

Bertie Gregory [Interview]

Die geheimnisvolle Welt der Pinguine ist im Rahmen einer Reihe von Dokumentarserien entstanden, bei denen im Auftrag von National Geographic verschiedene Wildtiere in ihrem natürlichen Umfeld gefilmt werden. Dieses Mal sind es eben Pinguine, wenn wir mehrere Arten kennenlernen, die an den unterschiedlichsten Orten leben. Wir haben uns zum Start am 21. April 2025 auf Disney+ mit Regisseur Bertie Gregory über die Arbeit an der Serie, seine Lieblingspinguine und emotionale Distanz unterhalten.

Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Die geheimnisvolle Welt der Pinguine verraten? Wie kam es zu diesem Projekt?

Die geheimnisvolle Welt ist eine der bekanntesten Reihen über Wildtiere bei National Geographic. Es gab schon Dokumentationen über Wale, Elefanten und Oktopusse. Die nächste sollte dann über Pinguine gehen. Als man mich fragte, ob ich das Thema übernehmen möchte, war ich zunächst etwas besorgt, denn wenn du davon sprichst, Geheimnisse aufzudecken, dann weckst du beim Publikum schon sehr hohe Erwartungen. Du versprichst ihm damit, etwas zu zeigen, das es noch nie zuvor gesehen hat. Pinguine leben aber an Orten, an denen du nur schlecht filmen kannst. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Außerdem gibt es schon eine Reihe von Dokumentationen wie Die Reise der Pinguine, was es schwierig macht, noch etwas Neues zu filmen. Zum Glück hatten wir aber sehr viel Zeit, wir haben mehr als zwei Jahre gedreht. Und dadurch haben wir dann doch immer wieder Szenen filmen können, in denen Pinguine etwas getan haben, was zuvor noch niemand gefilmt hatte. Das war sehr aufregend.

Du hast von eigener Erfahrung gesprochen mit Pinguinen. Wie sahen die aus?

Ich habe sie schon mehrere Male für National Geographic und die BBC gefilmt. Wenn du Wildtiere filmst, wirst du schnell in bestimmte Schubladen gesteckt. Ich bin eben der Typ, der schon mehrfach Pinguine an kalten Orten gefilmt hat. Und so schickt man mich dann immer wieder zurück an diese kalten Orte.

Aber wie kamst du ursprünglich zu den Pinguinen, also bevor du in die Schublade gesteckt wurdest?

Das Tolle an Pinguinen ist, dass sie kaum Fressfeinde an Land haben. Das führt dazu, dass sie sehr kühn sind und keine Angst haben, wenn wir uns ihnen nähern. Und das ist ein großer Vorteil, wenn du einen intimen, emotionalen Dokumentarfilm drehen willst. Normalerweise sieht es bei Dokumentationen so aus, dass du dich 100 Meter entfernt in einem Gebüsch versteckst und ganz nah an die Tiere heranzoomst, um sie zu filmen. Bei Pinguinen brauchst du das nicht. Du kannst ihnen wirklich sehr nahekommen, was die Arbeit mit ihnen immer zu etwas Besonderem macht.

Du hast erwähnt, dass ihr über zwei Jahre hinweg gefilmt hat. Wie sah die Vorbereitung auf derart umfangreiche Dreharbeiten aus?

Wir haben ja an verschiedenen Orten gedreht. Der schwierigste Dreh war sicher der mit den Kaiserpinguinen, einfach weil es dort am kältesten wurde. Am kältesten Tag hatten wir minus 54° C. Das ist schon sehr kalt. Wir mussten deshalb sichergehen, dass es warm genug würde, nicht nur für uns, sondern auch für die Kameras. Wir haben also sehr viele Kältetests mit den Kameras gemacht und sie in auf minus 40 bis minus 50 Grad heruntergekühlt, um zu sehen, welche Teile der Kameras dann kaputtgehen. Meistens waren die Kabel das Problem, weil die Kabel sehr brüchig werden. Wir mussten also ein anderes Material für die Kabel nehmen, um dafür zu sorgen, dass sie länger halten. Ein anderer Punkt ist, dass ich ein Drohnen-Spezialist bin. Wenn du in sehr kalten Gebieten filmst, trägst du normalerweise riesige Handschuhe, um deine Hände warmzuhalten. Mit traditionellen Kameras ist das kein Problem. Bei Drohnen ist das hingegen schwierig, weil du mit diesen Handschuhen einfach nicht die Feinmotorik hast, um die Joysticks der Drohne zu bewegen. Also habe ich Spezialhandschuhe getragen, die sehr dünn sind und von innen beheizt werden, ein bisschen wie in einem Toaster. Wir haben diese Handschuhe so umgebaut, dass sie von den Kamerabatterien betrieben werden. Auf diese Weise konnte ich stundenlang in der Kälte filmen und die Drohne steuern. Das war auch für die erste Episode sehr wichtig, in denen wir die Küken der Kaiserpinguine sehen, wie sie von der 15 Meter hohen Klippe springen. Mit einer traditionellen Kamera wäre das gar nicht möglich gewesen, weil wir niemals die Ausrüstung dorthin hätten bringen können.

Du hast schon erwähnt, dass ihr verschiedene Pinguinarten gefilmt habt. Hast du einen Favoriten darunter?

Es gibt 18 Arten und wir haben glaube ich sieben davon gefilmt. Mein Favorit ist wahrscheinlich der Macaroni-Pinguin (deutsch: Goldschopfpinguin).

Wegen des Namens?

Tatsächlich hat der Name nichts mit Käsenudeln zu tun. Als britische Forscher sie das erste Mal entdeckt haben vor einigen hundert Jahren, gab es in London eine Gruppe sehr modisch gekleideter Männer, die Macarons genannt wurden. Eine sehr hippe, coole Gruppe, die gelbe Federn in ihren Hüten trugen. Als die Forscher dann die Pinguine mit ihren gelben Federn entdeckt haben, dachte sie: Hey, die sehen aus wie die Macarons. Das ist also schon ein cooler Name. Ich mag die Pinguine aber auch, weil sie sehr klein und gleichzeitig forsch sind, irgendwie frech und aggressiv. Es macht einfach großen Spaß, sie zu filmen.

Du hast vorhin gesagt, dass du den Pinguinen beim Dreh sehr nah gekommen bist. Wie sieht es mit der emotionalen Distanz aus? Wenn man so viel Zeit mit den Tieren verbringt, wachsen sie einem doch bestimmt ans Herz.

Total! Viele Leute sagen, dass du keine Gefühle für die Tiere entwickeln sollst, wenn du sie filmst, damit du dich auf deine Arbeit konzentrieren kannst. Außerdem ist die Natur nun mal ein rauer Ort, an dem ihnen ständig etwas zustoßen kann. Aber Pinguine sind so charmant. Und wir haben so viel Zeit mit ihnen verbracht. Bei den Kaiserpinguinen haben wir zweieinhalb Monate direkt neben einer Kolonie gelebt. Da fängst du an, die einzelnen Tiere kennenzulernen und sie liebzugewinnen. Das war dann schon ein Wechselbad der Gefühle, wenn sie irgendwie in Schwierigkeiten geraten sind. So etwas lässt dich dann nicht kalt.

Aber eingegriffen habt ihr nie?

Nein. Das darfst du auch nicht. Wir sind nur dafür da, diese Tiere zu dokumentieren. Das ist der Kreis des Lebens. Außerdem: Der Grund, dass Pinguine so hart im Nehmen sind, ist, dass nur die stärksten überleben und ihre Gene an die Küken weitergeben. Das war ein Prozess, der hunderttausende von Jahren gedauert hat. Das kannst du nicht einfach unterbrechen. Es wäre oft auch gar nicht möglich gewesen. Bei dieser Szene, wo sie von der Klippe springen, wäre es viel zu gefährlich für uns gewesen, selbst hinzugehen. Und selbst wenn wir das geschafft hätten, was hätten wir schon tun können? Du kannst sie ja nicht einpacken und mit dem Boot aufs Meer fahren.

Du musst aber nicht nur als Dokumentarfilmer eine Balance finden zwischen Anteilnahme und Distanz. Beim Publikum ist das ähnlich. Du willst auf der einen Seite, dass es mit den Tieren mitfühlt. Auf der anderen Seite darfst du die Tiere nicht einfach vermenschlichen. Wie schafft man das?

Das ist tatsächlich eine wichtige Aufgabe. Der Trick besteht darin, dass das Publikum das Gefühl hat, im Kopf eines Pinguins zu sein. Wie ist das so, als Pinguin zu leben? Was sind die Herausforderungen? Wie sehen die Beziehungen aus? Wenn du das schaffst, erzeugst du automatisch Gefühle. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, diesen Küken beim Aufwachsen zuzusehen, weil ihr Leben einfach so viel Drama mit sich bringt. Da reicht es oft schon, das zu zeigen. Zumindest hoffe ich, dass die Zuschauer und Zuschauerinnen etwas fühlen, wenn sie den Tieren zusehen.

Und ganz allgemein, was erhoffst du dir, mit dieser Dokuserie zu erreichen?

Ich hoffe, dass sich die Leute wieder auf Neue in diese Tiere verlieben und vieles mit uns entdecken, das sie so noch nicht kennen. Es soll ihnen wichtig sein, was mit den Pinguinen geschieht, gerade auch weil sie durch uns Menschen so viele Probleme haben. Pinguine veranschaulichen, wie es um die Ozeane bestimmt sind. Sie brauchen gesunde Ozeane, so wie wir Menschen gesunde Ozeane brauchen. Wenn wir ihnen helfen, einen gesunden Lebensraum zu haben, dann helfen wir uns letztendlich selbst.

Ohne aber, dass wir ihnen direkt helfen.

Genau. Wir können ihnen helfen, indem wir die Ozeane nicht überfischen und dafür sorgen, dass ihre Heimat erhalten bleibt. Das können wir aus der Ferne tun.

Nachdem wir von dem Publikum gesprochen haben und was es aus Die geheimnisvolle Welt der Pinguine mitgenommen hat, wie sieht es bei dir aus? Was hast du durch das Projekt noch lernen können?

Dass Zeit dein größter Freund ist, wenn du etwas über Tiere erfahren willst. Natürlich brauchst du dafür auch modernste Technologie und Erfahrungen mit der Kamera und du musst mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten. Aber vor allem brauchst du genug Zeit. Nur so haben wir diese vielen tollen Momente erleben können.

Waren diese tollen Momente denn etwas, das du gezielt gesucht hattest? Wusstest du, was du filmen willst?

Zum Teil. Das Gute und das Schlechte an Pinguinen ist: Sie lesen keine Drehbücher. Wir wussten von einigen Geheimnissen durch Forschungen und hatten gehofft, diese auch selbst filmen zu können. Bei manchen hatten wir Erfolg, bei anderen nicht. Die besten Szenen waren aber die, die wir nicht geplant hatten. Mutter Natur mag dir vielleicht nicht das geben, was du auf ein Stück Papier geschrieben hast. Aber wenn du wirklich dranbleibst und leidenschaftlich bist, dann wird sie dir etwas anderes geben, das du nie erwartet hättest.

Vielen Dank für das Interview!



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