The Holdovers
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The Holdovers

The Holdovers
„The Holdovers“ // Deutschland-Start: 25. Januar 2024 (Kino) // 11. April 2024 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Paul Hunham (Paul Giamatti) arbeitet seit Jahren schon in der Privatschule Barton Academy als Geschichtslehrer, er ist eine echte Institution. Allerdings keine übermäßig beliebte. Sowohl Schulleiter Dr. Hardy Woodrip (Andrew Garman) wie auch seine Schüler verzweifeln an seiner strengen und selbstgerechten Art. Da er zudem niemanden schont, selbst Kinder einflussreicher Eltern, entstehen immer wieder Konflikte. Als es mal wieder zu seinem solchen Vorfall kommt, wird er dazu verdonnert, Weihnachten an der Schule zu bleiben und auf die Schüler aufzupassen, die nicht zu ihren Familien können. Unter diesen ist auch Angus Tully (Dominic Sessa), der sehr unter der Trennung seiner Eltern und dem Desinteresse seiner Mutter leidet. Gemeinsam mit einigen anderen Kindern und Jugendlichen sowie Köchin Mary Lamb (Da’Vine Joy Randolph) bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen …

Gelungene Rückkehr

In den 2000er und 2010er Jahren war Alexander Payne einer der großen Regisseure, gleich drei Mal war er in der Phase für einen Oscar für die beste Regie nominiert. Nach seinem überraschend verhalten aufgenommenen Downsizing (2017), bei dem er einen Ausflug ins Science-Fiction-Genre wagte, verschwand er etwas von der Bildfläche. Sechs Jahre dauerte es, bis er sich mit The Holdovers zurückmeldete. Und zumindest anfangs war die Aufmerksamkeit eher gering, bei den bedeutenden Filmfesten im Herbst standen andere Titel deutlich stärker im Fokus. Und doch ist die Tragikomödie ein beeindruckendes Comeback, das hervorragende Kritiken erhalten hat. Es gab auch bereits zwei Schauspielpreise bei den Golden Globes, weitere werden sicherlich hinzukommen.

Dabei stellt der Film in mehrfacher Hinsicht eine Rückkehr zu vergangen Tagen dar. Anstatt den Blick erneut in die Zukunft zu richten, reist Payne mehr als 50 Jahre in die Vergangenheit. Das Vorbild ist sogar noch älter: Der französische Film Merlusse von Marcel Pagnol erzählte 1935 bereits eine ähnliche Geschichte. Diese versetzte der Regisseur gemeinsam mit dem bislang im Fernsehen tätigen Drehbuchautor David Hemingson in das Jahr 1970. Für die Handlung hat das keine unmittelbare Auswirkung, The Holdovers hätte prinzipiell in jedem Jahr spielen können. Die historische Verortung erlaubt Verweise auf den Vietnamkrieg, der gleich doppelt seine Spuren hinterlässt. Sie erlaubt vor allem aber auch eine nostalgisch stimmende Optik, wenn sich der Film an Werken von damals orientiert, körnige Bilder inklusive. Tatsächlich würde auf Anhieb wohl niemand merken, dass es sich um einen Film aus dem Jahr 2023 handelt.

Viele ernste Themen, locker verpackt

Die Themen sind sowieso zeitlos. Da geht es um verpasste Träume, Einsamkeit, Sehnsucht nach Anerkennung und Trauer. Und es geht um Klassenunterschiede, wenn Erfolg in der Schule und bei der Arbeit oft nicht davon abhängen, was man tut, sondern von der Herkunft. In The Holdovers wimmelt es geradezu vor ernsten Themen, über die man sich lange unterhalten kann. Payne streift vieles davon aber nur, baut sie beiläufig ein, anstatt daraus ein großes Moralstück machen zu wollen. Im Mittelpunkt seiner Geschichte stehen die Menschen, nicht die Ideen. Vieles nimmt er zudem mit Humor. Da sind zahlreiche witzige Szenen dabei, die aus dem Aufeinandertreffen sehr unterschiedlicher Menschen entstehen.

Zu seinem – und unserem – Glück hat er ein hervorragendes Ensemble gefunden, um diese Szenen auch mit Leben zu füllen. Das Zusammenspiel der drei ist wunderbar, bringt ebenso amüsante wie zu Herzen gehende Situationen hervor. Dabei ist Dominic Sessa eine echte Entdeckung, der zuvor ein wenig Theater gespielt hat und hiermit sein Filmdebüt gibt. Man könnte ihm ewig dabei zusehen, wie seine Figur den Lehrer in den Wahnsinn treibt, sich mit anderen anlegt oder die Liebe sucht.

Wenig originell, aber sehr schön

Sicher, originell ist die Tragikomödie, die auf dem Telluride Film Festival 2023 Premiere hatte, nicht. Auch wenn es unterwegs die eine oder andere Überraschung gibt, im Großen und Ganzen ist der Film sehr vorhersehbar. Dass der arrogante Lehrer und der rebellische Teenager sich mit der Zeit annähern und zu schätzen lernen, ist filmisches Gesetz. Daran will niemand rütteln, ebenso wenig am obligatorischen Wohlfühlende. Aber The Holdovers ist einer der schönsten Filme dieser Art seit langem. Hier passt alles zusammen, von der Ausstattung über die Inszenierung bis zur Besetzung – eine bewährte Formel, perfekt ausgeführt. Einziges Manko ist, dass man aus unverständlichen Gründen den zu Weihnachten spielenden Film erst Ende Januar zeigt, obwohl er mit seiner versöhnlichen Aussage eigentlich ein Dezembertitel hätte sein müssen. Andererseits kann man sich dieses wunderbare Werk quasi immer anschauen, selbst im Hochsommer, selbst in 50 Jahren.

Credits

OT: „The Holdovers“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Alexander Payne
Drehbuch: David Hemingson
Musik: Mark Orton
Kamera: Eigil Bryld
Besetzung: Paul Giamatti, Dominic Sessa, Da’Vine Joy Randolph, Carrie Preston, Brady Hepner, Ian Dolley, Jim Kaplan, Michael Provost, Andrew Garman

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Möglichkeit, uns mit Hauptdarsteller Paul Giamatti zu treffen. Im Interview zu The Holdovers sprechen wir über die Arbeit an der Tragikomödie und seine eigenen schulischen Erfahrungen.

Paul Giamatti [Interview]

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Film Independent Spirit Awards 2024 Beste Nebenrolle Da’Vine Joy Randolph nominiert
Bestes Nachwuchsschauspiel Dominic Sessa nominiert
Bestes Drehbuch David Hemingson nominiert
Beste Kamera Eigil Bryld nominiert
Golden Globes 2024 Bester Film (Komödie oder Musical) nominiert
Bester Hauptdarsteller (Komödie oder Musical) Paul Giamatti Sieg
Beste Nebendarstellerin Da’Vine Joy Randolph Sieg

Filmfeste

Telluride Film Festival 2023
Toronto International Film Festival 2023

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The Holdovers
fazit
„The Holdovers“ ist ein wunderbares Comeback von Alexander Payne. Sicher, originell ist die Tragikomödie um mehrere Menschen, die über Weihnachten in einem Internat gefangen sind, nicht, der Ablauf ist vorhersehbar. Aber das hervorragende Ensemble und die kluge Geschichte, die viele zeitlose Themen anspricht, macht das wett. Dazu gibt es ein schön altmodisches 1970er Setting.
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