Die bleierne Zeit
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Die bleierne Zeit

Die bleierne Zeit
„Die bleierne Zeit“ // Deutschland-Start: 25. September 1981 (Kino) // 6. Mai 2021 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Als sie noch Kinder waren, war Juliane (Jutta Lampe) immer die Rebellische, doch als sie erwachsen wurden, wendete sich das Blatt und ihre Schwester Marianne (Barbara Sukowa) wurde immer aufmüpfiger. Während sich Juliane in der 68er-Bewegung und auch noch darüber hinaus durch ihre journalistischen Arbeiten für Belange wie Frauenrechte einsetzt, sind Worte Marianne schon lange nicht mehr genug. Sie taucht in den linksradikalen Untergrund ab und wird Teil einer terroristischen Organisation, deren Mitglieder wegen einer Vielzahl von Anschlägen und Entführungen gesucht wird. Ihre Schwester befindet sich daher schon lange auf der Flucht und hat nur noch sporadisch Kontakt zu Juliane, die sich große Sorgen um sie macht. Schließlich muss sie sich sogar um Mariannes Sohn kümmern, der sie seit er zwei war nicht mehr gesehen hat, und ihre Beziehung zu dem Architekten Wolfgang (Rüdiger Vogler) leidet ebenso unter demangespannten Verhältnis zu Marianne.

Schließlich kommt es zu einer groß angelegten Welle von Verhaftungen, in deren Laufe auch Marianne festgenommen wird. Immer wieder besucht Juliane ihre Schwester, die überzeugter denn je an ihren Prinzipien festhält, und versucht dabei, einen Brücke zu dem Menschen aufzubauen, den sie seit Kindertagen kennt. Je länger die Haft andauert, desto mehr werden die Besuche zu einer Konfrontation mit den eigenen Idealen sowie der Vergangenheit, die sie zu den Menschen gemacht hat, die sie heute sind.

Eine Spurensuche

Der insgesamt vierte Kinofilm von Regisseurin Margarethe von Trotta ist an die Biografie der Geschwister Gudrun und Christiane Ensslin angelehnt. Die eine wurde zu einem der bekanntesten Gesichter der Roten Armee Fraktion und damit des linken Terrors und die andere eine engagierte Frauenrechtlerin, die unter anderem die Zeitschrift Emma mitbegründete. Die bleierne Zeit ist aber mitnichten eine Biografie, wie man sie vielleicht erwarten würde, sondern im Gegenteil eine Art Spurensuche in den Leben zweier Menschen und welche Momente oder Erlebnisse ihre Entwicklung beeinflussten. Der Spielfilm wurde 1982 mit zwei Deutschen Filmpreisen ausgezeichnet und auf den Filmfestspielen in Venedig 1981 wurde von Trotta mit dem Goldenen Löwen geehrt.

Viele Filme, die sich mit den politischen und gesellschaftlichen Ereignissen der späten 60er und 70 Jahre befassen, reduzieren sich auf die Nacherzählung und weniger auf eine filmische Ausarbeitung. Die bleierne Zeit hingegen hat weitaus mehr zu bieten, denn durch den Fokus auf die Beziehung der beiden Schwestern entsteht das Bild zweier Menschen und ihre Überzeugungen, und woher diese kommen. Die Rückblenden in die Kindheit und Jugend, die schreiende Stille am Esstisch, während der Vater das Gebet spricht, oder die Maßregelungen des Familienoberhauptes ergeben das Bild einer repressiven Hierarchie, die nicht auf Toleranz oder Diskussion auslegt ist, sondern auf Kontrolle, Konformismus und das beharrliche Totschweigen. Das Erschrecken über die Bilder von Konzentrationslager, wie sie Alain Resnais‘ Nacht und Nebel zeigt, hallt noch lange nach und spiegelt sich in den Gesichtern der beiden Heldinnen wider. Margarethe von Trottas Film erzählt von zwei Formen der Rebellion gegen das Schweigen, doch zugleich von einem Bruch, der zwei Menschen voneinander entfernt. Es ist ein intensives, intimes Drama, bei dem Folgen der „bleiernen Zeit“ der 1950er vielleicht stärker sein können als das emotionale Verhältnis.

Das Schweigen und die Worte

Margarethe von Trotta erzählt aber zugleich von der Schicksalhaftigkeit der beiden Lebenswege. Wie die Helden von Jean-Paul Sartres Das Spiel ist aus scheint es so, als wäre ein Weg den beiden vorherbestimmt, durch die Erziehung und die Konfrontation mit dem, über das man am Tisch nicht sprechen darf. Jutta Lampe und Barbara Sukowa spielen sehr sensibel zwei Menschen, die sich in der Konsequenz aus diesen beiden Ereignissen voneinander entfernt haben, doch dennoch einen Ausweg aus dem Schweigen suchen. Doch es sind nicht nur die Unterschiede, sondern vielmehr die Parallelen, die von Trotta in den Vordergrund rückt, sodass lediglich nicht viel die beiden Frauen voneinander entfernt. Am Ende ist das Schweigen, das wieder einmal im Raum steht oder vielmehr eine aufmerksamkeitsschwache Gesellschaft, die weitermachen und deshalb schweigen will, über das was war. Doch ein Blick nach vorne ist verstellt und legt den Grundstein für die nächsten Bomben.

Credits

OT: „Die bleierne Zeit“
Land: Deutschland
Jahr: 1981
Regie: Margarethe von Trotta
Drehbuch: Margarethe von Trotta
Musik: Nicolas Economou
Kamera: Franz Rath
Besetzung: Jutta Lampe, Barbara Sukowa, Julia Biedermann, Ina Robinski, Rüdiger Vogler

Trailer

Filmfeste

Venedig 1981
Berlinale 2019
Transit 2022

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Die bleierne Zeit
fazit
„Die bleierne Zeit“ ist ein intensiv gespieltes und nachdenklich machendes Drama über das Verschweigen der Vergangenheit und dessen Folgen. Margarethe von Trotta gelingt ein starker Film, der aktueller denn je ist und nach den Ursachen von Gewalt und Unterdrückung fragt sowie dem, was Menschen auseinanderbringt.
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