Die Mittagsfrau
© Wild Bunch Germany, Lucky Bird Pictures, Nick von Nostitz

Die Mittagsfrau

Die Mittagsfrau
„Die Mittagsfrau“ // Deutschland-Start: 28. September 2023 (Kino) // 19. April 2024 (DVD)

Inhalt / Kritik

Als Helene (Mala Emde) in den 1920ern mit ihrer Schwester Martha (Liliane Amuat) nach Berlin zieht, sind die Hoffnungen groß. Dort will sie Medizin studieren und dabei dem erdrückenden Leben der Provinz entkommen. Und tatsächlich scheint ihr das Glück hold zu sein. Sie begegnet Karl (Thomas Prenn), beide verlieben sich. Aber die Beziehung ist auch von Schwierigkeiten geprägt, Meinungsverschiedenheiten – und einem Schicksalsschlag. Spätestens als die Nationalsozialisten die Macht ergreifen, muss sich Helene überlegen, was sie mit ihrem weiteren Leben anfangen soll, zumal sie einer jüdischen Familie entstammt. Ein Ausweg könnte Wilhelm (Max von der Groeben) sein, der sofort Gefühle für sie entwickelt und alles für sie tun würde …

Doppelte Unterdrückung

Mystisch geht es los in Die Mittagsfrau, wenn von der titelgebenden Sagengestalt die Rede. Sie tauche auf und fordere eine Geschichte ein, so wird gewispert. Und für einen Moment meint man noch, man sei in einem Märchen gelandet, das uns in die weite Vergangenheit zurücknimmt. Das stimmt aber nur zum Teil. So nimmt uns das Drama zwar mit auf eine Zeitreise. Doch das, was dort geschieht, ist nicht so weit entfernt, dass es zu einer fremden Welt oder fernen Epochen würde. Stattdessen schildert Julia Franck, auf dessen gleichnamigem Roman von 2007 der Film basiert, von dem Lebens- und Leidensweg einer sehr irdischen Frau. Einer Frau auch, die Erfahrungen gesammelt hat, wie sie viele sammeln und erdulden mussten.

Genauer schildert Die Mittagsfrau, wie eine wissbegierige und selbstbewusste Frau immer wieder an der sie umgebenden Realität scheitert. Denn sie ist gleich doppelt benachteiligt. Sie ist eine Frau, was ihr im Bereich der Medizin Skepsis einbringt. Krankenschwestern sind erlaubt, die große Medizin jedoch, die ist Männern vorbehalten. Später wird sie auch von Wilhelm in die klassische Frauenrolle gedrängt. Arbeiten ist nicht, Heim und Kind sind angesagt. Und wehe, sie lässt sich gehen oder das Mittagessen ist nicht pünktlich auf dem Tisch, egal wann der Mann nach Hause kommt. Eine gute, eine richtige Hausfrau, die ist immer darauf vorbereitet. Verbunden wird diese geschlechtsbezogene Unterdrückung mit einer, die ihr jüdisches Erbe betrifft. Im Dritten Reich darf das nicht sein. Und weil das nicht sein darf, wird sie auf tragische Weise hörig, ordnet sich doch unter, weil keine Alternative in Sicht ist. Sie gibt sich und ihre Identität auf.

Viele Themen, zu wenig Zeit

Natürlich ist das Thema der Geschlechtergerechtigkeit ein wichtiges, trotz der offensichtlichen Fortschritte seither gibt es immer noch genügend Männer, die Frauen nur als stilles Beiwerk sehen. Und auch Antisemitismus ist nach wie vor salonfähig, teilweise sogar ministrabel. Trotz des historischen Settings ist Die Mittagsfrau daher nicht ohne aktuelle Relevanz. Der Film ist zudem gut gespielt, gerade Mala Emde, die letztes Jahr schon in Aus meiner Haut brillierte, darf ein paar starke Auftritte haben. Problematisch ist jedoch, wie der Film versucht, diese verschiedenen Themen zusammenzuführen. Denn das bedeutet, dass hier nie die Zeit ist, einzelne Punkte auch mal zu vertiefen. Es reicht ja nicht einmal, eine Entwicklung aufzuzeigen, die ihren Namen verdient. Wenn beispielsweise kurz nach der Hochzeit schon die Beziehung in die Krise gerückt ist, wird nie klar, wie es von dem einen Punkt zum nächsten kommt. Waren die Probleme von Anfang an da? War es ein schleichender Prozess? Welches Jahr haben wir überhaupt?

Mit hohem Tempo rast Regisseurin und Co-Autorin Barbara Albert (Licht) durch die Jahre, wirft der Protagonistin unzählige Figuren in den Weg, ohne sich oder dem Publikum je die Zeit zu geben, sie wirklich kennenzulernen. Natürlich ist es schwierig, eine Geschichte, die sich über viele Jahre erstreckt, in einen einzigen Film zu packen. Wenn aber das Ergebnis so aussieht, dass man am Ende gar nicht weiß, welche Geschichte denn nun eigentlich erzählt werden sollte, dann ist da schon etwas schief gegangen. Gleiches gilt, wenn aufgrund des knappen Umfangs vieles auf Schlagwörter und Allgemeinplätze reduziert wird. Das ist verblüffend, schade, vielleicht sogar ärgerlich. Denn irgendwo in diesem Sammelsurium aus gehetzten Momentaufnahmen sind interessante Stoffe verborgen, die ein schlüssigeres Konzept verdient hätten.

Credits

OT: „Die Mittagsfrau“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Barbara Albert
Drehbuch: Meike Hauck, Barbara Albert
Vorlage: Julia Franck
Musik: Kyan Bayani
Kamera: Filip Zumbrunn
Besetzung: Mala Emde, Max von der Groeben, Thomas Prenn, Liliane Amuat, Fabienne Elaine Hollwege, Laura Louisa Garde, Eli Wasserscheid

Bilder

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Die Mittagsfrau
fazit
An Ambitionen mangelt es „Die Mittagsfrau“ nicht, wenn aus dem Leben einer jungen jüdischen Frau in den 1920ern und 1930ern erzählt wird. Dafür an einem schlüssigen Konzept. Anstatt sich ein Thema herauszusuchen und dieses genauer zu bearbeiten, wird ständig hin und her gesprungen, werden Figuren verheizt und Entwicklungen abgekürzt, bis nicht mehr klar ist, was der Film überhaupt erzählen will.
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