Daniela ET
© Daniela Rambaldi

Daniela Rambaldi [Interview]

Daniela ET
© Daniela Rambaldi

Daniela Rambaldi ist die Tochter des berühmten italienischen Spezialisten für Maskeneffekte Carlo Rambaldi. Dessen mehrere Jahrzehnte umfassende Karriere umfasste Zusammenarbeiten mit Regisseuren wie Ridley Scott, Dario Argento, Mario Bava, Steven Spielberg und David Lynch. Neben dem Kopf des Xenomorphs aus Ridley Scotts Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt war er auch für den Außerirdischen aus Steven Spielbergs E.T. – Der Außerirdische zuständig. Für beide Kreationen wurde er mit Oscars in der Kategorie Beste Spezialeffekte ausgezeichnet.

Ihr Leben hat Daniela Rambaldi zum einen ihre Passion für Mode und Design gewidmet und zum anderen ihrer Familie, wozu auch das Andenken ihres Vaters zählt, der für viele junge Menschen zu einem Mentor und Vorbild geworden ist. Rambaldi ist die Vizepräsidentin der Carlo Rambaldi Stiftung, die sich jener Disziplinen widmet, die ihrem Vater besonders am Herzen lag, nämlich das Inspirieren von Menschen, die einen ähnlichen Beruf ergreifen wollen, wie Carlo es eins tat.

Anlässlich des 40. Jubiläums von  E.T. – Der Außerirdische sowie einer am 17. November 2022 erscheinenden Veröffentlichung des Filmes mit neuem Bonusmaterial auf Blu-ray und 4K Ultra HD durch Universal Pictures spricht Daniela Rambaldi über ihre Erinnerungen an ihren Vater, seine Arbeit an E.T. sowie seine Philosophie.

 

Erinnerst du dich noch an die Zeit, als dein Vater an E.T. arbeitete?

Ich erinnere mich noch daran, wie er das erste Modell zu E.T. machte, was aus Ton war und circa 30 cm groß. Wie immer, wenn er etwas fertiggestellt hatte, rief er mich und meinen Bruder in sein Studio und zeigte uns, woran er gerade arbeitete. Zwar muss ich gestehen, dass ich E.T. hässlich fand, aber irgendwie mochte ich ihn auch, weshalb ich meinem Vater sagte, er sähe aus wie Donald Duck. Die Rückseite des Außerirdischen erinnerte mich irgendwie an Donald, und ich finde noch heute, die beiden haben, was ihre Rückseite angeht, gewisse Ähnlichkeiten.

Als er diese Reaktionen hörte, war das meinem Vater wohl genug, denn mit genau diesem Modell ging er am nächsten Tag in ein Meeting mit Steven Spielberg, dem er seine Vision von E.T. vorstellte.

Da dein Vater ja auch am Xenomorph gearbeitet hat, würde mich interessieren, ob du diese Arbeit auch vorher gesehen hast, als du klein warst? Wenn ja, wie war deine Reaktion?

Als mein Vater an Alien arbeitete, war ich acht Jahre alt und er war zu der Zeit in London. Den Film selbst habe ich erst viele Jahre später gesehen, aber ich bemerkte den Kopf des Aliens im Studio meines Vaters, als er dann von seiner Arbeit zurückkehrte. Obwohl man sich eigentlich vor dem Wesen fürchten sollte, empfand ich nichts dergleichen, vielleicht auch, weil es nur ein Modell war und sich nicht bewegte.

Zur Zeit von E.T. war ich drei Jahre älter. Im Gegensatz zu dem vorherigen Film war dies ein ganz anderes Projekt, ein Film für Kinder, weshalb es meinem Vater wichtig war, zuerst die Reaktion seines Sohnes und seiner Tochter zu hören.

Im Kontext eines Nachrufs auf deinen Vater soll David Lynch einmal gesagt haben, dass Carlo Rambaldis Kreationen, auch E.T., eine gewisse Ähnlichkeit zu ihm aufweisen. Wie hat er das wohl gemeint?

Na ja, wenn wir vom Kopf des Außerirdischen reden, besonders der Augenbrauen, kann ich schon verstehen, was er meint. Mein Vater hatte dichte Augenbrauen, die wir auch bei E.T. sehen.

Ich denke aber, was David mit seinem Kommentar wirklich meinte, ist die Seele und die Emotionen meines Vaters, die sich in jeder seiner Kreationen finden lassen. Wer auch immer mit einem Vater zu tun hatte, konnte die Leidenschaft erkennen, die er in seine Arbeiten steckte und ich denke, das sieht man seinen unzähligen Werken auch an.

Carlo Rambaldi war auch jemand, der es verstand, seine Leidenschaft für Spezialeffekte mit seinem Familienleben zu verbinden. Inwiefern ist er für dich als Unternehmerin im Modegeschäft und Mutter von fünf Kindern auch heute noch ein Vorbild?

Mein Vater war sehr speziell. Er war kein typischer Papa, wie ich ihn von meinen Freundinnen her kannte, er kam nicht mit auf Geburtstage meiner Freunde oder holte mich von diesen ab. Andererseits bezog er uns immer in seine Arbeit mit ein, wenn er beispielsweise die Entwürfe, die er tagsüber gezeichnet hatte, vor uns ausbreitete und ehrlich unsere Meinung hören wollte. Mir ist besonders seine Leidenschaft für seine Arbeit im Gedächtnis geblieben, aber ebenso sein Interesse an uns.

Ich erinnere mich auch daran, dass er immer ein Notizbuch dabei hatte, egal, wohin wir gingen. Von einem Moment auf den nächsten konnte er es herausziehen und eine Idee hinkritzeln, die er schnell notieren wollte, bevor er sie vergaß.

Trotz all dieser Dinge, fühlte ich mich als Kind oft sehr einsam, was auch am Altersunterschied zwischen mir und meinen Brüdern liegt. Als ich selbst Mutter wurde, wollte ich nicht, dass meine Kinder sich je so fühlen würden.

Was ich mitnehme von meinem Vater und was ich an meine Kinder weitergebe ist sein  Leitspruch, dass man weise wählen soll, was man mit seinem Leben anfangen will, denn, wenn man dies tue, würde man keinen Tag mehr arbeiten müssen. Die Leidenschaft, mit der ich Mutter bin, habe ich verbunden mit meiner Passion für Mode und habe so den Leitspruch meines Vaters damit erfüllt.

Das Werk Carlo Rambaldis wird oft reduziert auf E.T. oder den Kopf des Xenomorph, aber wenn man sich allein die Liste der Projekte ansieht, an deren Entstehung er beteiligt war, erscheint das Bild eines stets aktiven und produktiven Künstlers. Welche seiner Arbeiten, findest du, sollte eigentlich mehr Anerkennung erhalten als sie es momentan tut?

Das dürfte Millennium sein. Mein Vater stellte sich darunter einen Entertainment-Komplex vor, in dessen einzelnen Segmenten Kinder Erfahrungen sammeln konnten, wie er es ausdrückte. Er wollte, dass diese Segmente in verschiedenen Zeiten, wie dem antiken Rom, der Steinzeit oder im Weltall, spielen und Kinder durch diese hindurchgehen können und dabei erleben, was es heißt, damals gelebt zu haben.

In seinem Studio stand ein Modell des Parks, für den er jede einzelne Attraktion als Miniatur gebaut hatte. Es sollten aber weniger Achterbahnen oder Riesenräder sein, sondern mehr Reisen, welche die Kinder machen konnten. Es war sein ambitioniertestes Projekt, was er leider nie in die Tat umsetzen konnte und in dem sich nicht nur der Special-Effects-Künstler wiederfand, sondern ebenso der Designer, der Bildhauer, der Maler und der Ingenieur, der mein Vater eben auch war.

Ich bin Teil eines Projekts, was die Idee meines Vaters fortführt und in Schulen bringt. Die Schüler und Schülerinnen erstellen einen Charakter, denken sich eine Welt für diesen aus und geben ihm eine Stimme und einen Gang. Dabei denken sie sich eine Zeit aus, in der die Geschichte dieser Figur spielen kann und kreieren diese dann.

Das Projekt deines Vaters klingt wie ein Weiterdenken des Konzepts des interaktiven Museums, wie es heute ja viele gibt.

Das stimmt. Als er 1983 oder 1984 mit den ersten Entwürfen anfing, gab es noch nicht die technischen Möglichkeiten, die es heute gibt und welche ganz andere Voraussetzungen für eine solche Unternehmung bieten. Mein Vater war seiner Zeit weit voraus.

Wie glaubt du wäre der Standpunkt deines Vaters zu vielen heutigen Blockbustern, in denen fast nur noch CGI vorkommt und wenig eigentlich echt ist?

Als mein Vater aufhörte zu arbeiten, fiel dies zusammen mit der Geburtsstunde der Digitalisierung in der Filmindustrie. Er wusste um diese Entwicklung und war ihr gegenüber sehr skeptisch, nicht, weil er nicht die Möglichkeiten kannte, sondern weil er zwei Dinge befürchtete. Zum einen fand er immer, dass man als Künstler in diesem Bereich ein gewisses Verständnis für Anatomie haben sollte und zunächst einmal ein Modell aus Ton oder anderem Material anfertigen muss, damit man die eigenen Kreationen überhaupt verstand. Darüber hinaus fragte er sich, wer dann eigentlich den Oscar erhält für die Spezialeffekte in dieser neuen Welt, in der wahrscheinlich über 200 Leute an der Entstehung einer Kreatur und ihrer Welt beteiligt waren.

Ich bin mir sicher, dass er über CGI anders gedacht hätte, wenn er in dieser Ära noch gearbeitet hätte, aber ich denke auch, dass seine Skepsis nicht unberechtigt gewesen ist.

Zeitgleich erfahren wir gerade in den letzten Jahren eine wahre Retro-Welle in den Medien, nicht nur im Film, innerhalb derer auch die Arbeiten deines Vaters wiederentdeckt werden. Wenn du heutige Filme oder die Medienlandschaft generell denkst, wo bemerkst du den Einfluss deines Vaters am ehesten?

Carlo Rambaldi war und ist für viele Menschen, die in der Filmindustrie arbeiten eine große Inspiration, auf künstlerischer wie auch technischer Ebene. Er konnte sich etwas nicht nur vorstellen und es zeichnen, er konnte es auch entwerfen und ein Modell erstellen und es dann auch animieren. Diese Herangehensweise ist nicht normal in diesem Metier, aber immer mehr Leute, die in diesem Feld arbeiten, finden zu dieser zurück oder wollen zu ihr zurück.

Kannst du vielleicht noch erklären, was es mit dem Rambaldi Campus auf sich hat und mit dem Carlo Rambaldi Museum?

Das sind nur zwei Projekte, an denen mein Bruder, ich und die Carlo Rambaldi Stiftung arbeiteten. Es geht darum, die Erinnerung an meinen Vater aufrechtzuerhalten, doch ebenso seine Kunst und was sie ausmacht in die heutige Zeit zu übertragen. Der Campus ist das Projekt, von dem ich eben gesprochen habe, welches an Schulen und Universitäten geht, um dort mit Kindern und jungen Menschen kreativ zu arbeiten. Das Museum steht nicht, wie der Name vermuten lässt, an einem festen Ort, sondern kann gebucht werden und je nach Bedarf ausgerichtet werden. Wenn uns morgen eine Einrichtung in Arizona anruft und eine Ausstellung zu E.T. haben will oder zu King Kong können wir dorthin fahren und entsprechende Objekte und Dokumente mitbringen.

Vielen Dank für das nette Gespräch.



(Anzeige)