Family Dinner
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Family Dinner

Family Dinner
„Family Dinner“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Die fünfzehnjährige Simi (Nina Katlein) verbringt die Osterferien im abgelegenen Haus ihrer Tante Claudia (Pia Hierzegger), die sich als Köchin und Ernährungsexpertin einen Namen gemacht hat. Simi hofft, mit Claudias Hilfe abnehmen zu können, allerdings scheint dieses Ziel noch schwerer als gedacht, wenn sich Simi mit ihrem launischen Cousin Filipp (Alexander Sladek), Claudias strengen Regeln, neuem Hang zur Esoterik und aufreizend neuen Partner Stefan (Michael Pink) konfrontiert sieht. Nach und nach entfaltet sich ein perfides Machtspiel und Simi bekommt Zweifel, ob sie wirklich vor Ort bleiben soll.

Starke Inszenierung

Family Dinner ist vom Konzept ein recht klassischer Slowburn-Thriller, der eine unbehagliche Atmosphäre erzeugt und diese dann mehr und mehr ausmelkt. Und das gelingt dem Film wirklich gut. Von Beginn an sorgen kalte Farben, minimalistische Dialoge und Verhalten an der Grenze der sozialen Akzeptanz für eine wirklich unangenehme Stimmung, die sich immer weiter verdichtet. Gepaart mit einigen Elementen des Horrors sorgt das bis zum Klimax für so manchen nur schwer auszuhaltenden Moment.

Mitverantwortlich dafür ist sicherlich auch die toll inszenierte und gespielte Hauptfigur Simi. Denn dieser sieht man nicht nur ihr ständiges Unwohlsein als Reaktion auf die Ereignisse an. Es wird ebenso klar, warum sie sich überhaupt dieser Situation aussetzt und nicht einfach geht. Denn entscheidend ist dafür ist ihr mindestens genauso großes Unwohlsein zu sich selbst. Simi ist eine stark in sich gekehrte, schüchtern, fast gebrochen wirkende Figur, die all die Absurditäten und roten Flaggen um sie herum hinnimmt, weil sie sich selbst als das Problem betrachtet.

Das Wirken von Manipulation

Zutiefst unglücklich mit ihrem Übergewicht und mit großem Minderwertigkeitskomplex, lässt Simi sich herumscheuchen und schafft es nicht, sich dem entgegenzusetzen. Spannend ist, dass der Film nicht nur das Wirken von Minderwertigkeitskomplexen gut darstellt, sondern sich vor allem darauf fokussiert, wie andere Menschen das ausnutzen. Im Konkreten zeigt sich das natürlich an Claudia, die versucht, Simi mit gekonntem Dezimieren und Bestärken immer weiter gefügig und unmündig zu machen.

Gerade durch die von Ostern religiöse und durch Claudia esoterisch-rituelle Behaftung ist die Assoziation zu Sekten natürlich sehr naheliegend. Auch die Figuren Stefan und Filipp tragen dazu bei und spielen als narzisstischer Mitläufer und Ketzer zwei wohlbekannte Rollen in solchen Gemeinschaften. Entsprechend gelingt es Family Dinner auch, die Unerträglichkeit eines solchen Extremums darzustellen. Entscheidend ist aber, diese, zwar in abgeschwächter Konsequenz auftretende, aber grundsätzliche gleiche Systematik in unserer Gesellschaft herauszuarbeiten. Und das gelingt mitunter etwas holprig.

Passenderweise gibt es viele Momente, die ein unnötiges Festhalten an Konventionen, die auch in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind, porträtieren. Zu nennen sind da unter anderem das Konzept Familie und oberflächliche Höflichkeit. Was aber fast schon wie ein Fremdkörper wirkt und somit einiges kaputtmacht, ist das Thema Übergewicht. Immer wieder wird deutlich, dass der Film Übergewicht als Grundlage für oppressives Verhalten darstellen möchte und entsprechend die Verbindung  zum extremeren Geschehen seiner Handlungsebene sucht.  Und das gelingt leider oftmals nicht.

Woran das liegt, ist gar nicht so leicht zu sagen, mitverantwortlich dafür ist aber sicher die quantitative Einarbeitung des Themas Übergewicht. Denn das geschieht oft so beiläufig, dass sich andere Aspekte in den Vordergrund drängen. Zwar ist das Thema häufig der Elefant im Raum, aber es wirkt so, als würden die Figuren daran vorbeireden und ihre Probleme miteinander auf anderen Ebenen haben. Zu oft wirkt das Thema wie ein Fremdkörper, das lediglich als MacGuffin dient und zwischendurch immer wieder fallen gelassen wird. Ein Grund für dieses Überstrahlen ist vermutlich auch, dass viel zu früh klar ist, worauf der ganze Plot hinausläuft und das stets im Hinterkopf bleibt.

Zu vorhersehbarer Plot

Und das ist das größte Problem des ganzen Films. Zwar schafft es Family Dinner sehr gut, seine Spannung in einzelnen Szenen zu halten, aber darüber hinaus gelingt das eben überhaupt nicht. Zu dünn und vorhersehbar ist schlechtweg der Plot. Und damit macht man sich eben wesentliche Elemente zur Darstellung der Themen kaputt, lindert aber genauso den simplen Unterhaltungswert.

Denn ja, Slowburn kann sehr toll sein und gelingt hier wie erwähnt innerszenisch auch sehr gut, nur sind den wirklich starken Momenten eben auch die entgegengesetzt, die träge und schal anmuten und denen eine gewisse Entwicklung fehlt.

Credits

OT: „Family Dinner“
Land: Österreich
Jahr: 2022
Regie: Peter Hengl
Drehbuch: Peter Hengl
Musik: Peter Kutin
Kamera: Gabriel Krajanek
Besetzung: Pia Hierzegger, Nina Katlein, Michael Pink, Alexander Sladek

Trailer

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Family Dinner
fazit
„Family Dinner“ zeichnet sich durch gute Ideen und eine sehr gelungene Inszenierung aus, die für eine tolle Atmosphäre und einige wirklich gelungene Momente sorgt. Allerdings ist der Plot sehr dünn und zu vorhersehbar, sodass sich nicht nur die Spannung oft nur von Szene zu Szene trägt, sondern auch die angesprochenen Themen des Films darunter leiden.
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