Ghost World Comic

Ghost World

Inhalt / Kritik

Ghost World ComicNach außen hin erscheinen Enid Coleslaw und ihre beste Freundin Rebecca Doppelmeyer wie ganz normale Teenager, doch eigentlich wollen die beiden jungen Mädchen alles andere als normal sein. Mit ihrem High-School-Abschluss in der Tasche sollten die beiden sich eigentlich, wie viele ihrer ehemaligen Mitschüler, um einen Job oder einen Studienplatz bemühen. Doch so richtig aufraffen können sie sich nicht und vertreiben sich die Zeit, indem sie um die Häuser ziehen, in diversen Fast-Food-Restaurants abhängen oder über andere Leute lästern. Vor allem Enid ist mit allem unzufrieden, angefangen bei ihrem Äußeren bis hin zu den Jungs, die für sie wie auch Rebecca entweder Idioten sind oder einfach nur eklig. Am meisten jedoch hasst sie sich selbst und wünscht sich, sie könnte ihrem Leben entkommen, irgendwo ganz neu anfangen und zu jemandem werden, der völlig anders ist als sie jetzt.

Stattdessen verbringt sie ihre Tage damit, Leute zu beobachten, beispielsweise das merkwürdige, ganz in Schwarz gekleidete Pärchen, von denen sie denkt, es handle sich um Satanisten. Dann ist da noch Bob Skeetes, eine Zufallsbekanntschaft Enids, der irgendwie ziellos durch die Straßen der Stadt streift und eine Leidenschaft für Astrologie hat. Sein Angebot, ihr die Zukunft zu lesen, wird von Enid als ein Versuch gewertet, sie anzumachen, ähnlich wie zunächst auch bei Josh, einem ehemaligen Klassenkameraden Enids und Beckys, der ihre diversen Eskapaden mitmacht und die auf ihren Erkundungstouren in der Stadt begleitet. Vielleicht könnte sich hier eine Beziehung anbahnen, doch eigentlich will Enid auch dies einfach nicht.

Eine Welt der Geister

Das zunächst als eine Serie verschiedener Episoden publizierte Werk Ghost World des US-Amerikaners Daniel Clowes avancierte schnell zu einem großen kritischen wie auch kommerziellen Erfolg, welcher sich nochmals verfestigte durch die Filmadaption unter der Regie Terry Zwigoff, mit dem Clowes gemeinsam das Drehbuch verfasste. Auch heute noch zählt Ghost World neben Werken wie Charles Burns’ Black Hole im Genre Graphic Novel zu den wohl authentischsten Porträts von Heranwachsenden und ihren Problemen. Von Sexualität bis hin zu Orientierungslosigkeit und Freundschaft behandelt Clowes eine Vielzahl unterschiedlicher Themen und zeichnet nebenher auch ein teils ironisches, teils sehr ernüchterndes Bild von der spirituellen Leere der Moderne.

Neben den lockeren, teils sehr zynischen Wortgefechten der beiden Hauptfiguren gibt es ein weiteres verbindendes Element zwischen den einzelnen Episoden der Geschichte. In der Stadt, in welcher die Handlung spielt, geht ein Sprayer um, der auf Hauswände Parkbänke den kryptischen Schriftzug „Ghost World“ sprüht und zu einer geheimen Faszination vor allem für Enid wird. Vielleicht hat der Urheber dieser Phrase eine Art Schlüssel zum Verständnis dieser Welt, durch die sowohl Enid wie auch Becky mit einer ironischen Distanz wandern, ähnlich einem Paar Abenteurer durch eine Geisterstadt. Doch vielleicht sind sie auch jene Geister, die nicht oder nur am Rande wahrgenommen werden und deren Einfluss auf diese Welt letztlich vergänglich bleibt. Jene Suche nach Bedeutung und einem tieferen Sinn, der über die Routine des Geldverdienens und Kinderkriegens hinausgeht, steht im Mittelpunkt des Interesses der beiden jungen Frauen, für die das Etikett „normal“ ein zweischneidiges Schwert geworden ist, ein Mittel zur Etablierung von Distanz und gleichermaßen ein Konzept, welches es im eigenen Leben zu vermeiden gilt.

Ziellos durch die Stadt

Diese Suche hat ihre kleinen Höhepunkte, wie der Gang in einen Sexladen oder das Entdecken eines Diners im Stil der 1950er Jahre, doch das Gefühl der Sensation bleibt nicht lange. Die darauf folgende Ernüchterung scheint sich im Stil der Graphic Novel wiederzufinden, durch welchen Clowes die Ruhelosigkeit seiner Figuren aber auch die Tristesse ihrer Welt, definiert durch Shopping-Malls und Diners, darzustellen scheint. Keiner dieser Orte, noch nicht einmal das eigene Zuhause mit seiner Geschichte, scheint die beiden jungen Frauen lange zu halten, alles ist irgendwie temporär und geistlos, eine Art Relikt einer Zeit, die keine eigene Identität hat, aber sich zwanghaft um eine bemüht.

Trotz aller Widersprüche und ihrer bisweilen boshaften Art zeigt Clowes ein hohes Maß an Anteilnahme für seine beiden Hauptfiguren, ihre Orientierungslosigkeit, ihr Hadern mit sich selbst und ihren Fehlern. Enid und Becky haben wenig gemein mit jenen Hochglanz-Teenies, die man in selbsternannten Komödien wie The Kissing Booth oder der American Pie-Reihe sieht, was vor allem daran liegt, dass Clowes sie und ihre Probleme ernst nimmt und die nicht zur Pointe eines leidlich lustigen Witzes degradiert.

Credits

OT: „Ghost World“
Land: USA
Jahr: 1997
Texte: Daniel Clowes
Zeichnung: Daniel Clowes

Bilder

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„Ghost World“ ist eine sehr authentische Geschichte über das Erwachsenenwerden, das Suchen nach einem Ziel im Leben und einer Identität. Nach so vielen Jahren, in denen es Daniel Clowes‘ Graphic Novel nun schon gibt, zeigt eine erneute Lektüre nochmals sehr deutlich, wie wenig vor allem die Mainstreammedien sich mit der Welt Jugendlicher befassen und sich lieber in Klischees verlieren, anstatt diese einfach ernst zu nehmen.
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