Citadel

Citadel

Inhalt / Kritik

Gegen Ende März 2021 hat sich in vielen Teilen der Welt eine Lockdown-Müdigkeit eingeschlichen sowie eine gewisse Aufbruchsstimmung, begleitet von Impfkampagnen und einer Rückkehr zu so etwas wie einem öffentlichen Leben mit all den Freiheiten, die dieses definieren. Schnell wollen wir uns nicht nur von der Geißel eines Virus lossagen, welches unser Leben über einen langen Zeitraum bestimmt hat und dies auch weiterhin noch tut, es geht auch um eine Abkehr von den Bildern, welche diesen Lockdown und die Zeit der Pandemie begleitet haben. Bereits Filmemacher wie Peiman Zekavat widmeten sich in Kurzfilmen wie E14 den Auswirkungen der Pandemie auf die Öffentlichkeit und das Private, zeigten die Tristesse einer Metropole, in diesem Falle London, welche durch den Lockdown im Frühjahr 2020 komplett zum Stillstand kam. Jedoch stellt sich die Frage, ob ein Vergessen dieser Bilder oder überhaupt dieser Tage denn wirklich sinnvoll erscheint, denn zu einer wirklichen Überwindung gehört auch eine Aufarbeitung, und diese beginnt gerade erst oder befindet sich in der Vorbereitung.

In diesem Kontext sind auch die Arbeiten des britischen Künstlers und Filmemachers John Smith zu verstehen. Mit der Unterstützung des Festivals steirischer herbst, welches in seiner Ausgabe des Jahres 2020 auf die „Ängste und Unsicherheiten der modernen Welt“, wie es auf dessen Homepage heißt, reagierte, konnte Smith eine Art filmisches Triptychon über die Pandemie in seiner Heimat realisieren. Neben Twice und Magic 2020 ist der seit Anfang März auf MUBI verfügbare Kurzfilm Citadel Teil dieses Projektes, welches seinem Zuschauer nicht nur die Realität des Lockdowns vor Augen führen will, sondern sich künstlerisch mit Themen wie Stillstand, der modernen Metropole und dem Privaten befasst. Smith gelingt ein faszinierender und teil verstörender Rückblick aber auch eine Art von Ausblick auf das, was nach der Pandemie kommen mag und welche Spuren sie hinterlassen hat.

Ein Blick auf zwei Städte

Wie schon Peiman Zekavat ist es die Sicht vom Fenster auf die Stadt, die Nachbarn wie auch die Skyline Londons, welche maßgeblich den Film bestimmt. Neben den Geschichten, welche sich möglicherweise hinter den Jalousien oder den verschlossenen Rollladen abspielen, scheint es Smith aber weniger um das voyeuristische Element zu gehen, sondern um den bereits erwähnten Ausblick auf die zwei Versionen der Metropole, welche Citadel einfängt. Während die Skyline mit ihren teils touristisch bekannten Merkmalen wie The Shard oder The Gherkin für das moderne London steht, welches wirtschaftlich wie politisch nach vorne blickt, wendet sich der Blick dann auch den privaten Haushalten zu, die sich mit den Realitäten von social distancing und Home Office arrangieren müssen und sich so etwas wie einen neuen Alltag aufbauen.

Unterlegt wird dies von diversen Ansprachen des britischen Premierministers Boris Johnson anlässlich des Anfang 2020 vollzogenen Brexits und der Pandemie, welche immer mehr zu einer echten Bedrohung wird und politisches Handeln fordert. Diese Veränderung der Sichtweise auf COVID-19 und dessen Folgen vollzieht sich im Ton der Reden, welche Smith verfremdet und mittels diverser Techniken auf die Skyline der Stadt projiziert. Wie ein Echo hallen die Worte Johnsons von den Glaswänden der Wolkenkratzer wieder, wie auch von den Fenstern der Häuser, gleichen einer Symphonie, die den Zuschauer verstört und befremdet.

Letztlich bleibt die Frage, wie nun umzugehen ist mit diesen Bildern und den Echos der Stadt, den Redefragmenten wie auch den anderen Geräuschen der Stadt, von den Vögeln bis hin zu den unheilvollen Sirenen. Smith formuliert keine Antwort, sondern eine Frage, welche in Momenten der Verstörung und Verfremdung kulminiert, die, ähnlich wie die Echos in diesem Kurzfilm, wahrscheinlich noch lange nachhallen werden beim Betrachter.

Credits

OT: „Citadel“
Land: UK
Jahr: 2020
Regie: John Smith
Kamera: John Smith

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„Citadel“ ist eine verstörender, faszinierender Kurzfilm über die Realität des Lockdowns, aber auch über das, was vielleicht danach kommt. Regisseur John Smith verfremdet Bilder wie Geräusche, verzerrt und projiziert, was eine Atmosphäre der Unruhe und der Unbestimmtheit einfängt, die es nicht erlaubt, wieder zu einer Routine zurückzukehren, sondern die Wichtigkeit einer Verarbeitung der Bilder und der Erfahrungen der letzten Jahre betont.