Small Planets
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Small Planets

Kritik

Small Planets
„Small Planets“ // Deutschland-Start: 9. Januar 2020 (Kino)

Die ganze Welt rückt zusammen. Ob wir nun in Mexiko tauchen, uns durch vietnamesische Dschungel schlagen oder in Afrika wilde Tiere sehen, so richtig weg sind wir nie, denn dafür ist alles inzwischen viel zu stark vernetzt. Wir nehmen auch in die Fremde immer so viel Heimat mit, dass man manchmal nicht mehr sagen kann, wo das eine anfängt, das andere aufhört. Das ist manchmal schön, natürlich auch gemütlich. Es weckt jedoch hin und wieder die Sehnsucht, tatsächlich einmal von allem abgeschottet zu sein, nichts mehr mit dieser Außenwelt zu tun zu haben, die uns auf Schritt und Tritt verfolgt. Die gute alte einsame Insel zum Beispiel. Aber gibt es die überhaupt noch? Hat die Welt noch Plätze zu bieten, die nicht Teil einer Globalisierung geworden sind?

Bilder (nicht) von dieser Welt
Dirk Manthey hat sogar vier Plätze gefunden. Die sind sich teils sehr ähnlich, teils völlig unterschiedlich, mal wörtlich gemeint, mal auch nur im übertragenen Sinne. Wie er sie gefunden hat, das verrät er in Small Planets nicht. Allgemein hat der Regisseur kein großes Bedürfnis danach, das Publikum aufklären zu wollen wenigstens Kontexte zu liefern. Teilweise kann man zwar durchaus erschließen, wo wir uns gerade befinden und worum es dort geht. Teilweise müssen wir uns aber auch in Geduld üben, wenn die fehlenden Informationen erst später nachgeschoben werden, mitunter erst kurz vor dem Abspann. Stattdessen verlässt sich der Filmemacher, der als Dozent für Visuelle Anthropologie an der Universität Münster lehrt, allein auf die Kraft seiner Bilder.

Rein visuell ist Small Planets auch ein absoluter Hochgenuss. Die eisigen Landschaften der isländischen Fischerinsel Grimsey und von Ny-Ålesund, eine abgelegene Polarforscher-Siedlung zum Beispiel. An der Stelle erinnert das Werk an die zahlreichen Reisefilme, die in den letzten Jahren in unseren Kinos liefen. Manthey genießt es, die Natur in ihrer Schönheit einzufangen, rau, feindlich und doch auch anziehend. Oft sind es die Elemente, die in den Mittelpunkt rücken, während die Menschen geradezu winzig wirken. Wie ein Beiprodukt, das hier eigentlich nichts zu suchen hat, aber auch zu unwichtig ist, als dass sich jemand drum scheren würde.

Der Mensch als Mauer
Bei den beiden anderen Ausflugsorten sind es hingegen die Menschen und ihre Kulturen, für die sich Manthey interessiert. Waren die frostigen Schauplätze aufgrund natürlicher Begebenheiten kaum erreichbar, sind es nun mehr bewusste Entscheidungen, die zur Abschottung geführt haben. Der eine Ort ist eine ehemalige Lepra-Station in Spanien, abgelegen in einer hügeligen Landschaft gelegen, deren Patienten und Patientinnen durch hohe Mauern vom Rest der Menschheit getrennt werden sollten. Der andere Ort ist inmitten einer Großstadt, genauer Neapel. Dort haben Auswanderer aus Sri Lanka ein eigenes Viertel gegründet, das rein geografisch nah dran ist am Leben der Italiener, damit aber nichts zu tun haben will.

Die Art und Weise, wie die Auswanderer den fremden Ort zu einem Abbild ihrer Heimat umwandeln, die ist beachtlich, gleichzeitig aber auch irgendwie traurig. Small Planets zeigt auf, dass Globalisierung und Isolierung keine Widersprüche sein müssen. Dass Mauern nicht zwangsweise eine physische Form haben müssen. Ob sein Film nun eine Aufforderung ist, diese Mauern einzureißen, das lässt Manthey offen. Das Werk des Regisseurs ist vielmehr impressionistische Alltagsbeobachtung, deren Bedeutungen man selbst festlegen muss. Man wird nicht zwangsweise schlauer, wenn man sich das anschaut. Für viele wird es wohl sogar Zeitverschwendung sein, wenn die anderthalb Stunden nur wenig Greifbares bieten. Aber es liegt eben doch ein eigener Zauber auf diesen Planeten, die im Orbit der Menschen kreisen und so weit entfernt scheinen, dass niemand mehr einen Fuß auf sie setzt.

Credits

OT: „Small Planets“
Land: Deutschland
Jahr: 2018
Regie: Dirk Manthey
Kamera: Sebastian Bock

Bilder

Trailer



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„Small Planets“ zeigt vier Orte, an denen die Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen abgeschottet leben. Der Film spart sich Erklärungen oder Kontexte, zeigt stattdessen Impressionen eines fremden Alltags, deren Bedeutung man selbst festlegen muss. Das kann wunderschön sein oder schrecklich langweilig, eine bereichernde Erfahrung oder irgendwie nichtssagend.