Die verlorene Tochter
© ZDF/Alexander Fischerkoesen

Die verlorene Tochter

Kritik

Die verlorene Tochter
„Die verlorene Tochter“ // Deutschland-Start: 27. Januar 2020 (TV) // 14. Februar 2020 (DVD)

Natürlich glaubt niemand Peter Wolff (Götz Schubert), als der behauptet, Isa von Gems (Henriette Confurius) gesehen zu haben. Denn die ist vor zehn Jahren spurlos verschwunden, Wolff hatte sich damals so sehr in den Fall hineingesteigert, bis er seinen Job als Polizist los war. Doch trotz der anfänglichen Skepsis, die junge Frau, die da auf einmal auftaucht, scheint tatsächlich die Vermisste zu sein, auch wenn sie sich an nichts erinnern kann. Während ihre Mutter Sigrid (Claudia Michelsen) überglücklich ist, ihre Tochter wieder zu haben, ist ihr Vater Heinrich (Christian Berkel) eher skeptisch. Und auch beim Rest der Bevölkerung mischt sich Freude und Erleichterung mit Sorge und Ablehnung, schließlich war endlich wieder Frieden eingekehrt. Doch was ist damals wirklich geschehen? Und ist Isas Gedächtnisverlust echt oder nur vorgetäuscht?

Den Montagabend hält sich das ZDF gerne frei für mal lizensierte, oft auch selbst produzierte Krimis. Zur Not tut es aber auch ein Drama, Hauptsache es geht da irgendwie düster zu und man bekommt allerlei Abgründe zu sehen. Das gilt auch für Die verlorene Tochter. Von den ersten Schritten an, die wir in Lotheim setzen, ist klar, dass das kein besonders schöner Ort ist. Dass die Leute dort auch nicht besonders nett sind. Wobei wir nicht allzu viele Einwohner und Einwohnerinnen zu Gesicht bekommen, der Fokus liegt schon sehr stark auf den beiden Familien von Gems und Wolff, der Rest ist nur ein bisschen Beiwerk, damit das nicht zu sehr auffällt.

Auf Schritt und Tritt ein Abgrund
Genug zu erzählen hat Serienschöpfer und Drehbuchautor Christian Jeltsch auch so. Alltag? Den gibt es in Lotheim nicht, dafür eine Mischung aus Ekel, Wut und purer Langeweile, weswegen die Jugend davon träumt, sich einfach aus dem Staub zu machen. Da mutet es schon ein wenig ironisch, wenn nicht gar spöttisch an, wenn alle sechs Folgen mit jener Party vor zehn Jahren beginnen, wo das Unglück seinen Lauf nahm. Noch wird getanzt, gefeiert und getrunken, danach herrscht Katzenjammer und Verwirrung. Keiner kann sich erklären, was damals wirklich mit Isa passiert ist. Und doch wissen sie alle mehr, als sie zugeben, Geheimnisse trägt jeder in Die verlorene Tochter mit sich herum, die einen größer, die anderen kleiner.

Das ist für ein Publikum mit einer Vorliebe für ein bisschen Mystery natürlich ein gefundenes Fressen. Regisseur Kai Wessel gelingt es ganz gut, die Zuschauer und Zuschauerinnen auf die Folter zu spannen in ihrer Neugierde, was denn nun wirklich alles passiert ist. Hinweise verteilt er nur zögerlich, es sollen alle möglichst lange im Dunkeln waten, bis erst ganz zum Schluss das rettende Licht aufkommt. Aber lohnt sich die Warterei? Zum Teil. Die Schlusspointe kommt schon recht überraschend, Die verlorene Tochter spielt da geschickt mit den Erwartungen, die vorher geweckt werden.

Die übliche Kleinstadthölle
Andere Punkte sind hingegen Standard. Das Szenario rund um den Gedächtnisschwund ist sehr klassisches Material, die Serie findet auch keinen Kniff, um das Szenario auf nennenswerte Weise abzuwandeln. Bei der Familie von Gems treffen sich ohnehin so viele Klischees, dass man insgeheim hofft, auch das wäre alles eine Lüge. Ist aber nicht. Die verlorene Tochter hakt hier und anderen Stellen so viele Pflichtpunkte ab, dass man zwischenzeitlich vergisst, was genau man sich überhaupt anschaut. Da wäre mehr Mut, mehr Ecken und Kanten, mehr Persönlichkeit schon ganz nett gewesen. Dafür neigt die Serie an anderen Stellen zu Übertreibungen, die in einer Seifenoper ein alternatives Zuhause finden könnten.

Wenn es um Kleinstadtgeheimnisse und undurchsichtige Verbrechen geht, da haben andere Kollegen, beispielsweise Broadchurch und Fortitude, doch noch mehr geboten. Für sich genommen ist die deutsche Produktion aber durchaus kurzweilig und atmosphärisch, zudem passend besetzt – im Rahmen der besagten Klischees. Vor allem Henriette Confurius, die letztes Jahr schon im Geheimtipp Golden Twenties zu sehen war, ist ein Lichtblick im Provinzdunkel. Wer also auf der Suche nach neuem Krimistoff ist, der wird hier nicht schlecht bedient, trotz der inhaltlichen Schwächen kommt keine große Langeweile auf.

Credits

OT: „Die verlorene Tochter“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Kai Wessel
Drehbuch: Christian Jeltsch
Idee: Christian Jeltsch
Musik: Martin Todsharow
Kamera: Alexander Fischerkoesen
Besetzung: Henriette Confurius, Götz Schubert, Christian Berkel, Claudia Michelsen, Rick Okon, Hildegard Schmahl, Max von der Groeben, Nina Gummich

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„Die verlorene Tochter“ erzählt von einer jungen Frau, die zehn Jahre nach dem Verschwinden plötzlich wieder da ist – und sich an nichts erinnern kann. Die deutsche Serie richtet sich an ein Publikum mit Vorliebe für menschliche Abgründe und dunkle Geheimnisse, von beidem gibt es hier mehr als genug. Das hält einen gut bei Laune, selbst wenn die Geschichte mal zu wenig, mal zu viel macht.
6
von 10