Das Mädchen ohne Hände Une jeune fille sans mains the girl without hands

Das Mädchen ohne Hände

Das Mädchen ohne Hände Une jeune fille sans mains the girl without hands
„Das Mädchen ohne Hände“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Der Sommer ist hart für den Müller und seine Familie: Durch die große Trockenheit führt der Fluss kaum noch Wasser, weshalb die Mühle nicht mehr betrieben werden kann. Da erscheint wie aus dem Nichts der Teufel und schlägt dem Müller einen Handel vor. Wenn er ihm das gibt, was hinter seiner Mühle ist, dann soll er Unmengen von Gold erhalten. Der Müller lässt sich auf diesen Vorschlag ein, nichtsahnend, dass der Teufel damit nicht den Apfelbaum meinte, sondern die Tochter des Müllers. Als er nun kommt, um seinen versprochenen Besitz einzufordern, stellt sich heraus, dass die Tochter zu rein ist und deswegen nicht mitgenommen werden kann. Aber so leicht lässt sich der Teufel nicht abschütteln und zwingt den Vater zu einer unmenschlichen Tat …

Die heutige Vorstellung von Märchen ist stark von den Interpretationen Disneys geprägt. Da gibt es fröhliche Lieder, lustige tierische Sidekicks und am Ende geht alles gut aus. Dass Märchen früher sehr viel ambivalenter waren, düsterer, regelrecht grausam, das ist dabei etwas in Vergessenheit geraten. Vieles was früher noch Kindern vorgelesen wurde, würde heute zu einem lauten Aufschrei führen. Dann und wann erinnern uns Filmemacher aber an das, was einmal Teil unseres kulturellen Erbes war, erzählen finstere Geschichten. Eine solche ist Das Mädchen ohne Hände, ein Animationsfilm, der lose auf einem der Grimm’schen Märchen basiert.

Die Grausamkeit des Lebens
So ist der Titel hier nicht metaphorisch, sondern durchaus wortwörtlich zu verstehen: In einer frühen Szene hackt der Müller seiner Tochter die Hände ab, um so das Versprechen gegenüber dem Teufel zu erfüllen. Und dieser Wendepunkt ist nicht der einzige Moment, an dem Das Mädchen ohne Hände dem Publikum einiges zumutet. Der Teufel ist sich für keinen Trick zu schade, um an seine Beute zu kommen. An manchen Stellen scheint es so, dass jeder gute Mensch dazu auserkoren ist zu leiden, bestraft zu werden, misshandelt. Selbst wenn die Tochter Leuten begegnet, die ihr helfen wollen, die Atmosphäre bleibt düster.

Sie ist auch sehr surreal, woran die Bilder einen großen Anteil haben. Viele Jahre arbeitete Regisseur und Drehbuchautor Sébastien Laudenbach allein an dem Werk, auch weil es keine Finanzierung hierfür gab. Und so machte er aus der Not eine Tugend und erzählte seine Geschichte mit Tusche und Wasserfarben. Die Figuren sind meistens grob gehalten, die Hintergründe sind oft ohne Details. Teilweise treffen die Kolorierungen der Figuren nicht die Umrisse oder werden unabhängig von diesen bewegt, so als würde jemand sich in zwei Hälften teilen. Das klingt dilettantisch und ist doch ein faszinierender Anblick, der sich konsequent üblichen Optiken im Bereich der Animation entzieht. Das Mädchen ohne Hände, das ist eine ganz eigene Welt.

In einem Trip davongetragen
Die ungewöhnliche visuelle Gestaltung passt auch sehr gut zu dem Inhalt, der oft von einer traumhaften Art ist. Da verwandelt sich das Wasser schon mal in eine Frau, Orte werden nie ganz greifbar, man fühlt sich hier wie auf einem konstanten Trip. Auch die zeitliche Einordnung ist schwierig, nur selten gewährt einem Das Mädchen ohne Hände etwas, woran man sich festhalten kann. Wäre da beispielsweise nicht das Kind, welches die Protagonistin später einmal gebären wird, man wüsste kaum, dass innerhalb der Geschichte Jahre vergehen.

All das macht die französische Produktion zu einer besonderen Angelegenheit, die sicher nicht jedem gefallen wird. Wer sich Filme in erster Linie der Handlung wegen anschaut, der könnte hiermit beispielsweise so seine liebe Not haben. Auch die Figuren sind, wie üblich in Märchen, nur schematisch – bis zum Schluss wird niemand hier einen Namen erhalten. Ganz ohne Inhalt ist Das Mädchen ohne Hände deswegen natürlich nicht, unter anderem wird die Objektivierung von Frauen offen gezeigt. Der Film hat sogar eine romantische Note, wenn die Titelfigur trotz ihrer Verstümmelungen dem wohlhabenden Prinzen gefällt. Sehenswert ist er dann aber doch vor allem als optisches Kunstwerk, betörend und verstörend, das man als Animationsfan einmal gesehen haben sollte.



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„Das Mädchen ohne Hände“ erzählt von der Tochter eines Müllers, die aus Gründen der Habgier verstümmelt wird. Die auf einem alten Märchen basierende Geschichte ist für heutige Verhältnisse ungewohnt brutal, teils auch verstörend, ist aber vor allem der ungewöhnlichen Bilder sehenswert – ein surrealer, fragmentarischer Trip ohnegleichen.
7
von 10