Fuenf Dinge die ich nicht verstehe

Fünf Dinge, die ich nicht verstehe

„Fünf Dinge, die ich nicht verstehe“ // Deutschland-Start: 7. November 2019 (Kino)

Am Rande des Ruhrgebietes, inmitten ländlicher Idylle, sucht Johannes (Jerome Hirthammer) auf dem Hof seines Vaters (Peter Lohmeyer) nach Abenteuern und Anerkennung. Täglich pendelt er zwischen Bauernhof und Stadt, zwischen Tradition und Gegenwart. Richtige Begeisterung kann er aber weder für die Schule, noch für den Jagdschein aufbringen. Stattdessen versucht er seine beste Freundin Marike (Michelle Tiemann) von seiner Liebe zu überzeugen. Als das jedoch nicht richtig gelingen mag, weiß Johannes gar nicht mehr, wo er hingehört. Sein Vater ist nach der Trennung von der Mutter zusehends überfordert, sein Bruder (Henning Flüsloh) sieht ihn auch als Versager und seine Mitschüler machen sich ebenso bei jeder Gelegenheit über ihn lustig. Für Johannes ist es jetzt an der Zeit, sich selbst und seine Wünsche zu erkennen. Doch das ist alles andere als einfach.

Alles ist gut. Das sagen die Deutschen irgendwie alle. Zumindest meint das der Flüchtling, dem Johannes in der Unterkunft begegnet. Und wie es scheint hat er damit nicht ganz unrecht. Das Erstlingswerk des Regiestudenten Henning Beckhoff befasst sich nämlich unter anderem genau damit. Unter dem Deckmantel des idyllischen erscheinenden Ennepetal im Ruhrgebiet und der Banalisierung von Ereignissen brodeln so einige Konflikte, die sein junger Hauptdarsteller versucht zu verstehen. Häufig kommentiert dieser sein Leben aus dem Hintergrund und erscheint dann in den übrigen Szenen eher wortkarg und damit ziemlich verloren.

Hilflos und unnahbar
Einerseits gelingt es Beckhoff damit sehr gut die innere Hilflosigkeit von Johannes dazustellen, andererseits erzeugt er kontinuierlich eine unangenehme, unbehagliche Stimmung, wenn er mit den weiten Landschaftsaufnahmen arbeitet und sie in den Kontrast zu dem alltäglichen Stadtleben stellt. Sehr wahrscheinlich dabei ist jedoch, dass diese unkonventionelle Dramaturgie und die damit einhergehende Atmosphäre nicht bei jedem Zuschauer gleichermaßen geschätzt werden wird. Zwar trifft es die beschrieben Situation, in der sich jeder hinter einem „Alles ist Gut“ verstecken kann ziemlich gut, schlussendlich lenkt es aber zu sehr von der eigentlichen Thematik des Erwachsenwerdens und der Suche der eigenen Identität von Johannes ab.

Es wäre schön gewesen, hätte man hier der Hauptfigur noch mehr Zeit eingeräumt sich zu entwickeln. Ihm wirklich die Möglichkeit gegeben, an Fehlschlägen zu wachsen, Konsequenzen zu tragen oder zu erkennen was ihm wirklich wichtig ist. Oft erscheinen die Titel gebenden fünf Dinge, die ihn beschäftigen, zu oberflächlich und nicht im vollen Potenzial ausgeschöpft. Johannes bleibt so oftmals emotional für den Zuschauer einfach zu unnahbar. Man verfolgt dessen Geschichte, versteht was den jungen Mann beschäftigt, aber als er am Ende seinen Entschluss präsentiert, ist das weder überraschend, noch dramaturgisch tatsächlich befriedigend. Mit knapp 70 Minuten Laufzeit lässt der Film insgesamt einfach zu wenig Spielraum für eigene Interpretationen oder Fragen.

Großes Versprechen mit holprigem Start
Dass Beckhoff selbst aus dem kleinen Ort  Ennepetal stammt, erweist sich aber in sofern von Vorteil, als dass er dem Film eine angenehme authentische Note zu verleihen vermag. Hierfür entschied er sich auch mit Laiendarstellern zu arbeiten, die den Schauspielern wiederum in nichts nachstehen und sogar für ein ausgeglichenes Darstellerensemble sorgen. Mit Peter Lohmeyer (Was uns nicht umbringt) konnte Beckhoff einen größeren Namen für seinen Film gewinnen. Und das sogar ganz ohne Gage. Lohmeyer ist es nach eigenen Aussagen hier wichtiger junge Talente zu fördern und selbst neue Erfahrungen für seine Arbeit zu sammeln.

Premiere feierte Fünf Dinge, die ich nicht verstehe bereits 2018 auf den Internationalen Hofer Filmtagen, bei denen er den Preis für das Beste Szenenbild und da beste Kostüm für sich verzeichnen konnte. Und auch auf dem diesjährigen Achtung Berlin Filmfestival durfte der Film sich über eine Auszeichnung freuen. Denn hier gewann er den Preis für die beste Produktion. Insofern darf man durchaus gespannt sein,wie sich die filmische Karriere von Henning Beckhoff in Zukunft gestaltet. Zunächst aber wird er seine geplante Trilogie abschließen, bei der Fünf Dinge, die ich nicht verstehe ein Teil von sein wird.



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Als Kleinstadtporträt absolut gelungen, als Coming-of-Age-Drama fehlt es dem Film jedoch an emotional zugänglichen Figuren und Konfliktsituationen, die einen als Zuschauer richtig mitnehmen. Gestaltungstechnisch arbeitet der Regisseur mit seinem Team allerdings auf hohem Niveau und macht zumindest damit Lust auf mehr.
6
von 10