Granny Project

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Granny Project
„Granny Project“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Sie sind immer irgendwie da, sind für uns da. Bis sie es nicht mehr sind. Für die meisten Menschen sind Großeltern selbstverständlich, stecken uns Schokolade zu, haben mal weise, mal wirre Worte für uns, wenn wir mal wieder im Krieg mit unseren Eltern sind. Doch selten lernen wir sie wirklich kennen. Lernen, wie sie selbst als junge Menschen durch die Welt stolperten, mit ihren eigenen Träumen und Hoffnungen. Erfahrungen machten, die sie prägten, die mal unseren eigenen gleichen, mal komplett unterschiedlich sind.

Drei dieser wandelnden Erinnerungen und Schatzkisten kommen in Granny Project zu Wort. Genauer entschlossen sich hier drei junge Männer – Bálint Révész, Meredith Colchester und Ruben Woodin Dechamps – ihre Großmütter zu ihrer Jugendzeit zu befragen. Das hört sich nett an, ein bisschen nach Kaffee und Kuchen. Aber eben auch etwas belanglos. Etwas, das man vielleicht nicht unbedingt mit der ganzen Welt da draußen teilen muss. Und doch hat der Dokumentarfilm jede Menge zu erzählen, ist sowohl als persönliches Zeugnis spannend wie auch als allgemeine Überlegung zur Erinnerungskultur.

Verschiedene Facetten einer gemeinsamen Zeit
Der Kniff: Granny Project versammelt drei Frauen, die den Schrecken des Holocausts und des Zweiten Weltkrieges selbst erlebt haben, jeweils auf ihre Weise. Die Britin Zan arbeitete während dieser Zeit als Spionin. Die Ungarin Lívia überlebte die Verfolgung durch die Nazis. Und dann wäre da noch die Deutsche Gudrun, die mit ihrer eigenen Vergangenheit hadert. Auch wenn die drei nur kleine Rollen spielten damals, so stehen sie doch stellvertretend für die Täter, die Opfer und die Widerstandskämpfer, die unsere Welt nicht der neuen deutschen Ordnung überlassen wollten.

Dabei ist diese Zuweisung eben doch nicht so eindeutig, wie man vermuten könnte. Ausgerechnet die Britin schwärmte einst selbst für Hitler. Die Deutsche wiederum mag sich kaum an damals zurückerinnern. Granny Project erinnert daran, dass das Kollektive und das Individuelle einerseits miteinander verbunden sind, dabei aber durchaus im Widerspruch stehen können. Jede Geschichte ist zu einzigartig, um sie verallgemeinern zu wollen. Und sie ist es wert, gehört zu werden. Der Film ist nicht nur ein Plädoyer dafür, die Geschichten dieser Zeit zu sammeln und zu bewahren. Er ist allgemein ein Plädoyer für eine langsam untergehende Erinnerungskultur und einen Austausch zwischen Generationen.

Drei Individuen im Austausch
So etwas droht natürlich immer, sehr trocken und schwer zu werden, sich in Betroffenheitskitsch zu ertränken. Tut es aber nicht. Der Beitrag vom Mittel Punkt Europa Filmfest 2019 lebt von den sehr unterschiedlichen Protagonistinnen, zwischen verschmitzt und nachdenklich. Er lebt von den Gesprächen zwischen den jungen Enkeln und den betagten Damen, die eine vergangene Zeit wiederaufleben lassen. Er lebt aber auch von der Begegnung der Damen selbst.

Wenn zum Ende hin die drei Handlungsstränge aufeinandertreffen, man tatsächlich bei Kaffee und Kuchen zusammensitzt, dann ist das aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse zwangsweise holprig. Immer wieder müssen Übersetzer aushelfen, damit überhaupt eine Form des Gespräches entsteht. Aber es ist der Höhepunkt eines insgesamt sehenswerten Dokumentarfilms, der mal witzig, mal traurig ist, das Persönliche in den verstaubten Bildern sucht und auch findet. Der auch das Bedürfnis weckt, selbst ein bisschen auf Spurensuche zu gehen und im Rahmen eines eigenen Projektes lange zurückreichende Wurzeln zu entdecken.



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„Granny Project“ hört sich lustig an, ist es teilweise auch. Der Dokumentarfilm über drei junge Männer, die sich mit ihren Großmüttern und deren Leben während des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzen, ist gleichzeitig aber auch ein ernst gemeintes Plädoyer für mehr Austausch und eine gelebte Erinnerungskultur.