Alles isy

Alles Isy

„Alles Isy“ // Deutschland-Start: 5. September 2018 (TV)

Auf einer wilden Hausparty verliert Isy (Milena Tscharntke) nach einem Cocktail aus jeder Menge Alkohol und bunter Pillen das Bewusstsein. Drei Jungs, die mit ihr zur Schule gehen, finden sie ohnmächtig und alleine im Schlafzimmer und nutzen die Situation aus, indem sie das Mädchen vergewaltigen. Darunter ist auch Jonas (Michelangelo Fortuzzi), der eigentlich Isys bester Freund ist, aus Liebeskummer und Gruppenzwang aber trotzdem mitmacht. Am nächsten Tag kann sich Isy an nichts erinnern. Die Tat bleibt scheinbar folgenlos, doch bald reißt der Strom aus Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen Kinder wie Eltern mit sich.

Auf einen Schlag erwachsen
Knapp elf Jahre arbeiteten die Co-Autoren und -Regisseure Mark Monheim und Max Eipp am Drehbuch von Alles Isy, bevor der Fernsehfilm, der Anfang September in der ARD laufen wird, in diesem Jahr auf dem 36. Filmfest München in der Reihe „Neues Deutsches Fernsehen“ endlich seine Premiere feierte. Zum Zeitpunkt der ersten Idee waren die Jugendschauspieler, die Isy, Jonas und Co. verkörpern, also noch in der Grundschule. Da kann man fast froh sein, dass der Film erst jetzt umgesetzt werden konnte, denn das Jugendensemble liefert eine absolute Glanzleistung ab. Neben Milena Tscharntke, die die jugendliche Naivität und erschütternde Fassungslosigkeit der traumatisierten Isy authentisch wiedergibt, beeindrucken auch die beiden anderen Hauptdarsteller Michelangelo Fortuzzi und Ludwig Simon, die den von Schuldgefühlen geplagten Jonas und den draufgängerischen Lenny spielen, mit starken Performances.

Die Geschichte wagt sich an ein Tabuthema, das gerade in Zeiten von #MeToo und #TimesUp hochaktuell ist. Der Film wirft einen ungetrübten Blick auf die Umstände und Folgen einer Massenvergewaltigung an einer Teenagerin. Fragen nach Schuld, Mittäterschaft, Gerechtigkeit und Scham spielen die entscheidende Rolle. Dabei gelingt es einerseits, den Akt so nüchtern und unverfälscht darzustellen, dass die Szene umso schockierender wirkt, und andererseits das Nachwirken der komplexen Konsequenzen in eine schlüssige und spannende Narration zu verpacken. Die Dilemmata, in denen die Figuren stecken, sind ethisch komplex und nachvollziehbar. Dabei ist der Moment, das Stadium zwischen Kindheit und Erwachsensein, in dem sich die Jugendlichen befinden und das von einer Sekunde auf die nächste, in einer unbedachten Handlung, umschlägt, besonders stark herausgearbeitet und macht den Film zu einer bitteren Coming of Age-Geschichte.

Schwächen in der Umsetzung
So überzeugend die jugendlichen Schauspieler ihre Figuren verinnerlichen und wiedergeben, so durchwachsen und geradezu mangelhaft ist das Schauspiel im Ensemble der erwachsenen Darsteller. Die Elterngeneration wirkt vor allem neben dem Nachwuchs zum Teil emotionslos und verkrampft. Hinzu kommt, dass manche Dialoge – typisch für das deutsche Fernsehen – so konstruiert sind, dass den Szenen jegliche Natürlichkeit abhanden kommt.

Besonders schade ist der rasche Ausgang des Films. Die Spannung und Ungewissheit werden über knapp 90 Minuten schlüssig und kontinuierlich aufgebaut, um dann letztendlich in einem schwammigen und unentschlossenen Finale zu zerlaufen. Die Konsequenzen des zentralen Ereignisses sind zwar so extrem, wie man es sich erwartet: Familien, wie Freundschaften können der Last der Schuld nicht standhalten. Doch die konkrete Umsetzung in der Handlung der Figuren kommt überraschend und ist schließlich und endlich eine leichter Ausweg – für die Figuren aus dem komplexen Netz aus Verantwortung und Schuld, für die Autoren aus einem ungebändigten Drehbuch.



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"Alles Isy" beginnt mit einem heftigen Vorfall. Dem Film gelingt es, die Konsequenzen, die sich tumorös unter Freunden und Familien verbreiten, komplex und menschlich einzufangen. Teilweise und besonders im Finale fehlt es dem Drama am nötigen Biss. Dennoch ist "Alles Isy" ein gelungener Fernsehfilm, der einen Kinostart verdient hätte.
7
von 10