Yamato California

Yamato (California)

„Yamato (California)“, Japan/USA, 2016
Regie: Daisuke Miyazaki; Drehbuch: Daisuke Miyazaki; Musik: Cherry Brown, Yasuhiro Morinaga
Darsteller: Hanae Kan, Nina Endo, Reiko Kataoka

Yamato CaliforniaZweifel? Nein, die hat Sakura (Hanae Kan) eigentlich nicht. Sie weiß genau, was sie werden will: Rapperin. Das ist ihr Leben, das ist ihre Zukunft. Jetzt müsste es nur der Rest der Welt auch mal einsehen. Da sich dies jedoch etwas schwierig gestaltet, jobbt sie weiterhin in einem Aal-Restaurant und teilt sich eine kleine Wohnung mit ihrer Mutter (Reiko Kataoka) und ihrem Bruder nahe eines Marineflieger-Stützpunkts der USA. Bald werden sie sogar zu viert sein: Rei (Nina Endo), die Tochter eines amerikanischen Soldaten, mit dem ihre Mutter zusammen ist, soll bei ihnen wohnen. Lust hat Sakura darauf nicht. Wider Erwarten ist die Halb-Japanerin aber gar nicht so übel, wie sie vorher dachte.

Kürzlich ging die Nachricht herum, dass Japan nun doch auch eine „richtige“ Armee anstrebt. Mehrere Jahrzehnte lang, genauer seit Ende des Zweiten Weltkriegs, war genau das dem Land verboten. Lediglich eine Verteidigungsarmee ist erlaubt. Die ist zwar beachtlich, aber eben doch in ihren Möglichkeiten beschränkt. Und genau das soll sich ändern. Das mag als Reaktion auf die sich rasant verändernde geopolitische Lage durchgehen oder auch einfach aus dem Wunsch heraus geboren sein, wieder wer zu sein.

Freund oder Feind?
Auch Yamato (California) handelt von diesem schwierigen Thema der japanischen (Un-)Abhängigkeit. Zu sehen ist die Armee hier nicht, auch Reis Vater wird kein einziges Mal auftauchen. Und doch ist die Anwesenheit des großen Bruders und Besatzers stets zu spüren, mindestens zu hören: Immer wieder wird das Geschehen durch ohrenbetäubenden Lärm überdeckt, wenn mal wieder ein unsichtbarer Flieger über die Häuser hinwegdüst. Dem Einfluss der US-Amis zu entkommen ist hier nahezu unmöglich. Schon der Titel macht dies klar, wenn Yamato, die Bezeichnung für das Ur-Japan, mit dem US-Bundesstaat Kalifornien zusammengeführt wird. So wie die Militärbasis amerikanisches Territorium ist, inmitten des japanischen Herzens.

Dieser Widerspruch spiegelt sich wunderbar in der Protagonistin wieder, die einerseits Sakura heißt – der japanische Ausdruck für die Kirschblüte –, andererseits amerikanischen Hip Hop hört. Die voller Wut ist, ihre Unabhängigkeit einfordert und dabei doch an überlieferte Klischees gekettet ist. Der dramatische Höhepunkt des Beitrags vom japanischen Filmfest Nippon Connection 2018 ist dann auch, wenn Rei – als Halb-Amerikanerin, Halb-Japanerin ebenfalls zwischen den Welten gefangen –, ihr vor Augen führt, wie sehr Sakura in einer Traumwelt lebt.

Coming of Age trifft Hip-Hop-Allüren
Regisseur und Drehbuchautor Daisuke Miyazaki erzählt in seinem zweiten Spielfilm dann auch von eben diesem schwierigen Erwachen aus dem Traum. Das ist klassisches Coming-of-Age-Material, die Suche nach sich selbst und einer eigenen Identität, erzählt in einem weniger klassischen Rahmen. Teilweise erinnert das an Patti Cake$ – Queen of Rap, auch dort wurde Selbstfindung mit einem Hip-Hop-Traum verbunden. Nur dass das japanische Pendant zunächst einmal weniger sympathisch ist. Und deutlich weniger talentiert: So sehr Sakura ihre Hip-Hop-Allüren nach außen trägt, so wenig tritt sie tatsächlich auf. Der Traum von der großen Bühne, er traut sich nicht einmal in die Nähe dieser Bühne.

Dafür geht es an anderen Stellen kräftig in Richtung Traum: Miyazaki zeigt gelegentlich eine Vorliebe fürs Surreale, die irgendwie nie so richtig begründet wird. Ebenso unerklärlich sind gelegentliche Sinneswandel, die mitunter aus dem Nichts kommen. Diese Fehltritte bleiben glücklicherweise eher selten, Yamato (California) ist ein sehenswertes, ein ungewöhnliches Drama. Eine individuelle Selbstsuche wird hier mit einer kollektiven verbunden, die Sehnsucht nach Unabhängigkeit mit der nach Anerkennung. Dass da vieles nicht so funktioniert wie erhofft, das ergibt sich von selbst, macht die zunächst so mürrische Jugendliche auf ihre Weise auch liebenswert. Denn dass das Leben manchmal schrecklich kompliziert ist, diese Erfahrung haben wir ja alle irgendwann einmal machen müssen. Und auch dass alle anderen irgendwie so richtig doof sein können.



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Eine junge Japanerin hadert mit der amerikanischen Bevormundung, eifert jedoch gleichzeitig deren Kultur nach. Dieser Widerspruch und die Dopplung von individueller und kollektiver Selbstsuche machen „Yamato (California)“ zu einem ungewöhnlichen Drama. Gleichzeitig sind die Coming-of-Age-Elemente so geläufig, dass man sich auch dann in der Jugendlichen wiederfindet, wenn sie mal wieder alle vergrault.
7
von 10