Violent

Violent

„Violent“, Kanada/Norwegen, 2014
Regie: Andrew Huculiak; Drehbuch: Andrew Huculiak, Josh Huculiak, Joseph Schweers,Cayne McKenzie; Musik: We Are the City
Darsteller: Dagny Backer Johnsen, Mari Sofie Andreassen, Bryn Bowen, Tor Halvor Halvorsen, Yngve Seterås

Violent
„Violent“ ist seit 27.11. als Video on Demand erhältlich

Endlich! Dagny (Dagny Backer Johnsen) freut sich riesig darauf, in die Großstadt zu ziehen. Ihr kleines Zuhause in der norwegischen Provinz hinter sich zu lassen. Ihre beste Freundin Embla (Mari Sofie Andreassen) wiederzusehen. Sie hat auch schon einen Platz zum Übernachten: Sie kann bei Bengt (Tor Halvor Halvorsen) bleiben, den sie schon seit Kindheitstagen kennt. Der hat nicht nur ein kleines Zimmer, in dem sie wohnen kann, sondern gibt ihr auch die Möglichkeit, in seinem Laden zu arbeiten. Bald muss sie jedoch feststellen, dass ihr neues Leben nicht ganz nach Plan verläuft.

Dass Schauspieler, Drehbuchautoren und Kameraleute sich irgendwann berufen fühlen, selbst einmal einen Film zu inszenieren, ja, das kommt immer mal wieder vor. Mit sehr gemischten Ergebnissen. Dass aber eine Musikband sich daran versucht, das ist dann doch etwas ungewöhnlich. Mindestens ebenso ungewöhnlich ist, was Andrew Huculiak – Drummer der kanadischen Progrocker We Are The City – hier abgeliefert hat. Einerseits ist Violent ein Film, so alltäglich wie das Leben, manchmal auch so banal. Und gleichzeitig ist er anders.

Rätselhaft, sphärisch und surreal
Es geht schon ein wenig rätselhaft los, wenn Dagny mit ihrer kleinen Schwester spricht, über Einsamkeit und Zukunft, und anschließend in einen See steigt. Anschließend beginnt der eigentliche Film, wenn sie in die große Stadt zieht. Eine durchgehende Handlung besitzt der nicht. Vielmehr besteht Violent aus mehreren Episoden und Begegnungen Dagnys. Die können sehr beiläufig sein, wie bei Embla oder ihrem Großvater (Yngve Seterås). An anderen Stellen wird es skurril, besonders mit Brent (Bryn Bowen), der behauptet, seit Tagen nicht geschlafen zu haben. Auch die Szenen mit Bengt haben etwas Komisches an sich, können alternativ rührend sein. Und traurig.

Aber nicht nur die Stimmungen und Gemütszustände gehen fließend ineinander über. Der gesamte Film hat immer wieder eine traumartige Atmosphäre. Da zeigen sich auch die Musikwurzeln von Violent: Unterlegt mit den sphärischen Klängen von We Are The City schweben Häuser durch die Luft, wird die Zeit angehalten, dazu gibt es kryptisch-poetische Textpassagen aus dem Off. Was es mit denen auf sich hat, wird erst spät verraten. Zuvor wirkt das Gemeinschaftsprojekt der Band und einer kanadischen Produktionsfirma, die vorrangig Musikvideos anfertigt, oft wie ein solches.

Atemberaubende Bilder, wunderschöner Film
Das sieht man sich gerne an, auch weil die Kamera atemberaubende Bilder aus Norwegen mitgebracht hat. Die Landschaftsaufnahmen sind nicht von dieser Welt, selbst die Ausflüge in die Stadt sind ein visueller Genuss. Style over substance könnte man dazu sagen, wenn die kleinen Anekdoten aus Dagnys Leben immer wieder hinter die Inszenierung treten, der Film mehr Atmosphäre als Handlung sein eigen nennt. Und doch würde das der kleinen kanadisch-norwegischen Indieproduktion nicht gerecht.

Vielmehr kommt hier eben beides zusammen, das Banale und das Außergewöhnliche, der schnell vergessene Alltag und eine meditative Betrachtung des Lebens. Worauf kommt es an? Wer sind die Menschen, die etwas bedeuten? Was bleibt am Ende von alledem? Violent gibt eine Antwort darauf, die gleichermaßen singulär und universell ist. Verkünstelt? Ja, der Film ist bei aller jugendlichen Alltagsauthentizität kein richtiges Coming-of-Age-Drama, sondern ein emotionales Experiment. Eine Reise durch die Nacht, an die man sich gern zurückerinnert. Details, Momente, Lachen, Herzklopfen, die man festhalten möchte und die doch gleichzeitig durch unsere Finger rinnen.



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Teilweise mehr Kunstprojekt denn narrativer Film nimmt uns „Violent“ mit in den Alltag einer norwegischen Jugendlichen. Das kann komisch sein, traurig, surreal und banal. Skurrile Figuren treffen auf schwebende Häuser, atemberaubende Bilder auf einen sphärischen Score. Am Ende bleiben Erinnerungen, die selbst dann noch zu Herzen gehen, wenn die Geschichte längst vorbei ist.
8
von 10