Berlin Rebel High School
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Berlin Rebel High School

(OT: „Berlin Rebel High School“, Regie: Alexander Kleider, Deutschland, 2017)

Berlin Rebel High School DVD
„Berlin Rebel High School“ ist seit 1. Dezember 2017 auf DVD erhältlich

Das ist ja immer so ein bisschen eine Grundsatzfrage: Sollten Dokumentarfilmer sich in ihr Thema einmischen und Stellung beziehen? Oder sollen sie besser Distanz bewahren? Ein persönlicher Zugang kann von Vorteil sein. Er kann aber auch dazu führen, dass Filme mehr schlecht denn recht Propagandawerke sind, die der Verbreitung von Ansichten dienen, nicht der Auseinandersetzung oder Berichterstattung. Siehe etwa Europa – Ein Kontinent als Beute oder Code of Survival – Die Geschichte vom Ende der Gentechnik. Auch Berlin Rebel High School macht nicht wirklich ein Hehl daraus, was das Publikum von dem Gezeigten halten soll. In diesem Fall will man das aber nicht wirklich übelnehmen, dafür sind Thema und Protagonisten zu sympathisch.

Dabei handelt es sich nicht unbedingt um Menschen, die etwas Besonderes gemacht oder geleistet hätten. Im Gegenteil: Regisseur Alexander Kleider widmet seinen Film den Leuten, die aus den verschiedensten Gründen die Schule abgebrochen haben und ohne Perspektive auf einen Schulabschluss wären. Gäbe es da nicht die Schule für Erwachsenenbildung in Berlin. Die nimmt jeden auf, der sein Abitur nachholen will. Was die SFE aber wirklich von den Kollegen unterscheidet, ist das Konzept. Hier gibt es keine Noten, keinen Konkurrenzkampf. Es gibt aber auch keine Hierarchien, die Schule muss ohne Rektoren oder Fachbereichsleiter auskommen. Stattdessen wird vieles zusammen entwickelt, beispielsweise die Entlohnung für die Lehrer. Die Schüler sollen hier lernen, Verantwortung zu übernehmen. Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir!

Über Umwege ans Ziel
Kleider hat dies getan. Er selbst holte an der SFE seinen Schulabschluss nach und weiß daher genau, wie das Ganze funktioniert. Zu Wort meldet er sich jedoch kaum, von einigen erklärenden Texttafeln abgesehen. Stattdessen begleitete er eine Gruppe von Schülern über mehrere Jahre hinweg. Er erzählt von ihren Anfängen, was sie an die Schule geführt hat. Er erzählt von den Gründen, weshalb sie damals die Schule abgebrochen haben. Und er zeigt, was es wirklich heißt, an diese etwas andere Schule zu gehen. Interviews wechseln sich mit Alltagszenen ab, Träume und Hoffnungen mit konkretem Unterricht.

Die ganz großen Überraschungen bleiben hierbei aus. Das Konzept der kompletten Autonomie einer Schule, die ohne Förderung und ohne Zwang auskommt, mag für den einen oder anderen im Publikum ungewohnt sein. Die Umsetzung des Themas ist es sicher nicht. Dass am Ende die meisten der herausgepickten Schüler doch noch ihren Abschluss in der Tasche haben werden, daran würde kaum einer zweifeln. Schließlich will Berlin Rebel High School auch ein bisschen die Werbetrommel rühren, dass Schule eben auch ganz anders sein kann. Dass das Leben nicht zwangsweise dadurch gemeistert wird, dass jeder seine Ellbogen ausfährt.

Eine Doku fürs Herz
Das klingt ein wenig zu schön, um wahr zu sein. Ein bisschen idealistisch, vielleicht sogar naiv. Zudem bleibt am Ende die Frage unbeantwortet, wie repräsentativ seine ausgesuchten Schüler sind. Und doch regt Berlin Rebel High School zum Nachdenken an, ob unser Schulsystem nicht zu oft an den Menschen vorbeiarbeitet. Vor allem aber geht die Doku zu Herzen, lässt einen im Anschluss mit einem etwas größeren Lächeln durch den Alltag gehen. Lässt einen daran glauben, dass alles im Leben möglich ist, egal was andere dir einreden wollen. Wir alle lieben Geschichten von Außenseitern und Verdrängten, die es allen Widerständen zum Trotz doch noch schaffen. Wenn diese Geschichten wie hier vom Leben geschrieben werden: umso schöner.



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Die Doku „Berlin Rebel High School“ stellt eine Schule in Berlin vor, in der Erwachsene ihren Abschluss nachholen können – ganz ohne Noten, Druck oder Hierarchien. Klingt utopisch, funktioniert aber zumindest bei den gezeigten Schülern ziemlich gut. Der Film regt damit zum Nachdenken über unser Schulsystem nach, geht vor allem aber auch zu Herzen: Als Zuschauer drückt man den jungen Menschen die Daumen, die von allen abgeschrieben wurden und nun doch noch etwas aus sich machen.