SONG TO SONG
© STUDIOCANAL

Song to Song

(OT: „Song to Song“, Regie: Terrence Malick, USA, 2017)

Song to Song DVD
„Song to Song“ ist seit 2. November 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Sehen und gesehen werden. In der wabernden Welt Hollywoods ist die Realität oftmals nur eine Illusion. Neu in dieser plastischen Blase begegnet BV (Ryan Gosling), das jüngste Projekt des erfolgreichen Musikproduzenten Cook (Michael Fassbender), der schönen Faye (Rooney Mara). Aus einer Turtelei entwickelt sich schnell eine hingebungsvolle Romanze, obwohl sie eigentlich noch mit Cook anbandelt, der ihr zu Beginn ihrer Karriere den Weg ebnete. Die Fassade scheint zu halten, die musikalischen Erfolge lassen nicht lange auf sich warten, während das fragile Kartenhaus der Lügen wächst und gedeiht, bis es unter der erdrückenden Last der abrupten Wahrheit unweigerlich zusammenbricht – das Trio geht fortan eigene Wege. BV kehrt zu seinen Ursprüngen und seiner Familie zurück, wo er die schüchterne Amanda (Cate Blanchett) kennenlernt. Cook ist von der hübschen Kellnerin Rhonda (Natalie Portman) hingerissen. Derweil lässt sich Faye auf die temperamentvolle Zoey (Bérénice Marlohe) ein. Bei einer Party der Schönen und Seelenlosen sehen sich Faye und BV unerwartet wieder. Ein leidenschaftlicher Neubeginn oder der freundschaftliche Abschluss eines tragenden Lebenskapitels?

In Zeiten schnelllebiger Blockbuster und vergänglicher Gefühlsmomente gleicht der alljährliche Ausflug in Terrence Malicks Gehirnwindungen einer ungewohnten Anstrengung. Schlendert man ansonsten durch die imaginären Gänge der filmischen Historie, begegnet atemberaubenden Gemälden, nachdenklichen Skulpturen, exzentrischen Wundertüten und eben totalem Mist. Plötzlich findet man sich vor einem dieser Objekte wieder, die man nicht direkt versteht oder erfasst. Ein einzelner Punkt auf einer ansonsten weißen Leinwand, ein Haufen abgebrochener Schlüssel und ein völlig konträrer Titel auf einem kleinen Kärtchen, der die Installation beschreiben soll. Malicks Filme gleichen einem ungeklärten Fragezeichen auf dem Gesicht der Ahnungslosigkeit. Dass seine Werke nicht den Nerv des Otto Normalkinogängers treffen, dürfte jedem inzwischen bekannt sein. Song to Song bildet da keine Ausnahme und reiht sich mit seiner Inszenierung hinter Knight of Cups (2015) ein, der ihm besonders in Bild und Schnitt mehr als nur ähnlich ist.

Ein Künstler für sich
Wackelnde Kamera, schneller Bildwechsel, sanfte Farben und vor allem immer eins – mitten drin. Malick sucht das Intime, weshalb er beinahe voyeuristisch die Authentizität jedes Augenblicks sucht. Das sorgt für einzigartige Bilder, aber auch Schwindelgefühl. Er bricht den üblichen Fokus und lässt sich von der Situation leiten. Untermalt werden diese Momentaufnahmen mit Monologen der betroffenen Charaktere. Bei seinen Zeitraffern setzt er hingegen auf die Einbindung atmosphärischer Musik. Schauspielerisch strotzt sein Kunstprojekt vor Größen der Branche, die stilistisch dezent in Szene gesetzt werden, ohne dabei überzeichnet zu wirken. Natalie Portman (Jackie) und Cate Blanchett (Thor: Tag der Entscheidung) standen für ihn bereits in Knight of Cups vor der Kamera. Ein Zeichen des Respekts vor einer Kunstart, die für gewöhnlich ein gewisse Eingewöhnungsphase mit sich bringt.

Ein kompliziertes Mosaik
Die skurrile Erzählung ist und bleibt ein Dorn im Auge der gepflegten Unterhaltung. Die omnipräsente Melancholie drückt die Aneinanderreihung loser Bilder, die in ihrer unterschiedlichen Machart den Zuschauer zur Verzweiflung treiben können. In Pathos ertränkte innere Monologe verlorener Protagonisten fügen ihr übriges Brennholz in den prasselnden Kamin, der dem Geduldsfaden ordentlich einheizt. Die Geschichte lässt sich im Groben erkennen, die Konflikte erahnen und wo der Schnitt endet, muss eben die Fantasie herhalten. Für sich alleine sind die Elemente Malicks filmischen Handwerkskoffers atemberaubend, in Kombination miteinander sind die Lücken und unsauberen Abschlüsse deutlich sichtbar. Song to Song ist ein weiteres, vielleicht zu unrecht missverstandenes Kunstwerk, des Filmemachers, dessen wahre Bedeutung nur Malick allein in seiner absoluten Gesamtheit zu verstehen weiß.



(Anzeige)

Für den entspannten Abend auf der Couch eher weniger geeignet, entfaltet sich der Film erst nach mehrmaligem Ansehen und geistiger Interpretation. Ein echter Malick, wie die Künstler sagen würden, den man durchaus als starken gedanklichen Tobak beschreiben darf.
6
von 10