Extra Terrestres

Extra Terrestres

(OT: „Extra Terrestres“, Regie: Carla Cavina, Puerto Rico/Venezuela, 2016)

Extra Terrestres
„Extra Terrestres“ läuft im Rahmen des Queer Film Perlen in hannover (15. bis 21. Oktober 2017)

Sieben Jahre lang hat sich Teresa (Marisé Alvarez) nicht mehr bei ihrer Familie blicken lassen. Und vielleicht wären noch einige Jahre hinzugekommen, wenn da nicht Daniela (Prakriti Maduro) wäre. Die beiden Astrophysikerinnen sind schon eine Weile liiert und wollen nun endlich heiraten. Allerdings weiß Teresas Familie nicht, dass sie lesbisch ist, vor allem der streng konservative Vater Arcadio (Sunshine Logroño) wird darüber mit Sicherheit auch nicht begeistert sein. Ein günstiger Zeitpunkt muss her, um es ihm möglichst schonend beizubringen. Günstig ist an dem Zeitpunkt jedoch nichts: Die Geflügelfarm der Farm steckt in enormen Schwierigkeiten, Teresa bringt es einfach nichts übers Herz, ihm die Wahrheit zu sagen. Und sie ist nicht die einzige, der es so geht: Ihre Mutter Genovara (Elba Escobar), Bruder Junior (Yamil Collazo) und Schwester Andrea (Laura Aleman) – sie alle haben Geheimnisse vor dem alten Herrn. Und dann wäre da noch das Sorgenkind Andres (Mauricio Alemañy), der am liebsten unter dem Tisch sitzt und mit einem Hühnchen spielt.

Auch wenn der Titel darauf schließen lässt, nein, Extra Terrestres ist kein Science-Fiction-Film. Zwar werden Teresa, Daniela und auch der kleine Andres immer wieder hoch zu den Sternen schauen. Doch die Geschichten, die sich hier abspielen, sind sehr irdisch, kommen uns bekannter vor, als uns manchmal lieb ist. Die gute alte Familie. Man kann nicht mit ihr, ohne sie fehlt aber auch was. Es sind die üblichen Mechanismen, die uns Regisseurin und Drehbuchautorin Carla Cavina hier aufzeigt: Angeführt von einem leicht despotischen Patriarchen macht man in Puerto Rico das, was man schon immer gemacht hat. Neuerungen wird mit Skepsis begegnet. Das Leben hat gefälligst einfach zu sein und zu funktionieren. Dass das Herz manchmal dann aber doch für einen Mechaniker schlägt, anstatt für den adretten Bankier, das darf nicht sein. Offiziell.

Viele Themen, wenig Freiheit
Viel ist in Extra Terrestres dann auch von versteckten Wünschen und Träumen die Rede, von verpassten Chancen und der Unfähigkeit, mit anderen zu kommunizieren. Dass Teresa ihr Glück in den Sternen sucht, ist keine Überraschung: Dort kann sie sein, wer sie sein will, muss sich nicht mit den Einschränkungen daheim herumplagen. Anders als man vielleicht erwarten könnte, ist die heimliche lesbische Liebe jedoch nur ein Aspekt unter vielen hier. Die Rückkehr nach Puerto Rico ist vielmehr der Anlass, um sich etwas genauer bei Familie Díaz umzuschauen. Zwischenzeitlich gerät Teresa sogar ziemlich in Vergessenheit, der Kampf um die Hühnerfarm steht dann im Vordergrund. Wer also ausschließlich der LGBT-Aspekte wegen vorbeischauen mag – der Film läuft unter anderem beim Queer Film Festival Perlen in Hannover –, der wird vielleicht nicht ganz auf seine Kosten kommen.

Ein Mangel ist die Vielzahl an Themen jedoch nicht. Genau genommen lebt das Spielfilmdebüt der puerto-ricanischen Filmemacherin gerade von der Lebendigkeit. Da spielen Familienmitglieder im einen Moment Spion, ein Liebhaber klettert aus dem Fenster, Korruption und Missbrauch werden angeprangert, Nesthäkchen Andres macht ohnehin ständig irgendwelche seltsamen Sachen. Es ist also schon eine irgendwo verkorkste Familie, mit der wir es hier zu tun bekommen. Aber eben auch eine, die einem schnell ans Herz wächst. Die Schrullen sind gerade genug überzeichnet, dass es witzig ist, ohne dass einem die Figuren deshalb wie Wesen von einem anderen Stern vorkommen.

Bilder aus einer anderen Welt
Unwirklich schön sind dafür die Bilder. Nicht die aus dem All, bei dem der Computer ein bisschen zu deutlich zum Einsatz kommt. Die Bilder der Natur, die weiten Landschaften, das Haus der Díaz – Extra Terrestres macht durchaus Lust darauf, selbst einmal nach Puerto Rico zu fahren. Trotz der komischen Leute, die dort wohnen. Aber auch die eine oder andere erschreckende Aufnahme mischt sich darunter: Wenn Andres mit staunenden Augen erfährt, was tatsächlich mit den Hühnern auf der Farm passiert, dann ist das so eindrücklich und bedrückend, dass man im Anschluss wie Teresa zuvor fast selbst zum Vegetarier wird.



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„Extra Terrestres“ erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die zu ihrer Familie zurückkehrt, um von ihrer Heirat mit einer Kollegin zu berichten. Das ist als Situation recht gewöhnlich, bekommt aber durch die lebendigen, verkorksten Figuren so viel Charakter, dass man Familie und Film schnell ins Herz schließt. Die schönen Aufnahmen aus Puerto Rico runden das Sehvergnügen ab.
7
von 10