Die goettliche Ordnung
© Alamode Film

Die göttliche Ordnung

(OT: „Die göttliche Ordnung“, Regie: Petra Biondina Volpe, Schweiz, 2017)

Die goettliche Ordnung
„Die göttliche Ordnung“ läuft seit 3. August 2017 im Kino

Die Schweiz im Jahr 1971: Bislang hatte Nora (Marie Leuenberger) eigentlich ein sehr erfülltes, glückliches Leben. So dachte sie zumindest. Sie ist mit Hans (Max Simonischek) verheiratet, hat zwei Söhne, ein kleines Häuschen, schmeißt den Haushalt, ohne sich über die Welt da draußen groß Gedanken machen zu müssen. Doch die rückt immer näher, ein erbitterter Streit darüber, ob Frauen wählen dürfen sollen, entzweit das Land. Und auch Nora kommen inzwischen Zweifel, ob ihr bisheriges Leben wirklich so gut war. Ehe sie es sich versieht, steckt sie auf einmal selbst mittendrin im Geschlechterkampf und setzt sich gemeinsam mit Theresa (Rachel Braunschweig), Vroni (Sibylle Brunner), Graziella (Marta Zoffoli) und anderen für die Geleichberechtigung ein – zum Missfallen der eigenen Männer.

Es gibt Dinge im Leben, an die hat man sich schon so sehr gewöhnt, dass man die Welt schon gar nicht mehr anders kennt. Verregnete Geburtstage beispielsweise. Ein amerikanischer Präsident, dessen Twitter-Eskapaden Gift für die eigene Intelligenz sind. Und das Frauenwahlrecht. Während sich in Deutschland dieses Recht nächstes Jahr zum 100. Mal jährt, konnten sich die Schweizer erst 1971 dazu durchringen, dass Frauen vielleicht doch etwas zu sagen haben. Warum es dort so lange gedauert hat, ist eine spannende Frage. Jedoch eine, die Petra Biondina Volpe gar nicht zu beantworten gedenkt.

Eine große Geschichte im Kleinen aufbereitet
Anders als etwa in Suffragette – Taten statt Worte, wo der historischen Komponente noch viel Platz eingeräumt wurde, stürzt sich die Schweizer Regisseurin und Drehbuchautorin lieber auf den persönlichen Zugang. Von den großen Umwälzungen infolge der 1968er ist in Die göttliche Ordnung erst einmal wenig zu spüren, nur nach und nach kommen die Auswirkungen der großen Wellen in dem kleinen Dorf an. Das ist auf der einen Seite natürlich schade, vielleicht sogar frustrierend – wer den Film gesehen hat, ist im Anschluss kein Deut schlauer. Andererseits erlaubt es so einen Einblick, wie es sich in der ländlichen Schweiz damals so anfühlte.

Von der Tonalität her sind der schweizerische und der britische Film her ohnehin nicht miteinander zu vergleichen. Die großen, gewaltsamen Konflikte wichen hier kleineren Streitereien. Anstatt Steine zu werfen, wird lieber geschmollt. Zu dem eher braven Gesamteindruck passt auch der Humor, der vor allem auf den lautstarken Weibsbildern fußt. Gerade die resolute Vroni und die Italienerin Graziella werden nicht müde, über ihre ehemaligen Männer herzuziehen, den Freiheitskampf auch mit einem gewissen Unterhaltungswert zu verknüpfen. Und die Art und Weise, wie die Männer später mit dem Haushalt überfordert sind, nachdem die Frauen in den Streik treten, die lässt einen auch schon mal grinsen.

Nett, aber sehr vereinfacht
Das ist schlussendlich nett und sympathisch, allein schon des Themas wegen, das mit einem echten Wohlfühlende aufwartet. Bei den Figuren wäre trotzdem mehr Tiefgang, mehr Persönlichkeit gut gewesen. Gerade die weibliche Gegenspielerin erschließt sich nie. Warum sie gegen das Frauenwahlrecht ist, bleibt ein Geheimnis. Bei den Männern wurde, von Hans einmal abgesehen, auch nicht versucht, sie zu dreidimensionalen Charakteren auszubauen. Sie sind altmodisch, ein bisschen simpel gestrickt, oftmals auch unsympathisch. Eine ernsthafte Auseinandersetzung ist auf diese Weise natürlich nicht möglich, war aber wohl auch nicht beabsichtigt: Der große Gewinner des Schweizer Filmpreises 2017 ist eine augenzwinkernde Abrechnung mit einem überholten Weltbild und einem großen Symbolsieg auf dem Weg in die Gleichberechtigung.



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Wie war das noch mal mit dem Frauenwahlrecht in der Schweiz? Eine wirkliche Antwort darauf liefert „Die göttliche Ordnung“ nicht, der Film wählt lieber den persönlichen Zugang anstatt eines historischen. Das ist unterhaltsam und sympathisch, auch wenn gerade die klischeebeladenen Figuren mehr Persönlichkeit vertragen hätten.
6
von 10