Hashti Tehran

Hashti Tehran

(„Hashti Tehran“, Regie: Daniel Kötter, Iran, 2016)

Teheran, immer wieder Teheran. Ein bisschen ist es ja das Schicksal der meisten Länder, dass sie in der Wahrnehmung auf die jeweilige Hauptstadt reduziert werden. Oft stehen sie sogar stellvertretend für das ganze Land, wenn in den Nachrichten über die Politik gesprochen wird: Paris statt Frankreich, Pjöngjang statt Nordkorea, Washington statt den USA. Beim Iran kommt noch hinzu, dass Blicke von außen eher rar gesät sind, zumindest der Otto-Normal-Bürger hierzulande schlicht nichts über den persischen Staat weiß, was über westliche News hinausging. Und die waren oft eher negativer Natur.

Dass sich Teheran für Filmemacher anbietet, wenn sie etwas über das Land erzählen wollen, dann hat dies aber auch einen anderen Grund: In keiner anderen Stadt dürften derart viele Strömungen aufeinanderprallen, alte wie neue, urbane wie geistliche. Reich trifft auf arm, Progressive auf Traditionalisten. Jafar Panahi hatte in seinem Episodenfilm Taxi Teheran die heterogene Zusammensetzung der Stadt genutzt, um ein höchst widersprüchliches Land aufzuzeigen. Das Drama Geschichten aus Teheran verzichtete gleich ganz auf einen Rahmen, ließ die vielen Einzelschicksale für sich sprechen.

Keine Menschen, aber doch interessante Geschichten
Daniel Kötter geht hier nun in eine ähnliche Richtung, zeigt ebenfalls verschiedene Facetten von Teheran, welche symbolisch für ganze Bevölkerungsgruppen stehen. Zwei Punkte sind es aber, die Hashtin Tehran von den obigen Kollegen unterscheidet. Zunächst einmal ist der Beitrag vom 4. Iranischen Filmfest in München (12. bis 16. Juli 2017) ein reiner Dokumentarfilm, während die anderen ihre Stoffe zumindest fiktionalisiert aufarbeiteten. Hinzu kommt, dass sich Kötter weniger für Menschen interessiert. Zumindest keine Individuen.

Tatsächlich dauert es bis zum vierten Abschnitt, bevor wir tatsächlich mal einer Einzelperson begegnen. Im Süden sind wir da unterwegs, lernen ein Viertel kennen, welches die Regierung komplett abreißen und neu bebauen lassen will. Die Spuren der Verwüstung sind bereits zu sehen, nach und nach muss die lang zusammengewachsene Nachbarschaft sich von allem verabschieden, was ihnen wichtig ist. Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten, auf Einzelschicksale kann dabei keine Rücksicht genommen werden. Dass es ausgerechnet eine todgeweihte Gegend ist, die menschelt, das ist schon bittere Ironie.

Ein Ort der großen Kontraste
So wie hier ist jeder der vier Teile von Hashti Tehran einer Himmelsrichtung gewidmet. Einem besonderen Bauvorhaben. Und einer Gesellschaftsschicht. Im Norden erstreckt sich der Berg Alborz, ein beliebtes Skigebiet für Touristen und Einheimische, die es sich leisten können. Auch im Westen sollte man nicht ganz mittellos sein, um sich eine Wohnung in den neu entstehenden Wolkenkratzern leisten zu können, die von schicken Parks umsäumt werden. Die Gebäude im Osten sind ebenfalls hoch, jedoch für die sozial Schwachen gedacht. Während sich im Westen eine ungenannte Frau darüber beklagt, dass ihr die große neue Wohnung nicht gut genug ist, gibt es im Osten nicht mal ein vernünftiges Abwassersystem.

Interessant an dem Dokumentarfilm sind aber nicht nur die enormen Unterschiede, die sich innerhalb ein und derselben Stadt wiederfinden. Kötter hat auch einen sehr ungewöhnlichen Zugang zu dem Thema gewählt: Er lässt die Kamera einfach umherwandern, den Blick streifen. Manchmal werden diese Aufnahmen von begleitenden Dialogen aus dem Off begleitet, wie der der besagten Dame. Hashti Theran hat aber auch kein Problem damit, zwischendurch zu schweigen, teils mehrere Minuten lang. Zusammen mit den weitestgehend menschenleeren Bildern entsteht auf diese Weise eine ganz eigene, surreale Atmosphäre. Von dem hektischen Treiben Teherans ist hier nichts übrig, wir werden Zeuge einer losgelösten Geisterstadt, von der man gar nicht so genau sagen kann, ob sie die Vergangenheit oder die Zukunft ist.



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„Hashti Tehran“ zeigt uns vier Gegenden von Teheran, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten – von topmodern bis abbruchreif. Aber auch die menschenleeren Bilder, die nur manchmal aus dem Off kommentiert werden, sorgen dafür, dass die iranische Metropole hier kaum noch wie ein konkreter Ort wirkt.