Einmal bitte alles
© Der Filmverleih

Einmal bitte alles

(OT: „Einmal bitte alles“, Regie: Helena Hufnagel, Deutschland, 2017)

Einmal bitte anders
„Einmal bitte alles“ läuft ab 20. Juli 2017 im Kino

Isi (Luise Heyer) weiß eigentlich sehr genau, was sie mit ihrem Leben anfangen will. Ihr Diplom als Grafikerin hat sie schon in der Tasche, nun macht sie ein Praktikum in einem Verlag. Das Ziel: als Illustratorin arbeiten. Und auch privat ist bei der 27-Jährigen alles geregelt. Sie wohnt mit ihrer besten Freundin Lotte (Jytte-Merle Böhrnsen) zusammen. Später einmal sollen Mann und Kinder hinzukommen, ins sechs Jahren oder so. Dann bandelt Lotte aber irgendwie jetzt schon mit einem Kerl an und hat keine Zeit mehr für sie. Als Isi auch noch ihr Praktikum verliert, bricht endgültig eine Welt für sie zusammen und sie zieht vorübergehend zu dem Musiker Klausi (Maximilian Schafroth) und dem Medizinstudenten Daniel (Patrick Güldenberg). Aber was dann? Was soll sie nun mit ihrem Leben anfangen?

Filme über das Erwachsenwerden gibt es ja so einige. Junge Menschen, keine Kinder mehr, aber doch noch nicht ganz in der Welt angekommen, die sich selbst und ihren Lebensweg finden müssen. Was dabei ganz gern mal verschwiegen wird: Diese Unsicherheit betrifft längst schon nicht mehr pickelige Halbwüchsige, die sich das erste Mal so richtig doll verliebt haben. Es betrifft vor allem zunehmend solche Leute, die es eigentlich gar nicht betreffen sollte. Ihre Mutter sei mit 27 Jahren längst verheiratet gewesen und habe zwei Kinder zur Welt gebracht, heißt es an einer Stelle. Doch das war einmal, heute ist das keine echte Option mehr.

Viele Optionen, wenig Möglichkeiten
Der Witz bei der Sache: Es ist nicht der Mangel an Optionen, der die heutigen jungen Erwachsenen umtreibt, sondern ein Überangebot. Oder zumindest die Illusion eines solchen. Du kannst alles werden, was du willst, wird heutzutage gern behauptet. Dir steht die Welt offen, Individualismus ist das oberste Gut. Bis du eben dann doch vor verschlossenen Türen stehst. Ein Praktikum nach dem anderen absolvierst, weil keiner dich anstellen will. Beziehungen schon nach der ersten Verabredung abgebrochen werden – es könnte ja doch noch was Besseres kommen. Und du plötzlich feststellst: Die Welt hat nicht auf dich gewartet. Es ist ihr sogar ziemlich egal, wer du bist, was du tust, wohin du willst.

Regisseurin Helena Hufnagel schildert mit viel Einfühlungsvermögen von diesem Lebensabschnitt der Orientierungslosigkeit und den täglichen kleinen Enttäuschungen. Das soll nicht bedeuten, dass ihre Isi einfach nur ein armes, unschuldiges Opfer ist. Ihre Unfähigkeit, die eigenen Träume zu hinterfragen bringen nicht nur ihr selbst Unglück, vor allem Lotte hat darunter zu leiden, dass ihre Freundin sich nicht an verändernde Situationen gewöhnen kann. Vielleicht auch eine etwas einseitige Vorstellung von Freundschaft hat. Aber man kann es ihr nachfühlen, wie alles um sie herum zusammenbricht, all die Träume und Pläne sich in Nichts auflösen. Nichts mehr da ist, an das sie sich klammern kann – nicht einmal ihr altes Kinderzimmer ist ihr geblieben.

Träumer erwünscht
Ein bisschen leicht macht es Hufnagel ihrer Hauptfigur dann aber doch später. Die nachdenklichen, melancholischen Momente werden durch humorvolle aufgelockert, die manchmal sogar ins Alberne gehen. Einmal bitte alles lässt Isi stolpern, zweifeln, verzweifeln, lässt sie am Ende aber doch nie allein. Die von Luise Heyer (Jack, Fado) authentisch gespielte Versagerin ist schlussendlich doch keine, wird mit der Nachricht getröstet: Es ist gut, dass du träumen kannst. Das hilft dann zwar nicht weiter, wenn man mal wieder vor verschlossenen Türen steht und keiner deine Träume teilen will. Aber es fühlt sich gut an und ermuntert doch dazu, das Leben jeden Tag aufs Neue auf den Prüfstand zu stellen. Ist es das Leben, das ich führen will? Welches Leben steht mir wirklich bereit? Und worauf bin ich bereit zu verzichten, wenn eben doch nicht alles zur Verfügung steht?



(Anzeige)

Was tun, wenn ich klare Vorstellungen vom Leben habe, das Leben sich aber nicht für meine Vorstellungen interessiert? Eine Antwort darauf bietet „Einmal bitte alles“ zwar nicht an, scheut sich auch davor, allzu hart mit der Protagonistin umzuspringen. Aber die Tragikomödie erzählt mit viel Einfühlungsvermögen von dem schwierigen Weg als Erwachsene, wenn um dich herum alle Träume und Pläne scheitern.
7
von 10