Tschick
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(„Tschick“ directed by Fatih Akın, 2016)

„Tschick“ ist seit 9. März 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Freunde? Nein, die hat der 14-jährige Maik (Tristan Göbel) nicht wirklich. Manchmal wird er als Psycho beschimpft, vor allem wenn er mal wieder seltsame Texte vorliest. Ansonsten wird er jedoch meistens einfach ignoriert. Im Gegensatz zu Tschick (Anand Batbileg), der neu in seiner Klasse ist, sehr auffällig ist, den es dabei aber so gar nicht interessiert, was andere von ihm halten. Oder was das Gesetz vorschreibt. Und so machen sich die beiden am Steuer eines geklauten Autos auf den Weg, die langen Sommerferien mit einem kleinen Road Trip ins Ungewisse abzukürzen.

Wenn ein Buch sich wie Wolfgang Herrndorfs Jugendroman „Tschick“ 2,2 Millionen Mal verkauft, dann lautet die Frage nach einer Verfilmung nicht „ob“, sondern „wann“. Denn auch wenn früh klar war, dass die Geschichte um zwei Außenseiter, die einen gemeinsamen Sommer auf der Straße erleben, auf die Leinwand kommen soll, so war das mit den Details dann doch so eine Sache. Erst relativ kurz vor Drehstart stieß Fatih Akin als Regisseur hinzu, um das Projekt doch noch zu retten. Und dafür darf man ihm durchaus dankbar sein, denn nach seinem ziellosen letzten Film The Cut wird es hier wieder deutlich launiger – obwohl es erneut an einem tatsächlichen roten Faden mangelt.

Wirklich störend ist das bei Tschick jedoch nicht. Im Gegenteil: Hier gehört es einfach dazu. In bester Coming-of-Age-Manier geht es darum, dass sich Jugendliche in einer Ansammlung von Einzelepisoden ausprobieren, draußen in der Welt umherstreifen, auf der Suche nach Spaß. Nach sich selbst. Dass das mit so manchen Fehlschlägen einhergeht, ist klar, komische Zwischenfälle und unglaubliche Missgeschicke gehören dazu. Dem Film geht es – wie dem Buch zuvor – dann auch gar nicht darum, das realistische Aufwachsen zweier Teenager zu zeigen. Das Gefühl steht hier im Mittelpunkt, die Sehnsucht nach Freiheit, der Hunger aufs Leben, verbunden mit der Unsicherheit, was das eigentlich heißt.

Der Romanadaption gelingt dieser Spagat dann insgesamt auch recht gut, die übertriebenen Erlebnisse und die alltägliche Gefühlswelt eines Heranwachsenden unter einen Hut zu bringen. Die wenigsten von uns dürften Autos geklaut haben, um damit umher zu fahren. Auf Schrottplätzen Schläuche gesucht. Oder sich Wettrennen mit der Polizei geliefert. Und doch fällt es nicht schwer, sich in Maik wiederzufinden, mit ihm sehnsuchtsvolle Blicke auf die schöne Mitschülerin Tatjana zu werfen. In Gedanken sehr viel cooler zu sein, als wir es in Wahrheit sind. Denn es sind die üblichen Themen, die ihn antreiben. Die jeden antreiben, vor allem in dem Alter, aber auch später noch. Wer bin ich? Was will ich? Worauf kommt es im Leben an? Wenn dann noch die sexuell-romantische Komponente dazustößt in Form der krakeelenden Isa (Nicole Mercedes Müller), dann ist die emotionale Verwirrung vollends ausgebrochen, wie wir sie alle irgendwann erleben.

Die Kehrseite der Medaille: Tschick ist immer mal wieder auch recht austauschbar. Die Geschichte eines Sommers wurde schon oft erzählt, an vielen Orten, von vielen Generationen. Beispiel: Mikro & Sprit im letzten Jahr, welches ebenfalls ein junges Außenseiterduo auf eine sommerliche Reise durchs Land schickte und dabei noch ein kleines Stück mitreißender war. Origineller. Aber auch wenn der deutsche Bruder nicht ganz die Klasse des französischen erreicht, reiht er sich doch im vorderen Bereich ein. Das liegt neben den fabelhaften Aufnahmen eines ländlichen Deutschlands, die tatsächlich Lust darauf machen, den Rucksack zu packen, auch an der Besetzung. Tristan Göbel verkörpert auf schöne Weise den etwas unbedarften Alltagsnerd, Anand Batbileg ist als Leck-mich-am-Arsch-Punkvogel sogar eine Entdeckung. Wenn diese beiden zu einem wunderbar unpassenden Soundtrack durch die Gegend fahren, muss man kein Jugendlicher mehr sein, um dazusteigen und die restliche Welt hinter sich lassen zu wollen.



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Die lange Wartezeit hat sich ausgezahlt, „Tschick“ ist eine sehenswerte Umsetzung des Bestsellers geworden. Auch wenn ein roter Faden fehlt und manches übertrieben ist, so ist die Geschichte eines Sommers doch für jugendliche wie erwachsene Zuschauer sehenswert – vor allem dank wunderbarer Bilder und der beiden Jungdarsteller.
7
von 10