Worlds Apart
© Kairos Filmverleih

Worlds Apart

(„Enas Allos Kosmos“ directed by Christoforos Papakaliatis, 2015)

„Worlds Apart“ läuft ab 23. Februar 2017 im Kino

Das nennt man dann wohl gutes Timing. Just in dem Moment, wo die Finanzhilfen für Griechenland wieder in den Medien thematisiert werden, wo auch darüber diskutiert wird, wie sinnvoll es war, dem hoch verschuldeten Land Regeln der Sanierung aufzuzwängen, just in dem Moment kommt Worlds Apart in die deutschen Kinos. Weit mehr als ein Jahr, nachdem er im heimischen Griechenland gelaufen ist. Mit Erfolg: Mehr als 700.000 Besucher konnte das Drama zu Hause anlocken, zudem gab es diverse Nominierungen. Und es ist auch als Nicht-Grieche verständlich, wie es dort derart einen Nerv treffen konnte, denn in rund 100 Minuten spricht Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Christoforos Papakaliatis eine ganze Reihe von Themen an, die ihn und seine Landsmänner antreiben.

Die erste von drei Episoden behandelt gleich zwei der aktuellen Phänomene: die Flüchtlingsflut und die Verarmung des Mittelstandes. Antonis (Minas Hatzisavvas) beispielsweise hatte früher gleich drei Läden, heute hat er nichts. Bis auf eine Menge Wut im Bauch, die raus muss. Für den älteren Herren steht außer Frage, dass es besagte Flüchtlinge sind, die seine Misere verursacht haben und macht sich daher mit Gleichgesinnten auf die Jagd nach den Übeltätern. Oder denen, die er für die Übeltäter hält. Gleichzeitig bändelt aber ausgerechnet seine Tochter Daphne (Niki Vakali) mit Farris (Tawfeek Barhom) an, einem syrischen Kunststudenten, der vor dem Bürgerkrieg floh und nun Andenken in Athen verkauft.

Giorgos (Papakaliatis) geht es da besser, als Abteilungsleiter verdient er gutes Geld und hat einen sicheren Arbeitsplatz. Dafür liegt sein Privatleben in Scherben: Seine Frau und er teilen nur noch die Wohnung statt des Lebens, zur Bekämpfung seiner Depressionen schluckt er regelmäßig Medikamente. Als er in einer Bar die Schwedin Elise (Andrea Osvárt) kennenlernt, sieht es zunächst danach aus, als käme wieder etwas Freude in sein Leben. Aber zu früh gefreut: Nicht nur, dass die nordische Schönheit keine Lust darauf hat, über eine bloße Affäre hinauszugehen, sie ist zudem nach Athen gekommen, um ausgerechnet in Giorgos’ Firma die Belegschaft um ein Drittel zu verkleinern – was bald zu Interessenskonflikten führt.

Und auch Maria (Maria Kavoyianni) und Sebastian (J.K. Simmons) haben trotz der gegenseitieng Anziehungskraft diverse Reibungspunkte. Da wäre zum einen Marias Ehe, die zwar nicht glücklich ist, aber doch eine ziemliche Hemmschwelle darstellt. Schlimmer noch: Sebastian ist Deutscher. Ausgerechnet. Einer von denen, die ihr Land erst in den Abgrund gerissen haben, die mit einem Bündel Scheine wedeln, während sie für sich und ihre Familie kaum noch Essen kaufen kann.

Es ist also schon eine Menge Stoff, die Papakaliatis da in seinen Film packt. Eine Menge Stoff, den er sich offensichtlich von der Seele reden muss. Ein bisschen zu viel. Wichtig sind die Fragen und Punkte, die er aufwirft ohne Zweifel. Was hat die Krise mit den Menschen gemacht? Wie gehen wir damit um, wenn ein Land noch Flüchtlinge integrieren muss, dabei nicht einmal mehr die eigenen Bürger versorgen kann? Und: Wo treffen sich das Private und das Politische? Anstatt sich einem dieser Aspekte zuzuwenden und genauer zu besprechen, wollte er in Worlds Apart aber alles auf einmal. Und das ist mehr, als sein Film verträgt.

Das größte Problem bei dem Drama ist dabei, dass vieles hier recht erzwungen wirkt. Dass man ständig spürt, dass das hier alles ganz groß werden sollte. Und so werden umständlich Querverbindungen zwischen den Episoden geschaffen, welche die gar nicht gebraucht hätten. Es finden sich Gedanken in den Dialogen wieder, die sich nicht wirklich aus dem Verlauf ergeben, aber offensichtlich dringend rein sollten. Und warum eine Schwedin von einer Bulgarin gespielt wird, der US-Schauspieler J.K. Simmons als Deutscher herhalten muss, das wissen nicht einmal die griechischen Götter. Am gelungensten ist Worlds Apart dann auch, wenn die Ambitionen gar nicht so groß sind. Wenn Papakaliatis sich damit begnügt, die Liebenden allmählich näherkommen zu lassen, ihnen kleine, geradezu unschuldig romantische Momente zugesteht. Er sie einfach Mal Menschen sein lässt und sie nicht zu Symbolen umfunktioniert. Bevor der Mist wieder von vorne losgeht, die ganze Welt, alles und jeder Teil eines diffusen und von einer dick aufgetragenen Musik begleiteten Dramas werden, vor dem es kein Entkommen gibt. Egal, aus welcher Schicht man kommt, welchem Altersabschnitt, welcher Nationalität.



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Drei schwierige Romanzen, drei Geschichten, die alle großen Probleme des aktuellen Griechenlands aufarbeiten. Das ist schon recht ambitioniert, am Ende zu ambitioniert. Nur mit viel Gewalt zwingt „Worlds Apart“ die vielen Themen zusammen, sodass trotz wichtiger Fragen und einzelner schöner Szenen das Ergebnis nicht ganz überzeugt.
6
von 10