Der kleine Prinz
© Warner Bros

Der kleine Prinz

(„Le Petit Prince“ directed by Mark Osborne, 2015)

„Der kleine Prinz“ läuft ab 10. Dezember im Kino

Im Leben des kleinen Mädchens ist kein Platz für Überraschungen. Und fürs Nichtstun auch nicht. Dafür sorgt ihre Mutter, die ehrgeizige Ziele für das Töchterchen hat und deshalb deren gesamten Alltag minutiös durchgeplant hat. Womit sie jedoch nicht gerechnet hat, ist der exzentrische Nachbar, der das Mädchen mit seinen verrückten Ideen und Geschichten ständig auf andere Gedanken bringt. Vor allem eine Geschichte ist es, die das Mädchen nicht mehr loslässt: Vor vielen Jahren war der Mann mit seinem Flugzeug in der Wüste abgestützt, wo er einen kleinen Jungen traf. Der gab sich als Prinz von einem anderen Stern aus und erzählte die unglaublichsten Abenteuer.

Es gibt viele Merkmale, die ein gutes Kinderbuch auszeichnen: Zugänglichkeit, Aussagekraft, Fantasie, Charaktere zum Mitfühlen. Und auch Zeitlosigkeit gehört dazu. Letzteres zeigt sich nicht nur daran, ob das Buch Jahrzehnte später noch gelesen wird, sondern auch, ob sich Filmemacher des Themas annehmen. „Alice im Wunderland“ ist ein solches Buch, das sich kontinuierlicher Adaptionen erfreut, „Der Zauberer von Oz“ und „Heidi“. Und auch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry hat mehr als 70 Jahre später nichts von seiner Faszination und Aktualität eingebüßt.

Umso erstaunlicher – und bedauerlicher –, dass man bei der neuen Adaption offensichtlich wenig Vertrauen in das Ursprungsmaterial hatte und deswegen eine Rahmenhandlung hinzu dichtete. Das ist auf der einen Seite naheliegend, war das Buch doch so kurz, dass es kaum für einen abendfüllenden Film gereicht hätte. Und in Maßen hätte das auch durchaus reizvoll sein können. In Der kleine Prinz jedoch gibt, auch wenn einem Trailer und Poster etwas anderes weismachen wollen, besagte Rahmenhandlung um das kleine Mädchen den Ton an. Die Originalgeschichte ist eingebettet, wird aber nur ab und an erzählt. Und das auch noch in einer stark gekürzten Fassung, was bei einer derart überschaubaren Vorlage nun wirklich nicht notwendig gewesen wäre. Zudem hat dies zur Folge, dass spätere visuelle Anspielungen unverständlich bleiben, wer das Buch nicht gelesen hat.

Das ist gleich doppelt schade, da die Originalszenen von einer atemberaubenden Schönheit sind. Das soll nicht bedeuten, dass die Rahmenhandlung nicht auch ihre optischen Vorzüge hat. Die Computergrafiken sind technisch sauber, die französische Produktion muss sich nicht vor der amerikanischen Konkurrenz verstecken. Es fehlt ihr jedoch ein wenig die Eigenständigkeit, die nett gestalteten Figuren könnten in der Form in den meisten Animationsfilmen neueren Datums eingesetzt werden, ohne dass einem dies auffallen würde.

Ganz anders jedoch, wenn wir dem Piloten und dem kleinen Prinzen folgen. Um den Kontrast zwischen den zwei Erzählebenen und den zwei Zeiten auch visuell darzustellen, wurde die Vergangenheit in Stop-Motion-Sequenzen umgesetzt. In einer einmaligen Papieroptik erwachen die bekannten Figuren zum Leben, nehmen uns mit in ein Reich der Fantasie, der kuriosen Charaktere, der poetischen Gleichnisse. So schön sind diese Momente, dass die Rückkehr in den Alltag immer mit einem Bedauern einhergeht. Wie ein Traum, aus dem man erwacht, und zu dem man sich gleich im Anschluss zurücksehnt.

Von einer vergleichbaren Magie sind die Computerszenen weit entfernt, optisch wie inhaltlich. Das ist teilweise natürlich so gewollt, denn Der kleine Prinz ist eine Ode an die Fantasie in einer von humorlosen und zweckgerichteten Erwachsenen bestimmten Welt. Beließ man es im Buch aber bei Anspielungen und Analogien, ging man bei der Rahmenhandlung eher mit der Holzhammermethode vor. Gemäß dem Zeitgeist soll der heutige junge Zuschauer nicht erst über die Geschichte nachdenken müssen, das muss schon explizit ausformuliert werden, damit auch ja keiner die Botschaft nicht versteht.

Lässt man die Enttäuschung über die Kürze der eigentlichen Szenen und die eher plumpe Geschichte drumherum weg, bleibt aber trotz allem ein guter Film für die anvisierte Zielgruppe. Die Botschaft ist bei aller Veränderung intakt geblieben: Der Kampf um das Kind in uns, darum wieder selbst zu träumen, anstatt die Träume der anderen zu konsumieren, der ist aktueller denn je, dazu gibt es einige witzige Momente, die das Geschehen auflockern.



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„Der kleine Prinz“ adaptiert das bekannte Kinderbuch, fügt aber noch eine sehr umfangreiche Rahmenhandlung hinzu. Das ist schade, da so viel vom Original verloren ging, die neue Geschichte auf gewöhnliche Holzhammerpoesie setzt. Insgesamt ist der Film aber eine schöne Ode an die Fantasie mit einmaligen Stop-Motion-Sequenzen.
7
von 10