Chuck Norris und der Kommunismus
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Chuck Norris und der Kommunismus

(„Chuck Norris vs Communism“ directed by Ilinca Calugareanu, 2015)

Chuck Norris und der Kommunismus
„Chuck Norris und der Kommunismus“ läuft ab 12. November im Kino

Dass Chuck Norris unter anderem Gott und die Pyramiden erschaffen hat, weiß jeder. Oder dass er Zwiebeln zum Weinen bringt. Aber wusstet ihr schon, dass er auch für das Ende des Kommunismus in Rumänien verantwortlich ist? Wobei der Actionheld zumindest da ein paar prominente Sidekicks hatte, die ihm bei seiner Arbeit unterstützen. Sylvester Stallone zum Beispiel. Oder Julia Roberts. Auch Marlon Brando war dabei. Zumindest wenn man Chuck Norris und der Kommunismus Glauben schenkt.

In den 80ern war das, der Diktator Nicolae Ceaușescu war zu dem Zeitpunkt bereits seit rund zwei Jahrzehnten an der Macht und tat alles dafür, schädliche Einflüsse aus dem Westen von seinen schutzbedürftigen Genossen fernzuhalten – einschließlich Filmen. So die Theorie. Tatsächlich aber machten findige Bürger aus der Not eine Tugend und starteten einen florierenden Schwarzmarkt. Verbotene Videoabende wurden zu einem Ereignis, an dem von alt bis jung so ziemlich jeder teilnahm, um so einen Blick auf eine ferne, ganz andere Welt zu gewinnen. Ein Ereignis, das bis in die obersten Kreise ging: Selbst der Sohn des Diktators soll fleißig mitgeschaut haben.

Nun konnte man von der isolierten Bevölkerung kaum erwarten, dass sie auch die nötigen Englischkenntnisse mitbringt, um die Filme zu verstehen. Und eine offizielle Synchronisation war unter Ceaușescu ja kaum zu erwarten. Das wiederum eröffnete Irina Nistor die Möglichkeit einer etwas anderen Karriere: Sie durfte sich die ganzen illegal eingeführten Filme anschauen und simultan übersetzen. Dabei spielte es keine Rolle, ob gerade Mann, Frau oder Kind sprach, Nistor übernahm sie alle. Bis zu zehn Filme besprach sie so in einer Nacht, rund 3000 sollen es während ihrer Laufbahn insgesamt gewesen sein. Damit wurde sie für viele Menschen zu einem festen Bestandteil ihres Lebens, eine Kultfigur und Vertrauensperson, von der keiner sagen konnte, wie sie wohl aussah.

Chuck Norris und der Kommunismus hat eine ganze Reihe dieser Anekdoten zu bieten, aus Sicht der Macher, aber auch aus der des Publikums. Am überzeugendsten ist der Dokumentarfilm, wenn er sich dabei auf die aus westlicher Sicht absurden Geschichten konzentriert. Welche Ausdrücke im Englischen blieben bei der Übersetzung, was wurde rausgenommen? Unglaublich auch, dass ein Videorekorder seinerzeit in Rumänien den Wert eines Autos gehabt haben soll. Weniger geglückt hingegen sind die Versuche, Thrillerelemente einzubauen, durch nachgespielte Szenen die Bedrohung durch die Oberen verdeutlichen zu wollen. Spannend sind diese zu keiner Zeit.

Das größte Versäumnis ist jedoch, die Verbindung zwischen subversiver Videokultur und dem tatsächlichen Ende des Kommunismus in Rumänien zu behaupten, ohne diese in irgendeiner Form zu beweisen. Dass westliches Gedankengut über das Medium des Films seinen Weg in die Köpfe des Volkes gefunden hat, ist noch nachzuvollziehen. Dass sich aber dadurch auch eine tatsächliche Revolution entfacht hat, die zum Sturz von Ceaușescu führte, das ist schon eine sehr romantisierte, kaum belegbare Vorstellung. Am besten ignoriert man diesen übergroßen Anspruch der Regisseurin Ilinca Calugareanu, genießt stattdessen lieber die vielen Anekdoten und schwelgt dabei selbst ein wenig in Erinnerungen an eine Zeit, in der Videokassetten das Tor zu einer Welt öffneten und durch ihre schlechte Bildqualität – wer hat damals keine Filme kopiert? – dabei auch der eigenen Fantasie einiges abverlangten.



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„Chuck Norris und der Kommunismus“ erzählt, wie im Rumänien der 80er das Verbot westlicher Kultur zu einem florierenden Schwarzmarkt von Videokassetten führten. Das überzeugt vor allem bei den absurden Anekdoten, die politische Dimension des Filmeschauens hingegen nimmt man dem Dokumentarfilm kaum ab.