The Gang
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The Gang – Auge um Auge

(„De Bende van Oss“ directed by André van Duren, 2011)

The Gang
„The Gang – Auge um Auge“ ist seit 24. September auf DVD und Blu-ray erhältlich

Endlich wieder von vorne anfangen und ein neues, richtiges Leben beginnen, mehr wünscht sich Johanna van Heesch (Sylvia Hoeks) ja gar nicht. Und zumindest der Zeitpunkt scheint gut gewählt, schließlich wurde ihr Mann Ties (Matthias Schoenaerts) gerade aus dem Knast entlassen, das Paar hat zusammen ein Restaurant eröffnet. Doch Johannas Träume sind nur schwer mit der Realität zu vereinbaren, die von Gewalt geprägt ist, von Verbrechen und Prostitution. Und daran ist Wim de Kuyper (Marcel Musters) nicht unschuldig, Anführer der berüchtigten Osche Bande und gleichzeitig Onkel von Ties.

Filme rund um den Zweiten Weltkrieg sind nicht gerade eine Seltenheit, bieten immer wieder einen Aufhänger für menschliche Tragödien und/oder explosive Schlachten. The Gang – Auge um Auge hat damit jedoch nur am Rande zu tun. Zwar beruht der niederländische Film auf wahren Begebenheiten, die unmittelbar vor Kriegsausbruch stattfinden. Die Brücke zu den Gräueltaten wird jedoch erst recht spät geschlagen, wenn einige der Protagonisten in einer Art Nachsatz einen historischen Kontext erhalten. Dass es da durchaus spannende Geschichten zu erzählen gäbe, wird erst im Nachhinein klar.

Stattdessen interessiert sich der niederländische Regisseur und Ko-Autor André van Duren stärker für seine Figuren, speziell für Johanna, die verzweifelt versucht, aus ihrem Umfeld auszubrechen, dabei aber immer wieder zurückgeworfen wird. Gerade anfangs wirkt sie dabei wie die typische Damsel in Distress, auch weil ihr als Gegenentwurf der gewalttätige Ties an die Seite gestellt wurde. Das ist anfangs durchaus spannend, in Verbindung mit den anfänglichen Gangsterszenen setzt sich ein zwar nicht unbedingt originelles, aber doch in sich stimmiges Bild einer in ihrem Milieu gefangenen jungen Frau zusammen.

Überzeugend gespielt ist das zudem auch: Schoenaerts durfte ja schon in anderen Filmen die Rolle des groben Klotzes übernehmen, der nicht vor körperlicher Gewalt zurückschreckt (Der Geschmack von Rost und Knochen, Blood Ties, The Loft). Die hierzulande eher unbekannte Hoeks wiederum zeigt die Art von Verletzlichkeit, die eine solche Frauenfigur nun mal mit sich bringt. Später wandelt sich dieses Bild jedoch, Johanna ist Täter und Opfer zugleich, die anfänglich so klare Schwarz-Weiß-Zeichnung wird zunehmend verwischt.

Als Charakterbild ist das nicht unspannend, nur fehlt hierfür der richtige Rahmen. Des starken Kontrastes beraubt (und auch eines Teils ihrer Sympathie), schlingert The Gang die zweite Hälfte ziemlich hin und her, ist Drama und Krimi in einem, ohne sich für eins zu entscheiden. Und ohne wirklich etwas zu erzählen zu haben, ohne etwas zu zeigen zu haben. Diese deutlichen dramaturgischen Längen trüben den anfangs starken Eindruck wieder, die Ambivalenz der nicht annähernd unschuldigen Hauptfigur lädt nicht unbedingt zum Mitfiebern ein. Immerhin sieht der Film dabei gut aus: Die blassen bräunlichen Farben und die makellose Ausstattung lassen einen vergangene Luft schnuppern, die deutlich von Zigaretten- und Schusswaffenqualm geprägt ist. Wer für diese Art Gangstermilieudramen schwärmt, der darf es dank der gelungenen Atmosphäre einmal hiermit versuchen. Der Rest wird jedoch Sitzfleisch mitbringen müssen, um bis zum Schluss dabeizubleiben.



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„The Gang“ interessiert sich insgesamt nur wenig für die tatsächlichen historischen Kontexte, will vielmehr die Geschichte einer Frau erzählen, die um jeden Preis aus dem Gangstermilieu raus will. Das ist als Charakterporträt nicht unspannend und zudem atmosphärisch gut umgesetzt, in der zweiten Hälfte kommt es aber zu deutlichen Längen.
6
von 10