End of Evangelion
© 1997 Gainax/Eva Production Committee

Neon Genesis Evangelion – The End of Evangelion

(„Shin Seiki Evangerion Gekijō-ban: Ea/Magokoro o, Kimi ni“ directed by Hideaki Anno and Kazuya Tsurumaki, 1997)

End of EvangelionDie Engel sind vernichtet, der gefürchtete Third Impact, welches das Ende der Menschheit herbeigeführt hätte, ist noch einmal abgewehrt worden. Oder vielleicht doch nicht? Tatsächlich verfolgt die Geheimorganisation SEELE ganz eigene Pläne und zeigt dabei keine Skrupel: Beim Versuch, die Kontrolle über NERV zu gewinnen, zerstört sie alles und jeden, der sich ihr in den Weg stellt. Während die verbliebenen Mitglieder von NERV verzweifelt um ihr Leben kämpfen, sucht Shinji Ikari noch immer nach eigenen Antworten und seinem Platz im Leben.

„Sei vorsichtig, was du dir wünschst. Es könnte in Erfüllung gehen“, lautet sinngemäß ein englisches Sprichwort. Und das trifft sicherlich auch auf Neon Genesis Evangelion zu. Nicht wenige fühlten sich seinerzeit vor den Kopf gestoßen, als die Animeserie, die 24 Folgen lang eine Mischung aus furiosen Kämpfen, humorvollen Einlagen, religiöser Symbolik und menschlichen Dramen war, beim Finale einen unerwarteten Weg einschlug: Die psychischen Probleme, mit denen sich die Protagonisten herumschlugen, wurden plötzlich zum alleinigen Inhalt, die letzten beiden Episoden bestanden ausschließlich aus seltsamen Bildern, Erinnerungen und Wortfetzen, bei denen man nie ganz sicher sein konnte, ob es nun Monologe oder Dialoge waren.

Serienschöpfer Hideaki Anno ließ sich daraufhin erweichen, das Ende in zwei anschließenden Filmen noch einmal neu aufzurollen: Death & Rebirth fasste die 24 Episoden der Serie zusammen und gab einen Ausblick auf die Ereignisse danach, The End of Evangelion griff diese auf und schloss sie ab. Beide richteten sich dabei jedoch an bestehende Fans, die Compilation war so verwirrend und unzusammenhängend, dass man sie ohne Vorkenntnisse der Serie nicht verstand. Und bei der offiziellen Fortsetzung sieht es nicht wirklich besser aus. Was zuvor geschehen ist, wird nirgends zusammengefasst, auch hat man keine Ahnung, wer diese Menschen denn sind, was der Third Impact sein soll, und warum auf einmal riesige Bestien über die Erde laufen.

Für die Alteingesessenen schien hingegen ein Traum wahr zu werden: Nicht nur, dass hier im Vergleich zum introspektiven Finale des Originals gekämpft wurde, man setzte dem Ganzen noch eins drauf. Sie könne doch nicht auf Menschen schießen, sagt ein Mitglied von NERV während der Invasion. Die von SEELE hätten damit doch auch kein Problem, erwidert ein Kollege. Entsprechend blutig geht es hier los, da werden Menschen abgeschossen, was das Zeug hält, im Sekundentakt scheinen wir selbst liebgewonnene Charaktere zu verlieren. Und auch der Kampf der Riesenmaschinen – diesmal geht es nicht gegen die Engel, sondern ebenfalls anthropomorphe Einheiten von SEELE – hat an Intensität und Brutalität noch zugenommen. Was bei der Originalserie noch ein seltener Höhepunkt war, wird hier zum Dauerzustand.

Aber auch abseits des Schlachtfeldes macht Anno keine Gefangenen: Asuka liegt anfangs im Koma, Rei hadert mit ihrem Schicksal als Kreatur, Shinji weiß noch immer nicht, was er von der Welt zu halten hat. Und bei den Erwachsenen sieht es nicht viel besser aus, keiner hier scheint seine Dämonen in den Griff zu bekommen. Während in Neon Genesis Evangelion aber genau das zum Schluss der Fall wurde, die Serie bei aller Seltsamkeit das Gefühl vermittelte, Frieden zu finden, ist The End of Evangelion deutlich düsterer. Und sehr viel verständlicher ist auch die Filmfassung nicht geworden, denn im weiteren Verlauf werden aus den realen Kämpfen wieder solche auf einer anderen Ebene, die sehr viel Raum für Interpretationen lassen.

Das sieht teilweise großartig aus: Die Animationen sind wie schon bei der Serie auf einem guten Niveau, dieses Mal finden sie jedoch vor bizarren Bilderlandschaften statt. Das Ende, das im Titel bereits angekündigt wird, geht hier auch mit einer tatsächlichen Endzeitstimmung einher, surreal, symbolisch, losgelöst von dieser Welt. Effektmäßig ist die Zusammenarbeit der Studios Gainax und Production I.G eher zurückhaltend, trotz des technischen Themas hat der Computer hier Sendepause – wie man es von einem Film aus dem Jahr 1997 aber auch eher erwarten kann. Visuell ist The End of Evangelion dennoch ein Fest, zumindest für Zuschauer, die eine Schwäche für ungewöhnliche, rätselhafte und tendenziell unheimliche Bilder haben.

Wem die Serie zu uneindeutig endete, der fährt hier deswegen nicht unbedingt besser, viele Antworten sind nach wie vor der Obhut des Zuschauers überlassen. Insgesamt ist The End of Evangelion jedoch ein stimmiger Abschluss, der die kampflustigen Elemente mit den nachdenklichen besser verbindet, als es Neon Genesis Evangelion das Jahr zuvor tat, der nicht ganz so abrupt die Richtung wechselt. Ob es nun das generell bessere Ende darstellt, ist selbst bei Fans umstritten, eine interessante Alternative ist es aber, die wie kaum ein Anime zum Nachdenken anregt.



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Das neue Ende von „Neon Genesis Evangelion“ ist actionlastiger und insgesamt stimmiger als das umstrittene der Serie, wird aber mit der Zeit ebenso schwer verständlich – vor allem für Neulinge, denn Vorkenntnisse werden dringend vorausgesetzt. Interessant ist das düstere und stark mit Symbolen arbeitende „The End of Evangelion“ jedoch, bietet teils fantastische Bilder und regt zum Nachdenken an.
7
von 10