Koenigin der Wueste
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Königin der Wüste

(„Queen of the Desert“ directed by Werner Herzog, 2015)

Koenigin der Wueste
„Die Königin der Wüste“ läuft ab 3. September im Kino

Heiraten, Kinder kriegen, sich um den Haushalt kümmern? Für die wissbegierige junge Britin Gertrude Lowthian Bell (Nicole Kidman) kommt das nicht in Frage. Ihr Vater Thomas Hugh Bell (David Calder) ist über so viel Eigensinn und Entdeckungsdrang zwar wenig glücklich, ermöglicht es ihr aber dennoch, 1902 zu Verwandten in Teheran zu ziehen. Dort verliebt sich Gertrude unsterblich in den mittellosen Diplomaten Henry Cadogan (James Franco). Als deren Beziehung unglücklich endet, entschließt sie sich endgültig, den Normen und Zwängen zu entsagen, bereist ungeachtet sämtlicher Warnungen die Wüste, um Land und Leute kennenzulernen, und wird dabei mit der Zeit zu einer bedeutenden Kennerin und Ansprechpartnerin der lokalen Stammesführer.

Seit fast 90 Jahren ist Gertrude Bell nun tot, aber noch immer erinnert man sich im Irak an jene Forschungsreisende, die nicht nur für ihr Land eine große Rolle spielte, sondern allgemein sehr viel für die Verständigung zwischen der arabischen Welt und den westlichen Kolonisten tat. Wenn eine derart bedeutende Persönlichkeit ausgerechnet von dem bedeutenden Regisseur Werner Herzog porträtiert wird, dann verspricht das einiges. Doch Königin der Wüste hält sich nur wenig an diese Versprechen, geht ins Detail, wo es das gar nicht gebraucht hätte, verstummt dafür an anderen Stellen, über die man gern viel mehr gewusst hätte.

Wer sind diese Stämme, die da in der Wüste leben, sich gegenseitig bekämpfen und Fremden gegenüber so misstrauisch geben? Von den britischen Offizieren, die den Einheimischen mit einer Mischung aus arroganter Verachtung und Angst begegnen, kennt keiner die Antwort. Getrude Bell schon, so die Aussage des Films. Aber es ist eine Antwort, die sie mit niemandem teilt. Als „Königin der Wüste“ wird sie von den Arabern gerühmt, als eine der ihren. Warum dem so ist, wird jedoch nicht ganz klar, dafür sind die entsprechenden Stellen zu kurz, zu seicht, zu nichtssagend. In einer großen Ehrerbietung schildert Herzog, wie die junge Frau bei den mächtigen Fürsten ein und aus geht, der Weg dorthin jedoch, den verschweigt er. Wer sich für den Film der Historie wegen interessiert und um tiefere Einblicke in die dort lebenden Menschen zu erhalten, kann sich den Ausflug ins Kino sparen.

Vielmehr interessiert sich Herzog für die Frau als solche, losgelöst von der konkreten Situation. Ob der Ansatz der bessere ist, darüber lässt sich streiten, zumal Königin der Wüste auch hier nicht so sehr in die Tiefe geht, wie man es sich wünschen würde. Die unglückliche Begegnung mit Cadogan soll die Initialzündung gewesen sein – glaubt man dem Film – für Bells Reisen und Forschungsarbeiten. Das mag durchaus stimmen, rechtfertigt aber noch nicht, ein knappes Drittel der über zwei Stunden dauernden Geschichte deshalb diesem Thema zu widmen. Gut gespielt ist der Abschnitt sicher, sowohl von Kidman als starke, intelligente Frau aus gutem Haus wie auch von Franco, der hier einen charmanten, ebenso lebenshungrigen jungen Mann spielt. Aber man darf als Zuschauer keine Probleme mit Pathos haben, denn zu dem neigt der Film nicht nur an dieser Stelle spürbar.

Am schönsten ist Königin der Wüste dann auch, wenn gar nicht erst gesprochen wird oder so getan wird, als würden wir tiefere Einblicke in Zeit und Menschen gewinnen. Dann nämlich, wenn wir mit Bell durch die Wüste streifen, Kamelrennen mitanschauen dürfen oder kleine verwinkelte Gassen in den Dörfern erkunden, zwischenzeitlich die prachtvollen Botschaftsgebäude bestaunen. Ob es dafür aber einen so langen Spielfilm und eine solch hochkarätige Besetzung gebraucht hätte, das steht auf einem anderen Blatt.



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„Die Königin der Wüste“ wirft einen Blick auf die berühmte Forschungsreisende Getrude Bell, hat aber nicht viel Interessantes über sie zu erzählen. Sowohl sie als Mensch als auch die Stämme, die sie kennenlernte, bleiben an der Oberfläche, dafür gibt es eine Menge schöner Bilder.
5
von 10