Lausbubengeschichten
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Lausbubengeschichten

(„Lausbubengeschichten“ directed by Helmut Käutner, 1964)

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Die Lausbubengeschichten Jubiläumsedition ist seit 11. Dezember auf DVD erhältlich

Gescheit ist er, der kleine Ludwig Thoma (Hansi Kraus). Doch statt Vokabel pauken oder Gebete aufsagen hat der Junge immer nur Unsinn im Kopf. Ob es nun seine Verwandten sind wie die ungeliebte Tante Frieda (Elisabeth Flickenschildt), der Geheimrat (Georg Thomalla) oder auch diverse Lehrer, sie alle haben unter seinen Streichen zu leiden. Dabei kann er auch ganz anders, setzt sich zum Beispiel für seine Schwester Ännchen (Renate Kasché) ein, als deren Liebesglück in Gefahr ist.

In Restdeutschland inzwischen eher in Vergessenheit geraten, genießt der bayerische Schriftsteller Ludwig Thoma auch bald hundert Jahre nach seinem Tod in der Heimat große Popularität. Grund dafür sind seine genauen Beobachtungen des alltäglichen Lebens auf dem bayerischen Land, welche er mit viel Lokalkolorit und satirisch überhöht in seinen Büchern festhielt. Seine ab 1905 veröffentlichten „Lausbubengeschichten“ etwa sind deutlich autobiografisch gefärbt und verarbeiten seine eigenen Erfahrungen als Kind.

Lausbubengeschichten, die erste von fünf Verfilmungen, die ab 1964 entstanden, hält sich dann auch nahe an die literarische Vorlage. Das Problem des mangelnden roten Fadens des Originals umging man hier mit einem kleinen Kniff: Zum Zwecke einer Rahmenhandlung wurde ein Religionslehrer eingeführt, der das reale Buch von Thoma im Unterricht konfisziert und zu Hause liest – mit großem Vergnügen natürlich. Das ist durchaus geschickt, denn auf diese wird dem Zuschauer schon in den ersten Minuten suggeriert, dass die Geschichten um den frechen Ludwig sowohl unerhört, aber eben auch lustig sind.

Aus heutiger Sicht wird man das sicher etwas anders sehen. In Zeiten, wo es völlig normal ist, andere Menschen mit Elektroschockern zu bearbeiten (Hangover), das Haus der Nachbarn durch einen Wasserrohrbruch zu verwüsten (Bad Neighbors) oder Schüler mit Paintballgewehren zu beschießen (Fack ju Göhte), ist das Aussetzen von Mäusen im Schlafzimmer des Geheimrats ein zu harmloser Streich, um tatsächlich noch bei jemandem für Aufregung sorgen zu können. Der Charme, wenn gewitzte Kinder eingebildete Erwachsene austricksen, der ist sicher zeitlos, richtet sich aber à la Kiriku und die Zauberin dann doch eher an ein jüngeres Publikum. Dieses könnte an den Lausbubengeschichten auch immer noch seine Freude haben, gesetzt den Fall, die Zuschauer sind noch nicht allzu sehr an die brachialen Komödiennachfahren der heutigen Zeit gewöhnt.

Vor allem aber Nostalgiker dürfen sich über die Veröffentlichung der fünf Filme in der Lausbubengeschichten Jubiläumsedition freuen, denn als Zeitdokument verraten sie einiges über das Leben der damaligen Zeit, die Bräuche, den Humor, aber auch die gesellschaftlichen Verhältnisse. Wenn bayerische Bauerschläue auf preußische Steifheit treffen, hat das sicher nicht mehr viel mit unserer jetzigen Gesellschaftssituation zu tun, zeigt aber doch, was es bedeutete, vor 50 Jahren im Süden Deutschlands zu leben. Erfolgreich und beliebt war der Auftakt von Regisseur Helmut Käuten (Der Hauptmann von Köpenick) ohnehin, sodass schon ein Jahr später mit Tante Frieda – Neue Lausbubengeschichten die Fortsetzung erschien.



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Unerhört sind die harmlosen Späßchen des jungen Ludwig Thoma heute nicht mehr, da sind wir 50 Jahre später doch ganz andere Hausnummern gewohnt. Als Zeitdokument haben die „Lausbubengeschichten“ aber noch immer ihren Reiz, zeigen sie doch die damaligen Wertvorstellungen und was es hieß, seinerzeit auf dem bayerischen Land zu leben.
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von 10