Excision

Excision

(„Excision“ directed by Richard Bates Jr., 2012)

ExcisionSo ein Teenagerleben ist schon hart. Nicht nur, dass von dir erwartet wird, völlig unnützes Zeug in der Schule zu lernen, und Eltern ihr eigenes verpfuschtes Leben an dir auslassen wollen, du musst dich auf einmal mit bislang völlig ungekannten Sehnsüchten und Begierden auseinandersetzen. Kein Wunder, dass so mancher in dem Alter die dröge Realität allzu gern gegen ganz eigene Fantasien eintauscht. Und das bedeutet im Fall von Pauline (AnnaLynne McCord) viel nackte Haut und viel Blut.

Auf den ersten Blick könnte man da denken, Excision wäre nur ein weiterer billiger Sex-Splatter-Streifen aus der „Ab 18“-Abteilung. Ab 18 ist der Film auch, verdient sogar, wenn man sich die zahlreichen alptraumhaften Szenen vor Augen führt. Ansonsten hat er aber nicht viel mit den No-Name-Horrorfilmen gemeinsam – alleine schon, weil in den Nebenrollen so manches bekanntes und gleichzeitig unerwartetes Gesicht auftaucht. Wenn etwa Ex-Pornogröße Traci Lords Paulines penible Übermutter Phyllis darstellt und Pastor William von Trashikone John Waters verkörpert wird, zeugt das von einem recht eigenwilligen Humor. Etwas konservativer sind da schon die Besetzungen des Vaters durch den Theaterschauspieler Roger Bart und der Lehrer durch Marlee Matlin und Malcolm McDowell.

Das war es dann aber auch schon, was konservative Beiträge angeht. Vor allem in den Fantasien von Pauline reiht sich eine bizarre Szenerie an die nächste. Wirklich normal ist die 18-Jährige aber auch in der „Realität“ nicht. Während ihre jüngere Schwester Grace (Ariel Winter) noch in ihrer Rosa-Traumprinzessinnen-Phase steckt, gleicht Pauline mit ihren strähnigen Haaren, den buschigen Augenbrauen  und der gebeugten Körperhaltung mehr einem weiblichen Quasimodo. Kein Wunder, dass weder die dauerseilspringende Nachbarin noch die anderen Schülerinnen mit der Außenseiterin etwas zu tun haben möchten. Diese Rolle als fast schon verstörend hässliches Entlein ist umso bemerkenswerter, da AnnaLynne McCord sonst eher den Verführertyp spielt und früher sogar als Model arbeitete.Excision Szene 1

Hinter der wenig ansprechenden Fassade verbirgt sich jedoch ein Mädchen, das zumindest ansatzweise verständliche Wünsche verfolgt. Ihre Jungfräulichkeit verlieren zum Beispiel. Als Chirurgin arbeiten. Und ihre Mutter töten. Zwischendurch wehrt sie sich gegen den Versuch der Frau Mama, sie zum Figurentanzen zu zwingen, und redet regelmäßig mit Gott. Ob es den wirklich gibt, weiß sie gar nicht, ist ihr letztendlich aber auch egal. Wie das meiste in ihrem Leben ihr egal ist. Die große Ausnahme bildet da nur Grace, die an einer Lungenkrankheit leidet und vermutlich irgendwann eine Lungentransplantation über sich ergehen lassen muss. Klar, dass Pauline da Blut leckt – im übertragenen aber auch wörtlichen Sinn.

Hin und wieder begegnet man Filmen, bei denen es äußerst schwer fällt, sie beurteilen oder zumindest mit anderen Filmen vergleichen zu wollen. Am ehesten erinnert mich Excision noch an Uhrwerk Orange – und das nicht nur, weil McDowell mitspielt. In beiden Fällen treffen Gesellschaftssatire, bizarre Bilder, verfremdete Musik und äußerst blutige Gewaltszenen aufeinander. Während beim Kubrick-Klassiker die Gewalt jedoch meist real war, spielt sie sich hier größtenteils im Kopf von Pauline ab. Und auch der Fokus ist ein anderer. Existenzielle philosophische Fragen über den Menschen werden hier keine gestellt. Vielmehr zeigt Regisseur und Drehbuchautor Richard Bates Jr. den Konflikt zwischen einem äußeren perfekten Amerika – weiße Gartenzäune, hübsche Cheerleader, Figurentanz, akkurate Rasen, Gottgläubigkeit – und seinem hässlichen Inneren, das vor lauter unerfüllter Wünsche brodelt.Excision Szene 2

Ob einem das gefällt, hängt sehr von der Erfüllung zweier Bedingungen ab: 1. Man darf sich nicht an der Darstellung von Blut stören. 2. Man braucht eine Vorliebe für das Groteske. Kommt beides zusammen, entsteht zwar trotzdem kein Klassiker, über den auch 40 Jahre später noch Bücher geschrieben werden. Aber für einen kurzen, äußerst verstörenden Moment erlebt man einen Film, dem Grenzen ganz offensichtlich egal sind und der dadurch etwas ganz Eigenes schafft.

Excision ist seit 5. April auf DVD und Blu-ray erhältlich



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Excision ist eine eigenwillige und verstörende Mischung aus blutrünstigem Horror und bizarrer Satire, die gleichermaßen abstoßend und faszinierend ist. Sicher nicht für jeden geeignet, ist der Indiefilm vor allem für experimentierfreudige und abgehärtete Zuschauer ein echter Geheimtipp.
7
von 10