Magere Zeiten

Magere Zeiten

(„A Private Function“, Malcolm Mowbray, 1984)

England, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Essen ist knapp. Jeder, der auf offener Straße auch nur an einem Keks lutscht, wird schief angesehen. Besonders schlimm ist es mit der Fleischversorgung. Die Schlachter verkaufen wertvolle Teile von Schweinen illegal unter dem Ladentisch und rechtfertigen damit die extra deshalb eingesetzten „Fleischinspektoren“. In unregelmäßigen Abständen werden die Fleischereien inspiziert und nicht selten findet man ein illegal geschlachtetes Schwein im Bett oder im Kleiderschrank.

Unter der begrenzten Essensration haben auch Fußpfleger Gilbert (Michael Palin) und dessen Frau Joyce (Maggie Smith) zu leiden, welche sehr unter ihrer niedrigen gesellschaftlichen Stellung leidet und gerne zu den oberen Zehntausend dazugehören möchte. Eines Abends entdeckt Gilbert ein verstecktes Schwein auf einem Bauernhof, das nur auf seine Schlachtung wartet. Um nicht länger Hunger leiden zu müssen, entwendet Gilbert das Schwein. Doch dies wirft nur neue Probleme auf: wohin mit dem Schwein, wie schlachtet man es und wie hält man es vor denen versteckt, denen das Schwein gehört?

Magere Zeiten ist eine recht vergnügliche, britische Komödie aus den 80ern, produziert von George Harrisons Produktionsfirma Handmade Films, die ihren ganzen Witz aus den skurrilen Charakteren des Films zieht. Dabei ist der dramatische Aspekt des Films in der ersten Hälfte weitaus interessanter, wenn Joyce unter ihrem niedrigen Platz in der Gesellschaft leidet und ihr Mann sich von den Mächtigen der Stadt demütigen lässt, ohne den Mut finden zu können, etwas dagegen zu unternehmen. Obwohl es bereits hier zahlreiche kleine amüsante Details gibt, die einen auf typisch britische Art schmunzeln lassen, kommt der Film als Komödie in der ersten Hälfte kaum in Fahrt, zu lange werden die Methoden des Fleischinspektors beobachtet, sodass man hier erst sehr spät zum Punkt und zum eigentlichen Fokus kommt, nämlich das Entwenden des Schweins und die Probleme, die damit verbunden sind. Ähnlich wie bei Hitchcocks Immer Ärger mit Harry ist es bis zu diesem Punkt eine zwar sehr charmante Gesellschaftsstudie mit humoristischen Anklängen, aber als reine Komödie nicht sehr befriedigend.

Doch wer sich darauf einlässt und dem psychologischen Aspekt des Werks etwas abgewinnen kann (gesellschaftliche Probleme des Einzelnen werden angerissen, aber nicht ausgeführt), wird mit der zweiten Hälfte belohnt. Die Probleme des Ehepaares mit dem Schwein gehören zu den komödiantischen Highlights Großbritanniens der 80er Jahre und wissen vollends zu überzeugen.

Der Film ist zwar insgesamt sehr unterhaltsam und charmant, krankt aber an seiner Entscheidungsunfähigkeit. Die gesellschaftlichen Probleme am Anfang werden angerissen, aber nicht weitergeführt, da man diesen Streifen als Komödie vermarkten wollte. Der dramatische Aspekt kommt deshalb nicht ganz zum Tragen, bremst zusätzlich aber auch die Komik aus, die erst in der zweiten Hälfte voll zum Zuge kommt. So bleibt es ein charmantes britisches Gesellschaftsporträt mit amüsanten und sehr interessanten Charakteren, einiger Situationskomik und guten Darstellern – allen voran die wie immer hervorragend aufspielende Maggie Smith.



(Anzeige)

7
von 10