Fantasy
© Lazar Bogdanović

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Fantasy
„Fantasy“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Mihrije (Sarah Al Saleh), Sina (Mina Milovanovic) und Jasna (Mia Skrbinac) sind beste Freundinnen und finden gesellschaftliche Konventionen scheiße. Als Tomboys verbringen die drei Anfang-20-Jährigen ihren Alltag damit, bei Underground-Boxkämpfen (bzw. eher Underthebridge-Boxkämpfen, ein beliebter Treffpunkt ist nämlich der freie Platz unter einer massiven Betonbrücke) mit Jungs zu kämpfen, schnöde herumzuhängen und den Machos in ihrer Umgebung mit flotten Sprüchen zu zeigen, wo der Hammer hängt. Als sie in einem Club der trans Frau Fantasy (Alina Juhart) über den Weg laufen, sind sie alle auf ihre eigene Art und Weise von ihr verzaubert. Angestoßen durch Begegnungen und Veränderungen, ist es für die jungen Frauen nun an der Zeit, eine Reise anzutreten, auf der Suche nach Identität und Selbstfindung. Die Frage ist, ob sie es aus ihrer Platte, aus dem konservativen Raum ihrer Familien, herausschaffen, oder ob die Vorstellungen eines „normalen“ Lebens sie letztendlich einholen.

Queeres Leben in der Platte

Bereits in den ersten Minuten von Fantasy fallen zwei Dinge gravierend auf: Positiv ist zu nennen, dass der Look wirklich schön ausgearbeitet ist, eine perfekt aufs trist-retro-schicke Setting abgestimmte Farbgebung besitzt und die Kameraführung zusammen mit dem Mise-en-Scène wissen, was sie tun. Je mehr das Auge profitiert, desto weniger überrascht der Inhalt. Arthouse-Tropen, die in den letzten Jahren, aber schon allein im Festivaljahr 2025 zuhauf gesehen wurden, werden nacheinander abgespult. Es gibt eine Disco-Szene, die erratisch mit blau-rotem Strobo und Unwohlsein erzeugendem Folk-Techno arbeitet, wo eine der Protagonistinnen ziellos umherstapft, während die andere anscheinend zu viel erwischt hat und ein Gesicht zieht wie drei Tage Regenwetter. In diesem Aufbau liegt allerdings der Sinn, dass die Figur Fantasy vorgestellt wird, die von Mihrije durch die Clubmeute erspäht wird und sie direkt in ihren Bann zieht.

Passend zu einem Remix von Earth, Wind & Fires Fantasy, das aus offensichtlichen Gründen den Themesong der titelgebenden Persönlichkeit darstellt, ist Fantasy wirklich eine charismatische Persönlichkeit, ein Farbfleck inmitten des trostlosen Graus der plattenbaugeprägten Umgebung, wobei das Schauspiel Alina Juharts den Rest des Casts meilenweit überstrahlt. Die drei jungen Mädels sind generell etwas mysteriös – nicht auf die „man möchte mehr über sie wissen“ oder „sie sind so cool, man möchte so sein wie sie“ Art, sondern auf die „warum verhalten sie sich so, wie sie sich verhalten“ Art. Okay, sie boxen, sie lehnen sich gegen die holzköpfigen Boys in ihrer Gruppe auf, ihre Lebensumstände kann man auch nicht unbedingt als luxuriös bezeichnen, aber dennoch schieben sie sich selbst oder auch gegenseitig Stöcke in die Speichen, nur um im nächsten Moment wieder himmelhochjauchzend auf Motorollern zu sitzen und ihre Freiheit zu zelebrieren (abermals ein Bild, das bei weitem nicht zum ersten Mal in diesem Genre gezeigt wird).

Fehlende Tiefe, hinreißende Optik

Die Regisseurin Kukla aka Katarina Bogdanovic beweist zwei großartige Augen für Ästhetik, womit leider kein anderes mehr für charakterlichen Tiefgang oder emotionale Geschichten frei ist, auch wenn die Story teils stark emotionalisiert präsentiert wird. Fantasy zeigt sich thematisch über die meiste Zeit als eine zusammengewürfelte Melange aus allen möglichen Arthouse-Festival-Bausteinen, was die Intention nicht schmälern soll, queeres Leben in osteuropäischen Ländern zu porträtieren. Denn an vielen, gerade ländlichen und suburbanen Orten, beherrschen patriarchale, maskuline Vorstellungen weiterhin das Bild der Geschlechterrollen. Gerade in jene bringt Fantasy, die sonst außerhalb des Clubs ein reguläres Leben mit Trauer, Familie und Pflichten führt, ein wichtiges Element der Diversität hinein.

Von Krise zu Krise stolpernd fängt die Mädelsgruppe voneinander losgelöste Character-Arcs an, wobei Mihrije weiterhin im Mittelpunkt steht, gar zur Liebschaft von Fantasy wird, was für die zärtlichsten, mitfühlendsten und optisch atemberaubendsten Szenen in diesem Film sorgt. Vor allem zum Ende hin übertrifft sich die für die Visuals zuständige Belegschaft immer wieder selbst, kulminierend in einem Augenblick, in dem Fantasy und Mihrije nackt in einem funkelnden Blumenfeld liegen, mit einem riesigen Mond über ihnen. Doch nicht nur hier mischt sich ein Fünkchen surreale Magie in die Erzählung: Als Fantasy vor ihren bereits betagten Verwandten ihre Club-Persona präsentiert, tanzend zu ihrem Themesong, stellt sich die Frage, ob es denn wirklich so einfach sein könnte, ein paar konservative Landeier von Queerness zu überzeugen. Zu wünschen sei es den Involvierten natürlich, doch schließlich schimmert hier ein Portiönchen optimistischer Fantasie hindurch.

Credits

OT: „Fantasy“
Land: Slowenien, Nordmazedonien
Jahr: 2025
Regie: Kukla
Drehbuch: Kukla
Musik: Relja Cupic
Kamera: Lazar Bogdanovic
Besetzung: Sarah Al Saleh, Alina Juhart, Mina Milovanovic, Mia Skrbinac

Bilder

Trailer

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fazit
„Fantasy“ der slowenischen Regisseurin Kukla ist ein überdurchschnittlicher Coming-of-Age Film, der Themen wie Selbstfindung, Queerness und Orientierungslosigkeit teils kreativ, teils klischeehaft mit einem Tumblr-Teenie-Einschlag und unfassbar viel Style kombiniert. Was der Story und den Charakteren an Tiefe fehlt, fangen magische visuelle Momente auf. Die überbordende Dramatik frustriert an etlichen Stellen, an denen Ambition in sich selbst zu ernst nehmende Prätentiösität herüberschwingt.
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